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Ich bin im vierten Monat schwanger und arbeite in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in einem Jugendtreff. Was ist zu beachten?
KomNet Dialog 8917
Stand: 16.12.2019
Kategorie: Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Werdende und stillende Mütter > Beschäftigungsverbote und -beschränkungen
Frage:
Ich bin im vierten Monat schwanger und arbeite in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in einem Jugendtreff, z.T. mit Kindern (ca. 8-13 Jahre), vorwiegend mit Jugendlichen/jungen Erwachsenen (14-21 Jahre) und habe diverse Fragen: Ich bin nicht immun gegen Ringelröteln, Keuchhusten und Hepatits A/B. Welche Impfungen/Immunitäten benötige ich überhaupt in diesem Arbeitsfeld während der Schwangerschaft? Wer trägt die Kosten, um gegebenenfalls den Impfstatus festzustellen? Das örtliche Amt für Arbeitsschutz hat empfohlen alle Mitarbeiter dem Betriebsarzt vorzustellen (da niemand eine Impfung Hepatitis A/B hat bzw. Gefährdungsbeurteilung wg. meiner Schwangerschaft). Wie schnell muss dies durch den Arbeitgeber umgesetzt werden? Darf ich im Rahmen meiner Arbeit noch Jugendliche mit dem PKW befördern, z.B. Ausflüge? In wie weit ist der Arbeitgeber verpflichtet, mich zeitnah nach Mitteilung der Schwangerschaft bezüglich des Mutterschutzes zu belehren?
Antwort:
Grundsätzliches:
Bei der Beschäftigung einer werdenden oder stillenden Mutter muss der Arbeitgeber von sich aus die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) einhalten und entsprechend erforderliche Schutzmaßnahmen treffen. Insbesondere ist der Arbeitgeber nach § 27 Abs. 1 MuSchG verpflichtet, unverzüglich nach Bekanntwerden der Schwangerschaft die zuständige Aufsichtsbehörde zu benachrichtigen (in Nordrhein-Westfalen die Dezernate 56 der Bezirksregierungen) sowie den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Leben und Gesundheit von Mutter und Kind durch die berufliche Tätigkeit nicht gefährdet werden.
Der Arbeitgeber hat - unabhängig davon, ob eine Frau am Arbeitsplatz beschäftigt wird - bereits im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) für jede Tätigkeit jene Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer zu ermitteln, denen eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind ausgesetzt sein kann (anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG). Auf Grundlage dieser Beurteilung ist anschließend festzustellen, inwieweit Schutzmaßnahmen erforderlich werden. Mit Bekanntgabe der Schwangerschaft bzw. Stillbereitschaft hat der Arbeitgeber seine Beurteilung auf Aktualität zu überprüfen, die Schutzmaßnahmen festzulegen und der anzeigenden Arbeitnehmerin ein Gespräch zu weiteren Anpassungen anzubieten (§ 10 Abs. 2 MuSchG). Der Arbeitgeber hat eine schwangere oder stillende Frau über die Gefährdungsbeurteilung und über die damit verbundenen für sie erforderlichen Schutzmaßnahmen zu informieren (§ 14 MuSchG).
Ergibt die Beurteilung, dass eine unverantwortbare Gefährdung bezüglich der Sicherheit oder Gesundheit von Mutter und/oder Kind vorliegt, ist der Arbeitgeber dazu angehalten, der Frau die Fortführung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen und in diesem Sinne geeignete Schutzmaßnahmen in Rangfolge des § 13 MuSchG zu treffen, die sich wie folgt gliedern:
1. Umgestaltung der Arbeitsbedingungen
2. Arbeitsplatzwechsel (Arbeitgeber hat hierbei erweitertes Direktionsrecht, § 315 BGB)
3. Freistellung im Rahmen eines Beschäftigungsverbots unter Zahlung des Mutterschutzlohns gem. § 18 MuSchG (als Ultima Ratio)
Die Dokumentationspflicht bezüglich der Gefährdungsbeurteilung und die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Beschäftigten ergeben sich aus § 14 MuSchG.
Zum Umgang mit Kindern:
Bei der Weiterbeschäftigung einer werdenden Mutter mit direktem und regelmäßigem Kontakt mit Kindern/Jugendlichen vom sechsten bis vollendeten 18. Lebensjahr sind folgende Beschäftigungsbeschränkungen und –verbote vom Arbeitgeber zu beachten:
Bei nicht geklärter oder fehlender Rötelnimmunität gilt für Schwangere bei beruflichem Umgang mit Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr ein generelles Beschäftigungsverbot bis zur 20. Schwangerschaftswoche (SSW). Nach Ablauf der 20. SSW besteht nach überwiegender Ansicht auch bei nicht immunen Schwangeren kein erhöhtes Risiko für Missbildungen, Entwicklungsverzögerungen oder Spätschäden für das Kind. Das heißt, diese treten nicht häufiger auf als bei nicht vorgeburtlich infizierten Kindern.
