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Wie haften Kirchenvorstände für Versäumnisse beim Arbeitsschutz?

KomNet Dialog 5472

Stand: 15.10.2019

Kategorie: Betriebliches Arbeitsschutzsystem > Arbeitsschutzorganisation, Arbeitsschutzmanagement > Verantwortlichkeit, Delegation von Verantwortung

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Frage:

Wie haften Kirchenvorstände für Versäumnisse beim Arbeitsschutz? Wenn in einer Kirchengemeinde ein schwerer Unfall passiert, und es gibt keine Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungsnachweise dazu, die vorgelegt werden können, kann man dann dem gesamten Kirchenvorstand dies vorwerfen? Wer wird dann haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen, muss mit persönlichen Konsequenzen wir Verlust von privatem Vermögen oder gar Freiheitsentzug rechnen? Letztlich besteht ein Kirchenvorstand ja aus dem priesterlichen Vorsitzenden und mehreren gewählten Ehrenamtlern, denen oft ihre Rolle nicht klar gemacht wurde.

Antwort:

1. Das Thema Arbeitssicherheit muss auch in der Kirche ein großes Thema sein. In Deutschland arbeiten allein in den Gemeinden, Einrichtungen und Verwaltungen der evangelischen Kirche ca. 220.000 Menschen. Dort sind pro Jahr über 1.000 Arbeitsunfälle mit teilweise schwerwiegenden Folgen zu beklagen.


Die Arbeitsschutzvorschriften richten sich in erster Linie an den Unternehmer (Arbeitgeber). Unternehmer ist derjenige, auf dessen Rechnung das Unternehmen handelt und dem das Ergebnis unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht (SGB VII § 136 Abs. 3). Es gilt die Person als Unternehmer, die das Risiko trägt, die Unternehmensziele bestimmt sowie die Personal- und Sachmittelhoheit besitzt. Sie trägt auch die Gesamtverantwortung, also auch für den Arbeitsschutz.

In einem Bistum ist die Kirchengemeinde der Unternehmer und somit für den Arbeitsschutz im Bereich der Kirche verantwortlich. Vertreten wird die Kirchengemeinde durch den Kirchenvorstand. Die Verantwortung liegt also beim Kirchenvorstand.

Im Arbeitsschutz hat der Unternehmer in erster Linie dafür zu sorgen, dass Schäden von Leib und Leben seiner angestellten und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter/-innen abgewendet werden. Gesetze und Vorschriften regeln die Grundpflichten des Unternehmers. Dies sind u.a.:

1. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG §§ 3 bis 13)

2. Sozialgesetzbuch VII (SGB VII § 21 Abs. 1)

3. DGUV Vorschrift 1 (§ 2 Abs. 1)

4. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB § 618)

5. Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG § 1) 


Die Aufgaben des Vorstandes im Bereich Arbeitsschutz sind unter anderem

- Sichere Einrichtung von kirchlichen Arbeitsstätten

- Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

- Beschaffung sicherer Arbeitsmittel

- Erteilung von Anweisungen für einen sicheren Betriebsablauf

- Unterweisung der Mitarbeiter über die Sicherheitsbestimmungen

- Auswahl und Bestellung geeigneter Führungskräfte

- Sicherstellung einer wirksamen Ersten Hilfe

- Bestellung von Ersthelfern

- Regelmäßige Kontrolle der erteilten Anweisungen

- Information der Mitarbeiter und der Mitarbeitervertretung (MAV) über Arbeitsschutzmaßnahmen

- Regeln arbeitsmedizinischer Vorsorge beachten

- Anzeige von Unfällen

- Bereitstellung der finanziellen Mittel für Regelwerke, Körperschutzmittel Arbeitsschutzmaßnahmen. 


Eine unvollständige Information des Vorsitzenden und der Vorstandskollegen bezüglich der Bedeutung des Arbeitsschutzes und die Konsequenzen von Versäumnissen in diesem Bereich führt nicht zu einer Entlastung. Die Aufgaben leiten sich aus der Stellung als Vorstand ab, was sich wiederum aus der Kirchengemeindeordnung ergibt. Die Frage, ob dies ehrenamtlich oder hauptamtlich erfolgt, spielt keine Rolle, da die Verantwortung übernommen wurde.

Innerhalb der EKD wurde schon 1997 die Evangelische Fachstelle für Arbeits- und Gesundheitsschutz (EFAS) gegründet, um Arbeits- und Gesundheitsschutz für die EKD umzusetzen. Für den Bereich der evangelischen Kirche können sie weitere Hilfe und Unterstützung zur Umsetzung von Sicherheitskonzepten und -maßnahmen von der EFAS erhalten. So werden in aller Regel auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit eingesetzt, die vor Ort in den Gemeinden Begehungen durchführen und schauen, ob alle Regelungen beachtet werden, diese leisten auch die Beratung. Ebenso werden diverse Broschüren zur Verfügung gestellt.


