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Darf eine werdende Mutter einen Außendiensttermin wahrnehmen, bei dem Sie voraussichtlich stehen oder gehen muss?

KomNet Dialog 6524

Stand: 17.07.2018

Kategorie: Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Werdende und stillende Mütter > Beschäftigungsverbote und -beschränkungen

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Frage:

Ich bin schwanger und im öffentlichen Dienst in Vollzeit beschäftigt. Mein Teamleiter möchte mich in der 28. SSW zu einer ganztägigen Dienstreise mitnehmen, bei der es (im Gegensatz zu meiner sonstigen Tätigkeit) erforderlich ist, ca. 8 h am Stück zu stehen bzw. zu gehen. Es handelt sich hierbei um einen Besichtigungstermin einer Immobilie. Vor Ort gibt es keine Möglichkeit zu sitzen, auch sanitäre Anlagen sind nicht betriebsbereit. Meine Aufgabe soll es sein, die Interessenten nacheinander über das Gelände und durch das Gebäude zu führen. Ich sehe mich nicht in der Lage, diesen Tag unbeschadet zu überstehen, da ich deutliche Kreislaufprobleme habe. Mein Teamleiter hat auf diese Nachricht geantwortet, ich solle es versuchen, es würde schon gehen. Im Notfall könnte ich mich ja zwischen den Terminen kurz ins Auto setzen. Ist es zulässig, dass ich zu diesem Termin gehen muss? Wenn nein, wie kann ich das belegen?

Antwort:

Der angesprochene Besichtigungstermin fällt nicht unter das generelle Beschäftigungsverbot des § 11 Abs. 5 Nr.3 Mutterschutzgesetz (MuSchG). Danach darf ein Arbeitgeber eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen, bei denen "sie nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft überwiegend bewegungsarm ständig stehen muss und wenn diese Tätigkeit täglich vier Stunden überschreitet". Nach gängiger Rechtsauffassung bedeutet "ständiges Stehen" im mutterschutzrechtlichen Sinne: eine Beschäftigung in eng begrenztem Arbeitsbereich (wie z. B. bei einer Maschinenbedienerin oder Büglerin an einer Bügelmaschine) ohne Bewegungsmöglichkeit.


Der Gesetzgeber regelt darüber hinaus in § 9 Abs.3 MuSchG jedoch:

"Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Er hat darüber hinaus sicherzustellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann."

Aber auch diese Forderung könnte durch das Ausruhen im Fahrzeug oder das Mitnehmen einer Sitzgelegenheit erfüllt werden.


Kritischer ist der Punkt zu sehen, dass während der Besichtigung vor Ort keine Toiletten zur Verfügung stehen. Dieser Sachverhalt widerspricht den allgemeinen Anforderungen an einen Arbeitsplatz gemäß Anhang 4.1 Abs. 1 S. 1 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): "Der Arbeitgeber hat Toilettenräume zur Verfügung zu stellen."


Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchführen und die nötigen Schutzmaßnahmen zu treffen (§ 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) i.V.m. § 10 MuSchG). Dies scheint hier nicht ausreichend geschehen zu sein. Der Arbeitgeber hat sowohl die schwangere (oder auch stillende) Frau sowie alle Personen, die bei ihm beschäftigt sind, über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und über den Bedarf an Schutzmaßnahmen zu informieren (§ 14 MuSchG).


Aufgrund der geschilderten gesundheitlichen Probleme in Verbindung mit der Schwangerschaft empfehlen wir mit einem Arzt/einer Ärztin zu klären, ob für die angesprochene Außendiensttätigkeit ein individuelles Beschäftigungsverbot gemäß § 16 MuSchG in Betracht kommt.