Da die Infektionsgefahr für die Schwangere und das Ungeborene aber weiterhin besteht, muss beim Auftreten der Erkrankung in der Einrichtung eine Freistellung erfolgen. Drei Wochen nach dem letzten aufgetretenen Erkrankungsfall kann die Schwangere ihre Beschäftigung wieder aufnehmen.
Bei nicht geklärter oder fehlender Windpockenimmunität gilt für Schwangere bei beruflichem Umgang mit Kindern bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr ein generelles Beschäftigungsverbot für die gesamte Schwangerschaft (strikte räumliche Trennung); bei der Beschäftigung mit älteren Kindern nur noch beim Auftreten von Erkrankungen in der Einrichtung. Sind 28 Tage lang keine neuen Erkrankungsfälle in der Einrichtung aufgetreten, kann die Schwangere mit dem Beginn der fünften Woche ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Bei nicht geklärter oder fehlender Ringelrötelnimmunität gilt für Schwangere bei beruflichem Umgang mit Kindern und Jugendlichen bis zum sechsten Lebensjahr ein generelles Beschäftigungsverbot bis zur 20. Schwangerschaftswoche (SSW). Drei Wochen nach dem letzten aufgetretenen Erkrankungsfall kann die Schwangere ihre Beschäftigung wieder aufnehmen.
Bei nicht geklärter oder fehlender Keuchhustenimmunität gilt für Schwangere nur bei Auftreten der Erkrankung in der Einrichtung ein Beschäftigungsverbot. Sind 20 Tage nach der letzten Erkrankung keine neuen Erkrankungsfälle aufgetreten, kann die Schwangere ab dem 21. Tag ihre Beschäftigung wieder aufnehmen.
Hepatitis A wird durch Schmierinfektion (verunreinigtes Wasser, Lebensmittel, Stuhl etc.) übertragen. Durch konsequente Hygienemaßnahmen ist eine Schmierinfektion in der Regel zu verhindern. Beim Auftreten von Erkrankungen in der Einrichtung sollen nicht immune Schwangere und stillende Mütter befristet von der Arbeit freigestellt werden. Aufgrund der langen Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung) darf die Schwangere ihre Beschäftigung erst wieder aufnehmen, wenn nach 50 Tagen kein neuer Erkrankungsfall aufgetreten ist.
Hepatitis B wird hauptsächlich durch Blut und Blutprodukte übertragen. Von daher sind Tätigkeiten mit Verletzungsgefahr und Blutkontakt untersagt. Für Schwangere gilt wegen der Verletzungsgefahr ein generelles Beschäftigungsverbot für die Betreuung von behinderten, verhaltensgestörten Kindern mit aggressivem Verhaltensmuster (Kratzen, Beißen, Schlagen), die nachgewiesen mit Hepatitis B infiziert sind. Eine Impfung ist nur gegen Hepatitis B verfügbar. Beschäftigte, die mit o. g. Risikogruppen arbeiten, sollen grundsätzlich geimpft werden.
Bei Ausbruch von Masern, Mumps Scharlach oder Grippe in der Einrichtung gelten ebenfalls befristete Beschäftigungsverbote.
Die Feststellung der Immunitätslage (in der Regel durch den Betriebsarzt) ist vom Arbeitgeber zu veranlassen, der seinerseits ebenfalls für die Untersuchungskosten aufzukommen hat.
Solange die Immunitätslage nicht festgestellt ist, sind vom Arbeitgeber die v. g. Beschäftigungsverbote und -beschränkungen nach Mitteilung der Schwangerschaft sofort einzuhalten. Wie oben bereits erwähnt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Sie über das Ergebnis der Beurteilung und die zu ergreifenden Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu unterrichten.
Zur Beförderung mittels PKW
Schwangere Frauen dürfen nicht auf Beförderungsmitteln eingesetzt werden, wenn dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare
Gefährdung darstellt. Dies ist in der Regel nur dann der Fall, wenn die Beschäftigung schwerpunktmäßig oder während eines bedeutenden Teils der Arbeitszeit auf einem Beförderungsmittel ausgeübt wird. Dies dürfte bei Ausflügen u. Ä. nicht der Fall sein.
Hinweis:
Auf die Broschüre "Mutterschutz bei beruflichem Umgang mit Kindern" weisen wir hin.