2. Haftung.

Das Unterlassen von Gefährdungsbeurteilungen kann natürlich auch dazu führen, dass die Mitarbeiter (es wird hier nicht in Hauptamtliche und Ehrenamtliche unterschieden) kaum ordnungsgemäß bzw. umfassend über mögliche Gefahren bei bestimmten Tätigkeiten informiert sind. Dies kann dazu führen, dass Mitarbeiter mit Aufgaben betraut werden, für die sie nicht oder nur eingeschränkt geeignet sind; dies wäre dann ein Organisations- oder Auswahlverschulden.

Zu beachten ist noch ein Mitbestimmungsrecht der MAV bei den Gefährdungsbeurteilungen.

Das Unterlassen der Beurteilungen stellt einen Pflichtenverstoß gegenüber dem Arbeitgeber dar, der auch zur Abberufung als Vorstand führen kann.

Juristische Personen können nicht selbst handeln, sie handeln durch ihre Organe. Hier ist das handelnde Organ der Vorstand insgesamt. Das Unterlassen von Gefährdungsbeurteilungen kann man also dem gesamten Vorstand vorwerfen.

Gewöhnlich haftet das Unternehmen (Träger), nicht das Organ, § 31 BGB. Es können aber Regressansprüche durch den Träger, die Berufsgenossenschaften oder evtl. die Betriebshaftpflichtversicherung des Trägers gestellt werden. Dies aber nur dann, wenn Sie grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben. Zum Verschulden gehört auch immer, dass Sie den Schaden, der entstehen konnte, mit in Kauf genommen haben. Eine unterlassene Gefährdungsbeurteilung führt nicht automatisch zu einer zivilrechtlichen Haftung des Vorstands oder des Trägers. Oftmals wären Verletzungen auch nach Belehrung nicht zu vermeiden gewesen oder es wird ein überwiegendes Mitverschulden des Mitarbeiters berücksichtigt, weil die Gefahren jedem einsichtsfähigen Menschen klar hätten sein müssen (z. B. beim Aufbau der Weihnachtskrippe haut sich ein Mitarbeiter mit dem Hammer auf den Daumen = in aller Regel keine Haftung des Vorstands).

Kommt es aber zu einem Regress, kann privates Vermögen als Haftungsmasse herangezogen werden. Ob hier eine private Haftpflichtversicherung hilft, ist zweifelhaft. Ein Regress kommt ohnehin nur bei grober Fahrlässigkeit in Frage und bei einem solchen Verschuldensgrad tritt keine Versicherung ein - was erst Recht für Vorsatz gilt.

Das Unterlassen der Gefährdungsbeurteilungen und unterlassene Aufklärungen können, ebenso wie das unsorgfältige Auswählen von Personal, auch zu einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung führen. Zu einer Freiheitsstrafe werden Sie nach unserer Erfahrung aber nicht verurteilt. Hier muss man aber den jeweiligen Einzelfall sehen.

Wann liegt Fahrlässigkeit vor?

1. Hätten Sie bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, dass der Unfall eintreten würde?

2. Welche Sorgfalt war nach den Umständen des Einzelfalles zumutbar und geboten?

3. Waren Sie nach Ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage, die nach den Umständen gebotene Sorgfalt zu beachten?

Sind alle drei Fragen zu bejahen, haben Sie fahrlässig im Sinne des StGB gehandelt.


Zu Ihren weiteren Pflichten gehört die Kontrolle der Mitarbeiter. Die müssen Sie erfüllen. Dazu müssen Sie - nachweisbar- regelmäßig unauffällige und stichprobenartig vertiefte Kontrollen durchführen. Vernachlässigen Sie Ihre Dienstaufsicht, haften Sie ebenfalls strafrechtlich.


Unfallverhütungsvorschriften sind Mindestnormen. Wer das Minimum an gebotener Vorsorge nicht beachtet, verletzt seine zumutbare Sorgfaltspflicht so, dass der Tatbestand der Fahrlässigkeit in jedem Fall erfüllt ist (was aber nicht in jedem Fall zu einem Regress führt).


Selbst wenn aber der Verantwortliche die in Frage kommenden Unfallverhütungsvorschriften eingehalten hat, enthebt ihn das nicht der weiteren Prüfung, ob nicht darüber hinaus etwa nach der inzwischen eingetretenen technischen Entwicklung zusätzliche Maßnahmen geboten sind. Ist dies der Fall, und unterlässt er die gebotenen Maßnahmen, verletzt er ebenfalls seine Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig.


Strafrechtlich entlastet Sie allerdings ein mögliches Mitverschulden des Mitarbeiters nicht. Es schließt Vorhersehbarkeit nicht aus, wenn bei gebotener und zumutbarer Sorgfalt der Unfall vorauszusehen war. Es kann erfahrungsgemäß nicht ausgeschlossen werden, dass Mitarbeiter Unfallverhütungsvorschriften und ausdrückliche Verbote nicht beachten. Das muss in alle Überlegungen, Arbeitssicherheit zu verwirklichen, einbezogen werden.

Bezüglich Unterweisungen sind folgende Unterlagen hilfreich:

- DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

- Leitfaden für Küster und Mesner

- Sichere Kirchtürme und Glockenträger


Diese Schriften erhalten Sie kostenlos bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft - VBG. Die VBG führt auch Seminare zum Thema Arbeitsschutz rund um Kirchen durch.