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Welche Stoffe können beim Laserschneiden von Plexiglas (PMMA) entstehen und wie das gesundheitsgefährdende Potenzial zu sehen?

KomNet Dialog 4842

Stand: 10.07.2019

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Gefährdungen durch Gefahrstoffe > Gefährdungen durch bestimmte Gefahrstoffe

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Frage:

In einem Betrieb werden Platten aus PMMA mittels CO2-Laser geschnitten. Trotz Absaugung klagen Mitarbeiter im Arbeitsbereich während der Bearbeitung über Beschwerden durch die Emissionen (Kopfschmerzen, Stechen in der Lunge). Zur Einschätzung der Gefährdung bitte ich um Auskunft, welche Stoffe beim Laserschneiden von PMMA entstehen und ggf. wie ihr gesundheitsgefährdendes Potential zu sehen ist?

Antwort:

Bereits seit längerer Zeit hat sich innerhalb der Materialbearbeitung als einem der Hauptanwendungsgebiete der Lasertechnologie das Laserschneiden in der industriellen Anwendung etabliert. Laserschneiden ist ein hochgenaues, thermisches Trennverfahren mit hoher Leistungsdichte, geringer Wärmebelastung des umgebenden Werkstoffes, schmaler Schnittfuge und hoher Schneidgeschwindigkeit. Anwendbar ist dieses Trennverfahren für eine große Anzahl von Werkstoffen, wie z.B. Stahlbleche, weitere Metalle und Metalllegierungen, Keramiken und Kunststoffe.

Als Trennwerkzeuge werden überwiegend kontinuierlich und gepulst betriebene CO2-Laser mit Leistungen zwischen 500 und 1500 W eingesetzt. Aus dem glasklaren thermoplastischen Kunststoff (Plexiglas) Polymethylmethacrylat (PMMA) können durch Einsatz eines Lasers auch komplizierte Formen mit sehr hoher Präzision hergestellt werden. Bei optimaler Abstimmung der Prozessparameter erfolgt die Trennung überwiegend unter Schmelzen und in nur geringem Ausmaß durch thermische Zersetzung des Polymeren.


Im Forschungsbericht „Ermittlung der Schadstoffemission beim thermischen Trennen nach dem Laserprinzip“ (Fb 615) der Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) von 1990 - wurden in Laborversuchen und bei Arbeitsplatzmessungen die durch thermische Zersetzung entstehenden Gas- und Partikelemissionen verschiedener metallischer, keramischer und organischer Werkstoffe beim Schneiden mit einem 1000-W-CO2-Laser untersucht. Im Falle des PMMA wurde das Monomere Methylmethacrylat (MMA) als Hauptbestandteil der Gasemission identifiziert, allerdings in Konzentrationen weit unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwertes von 50 ml/m3 (210 mg/m3) nach TRGS 900.

Als Spurenbestandteile wurden Toluol und andere Benzolderivate, Cycloalkane und verzweigte Alkane sowie Methylester von Alkensäuren identifiziert. Im Vergleich zu anderen Kunststoffen wie z.B. Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS) wurden beim Polymethylmethacrylat (PMMA) geringfügige Partikelemissionen (Aerosolemissionen) gefunden. Die Korngrößenanalyse ergab jedoch einen hohen Anteil von Partikeln im Bereich zwischen 0,02 µm (20 nm) und 0,10 µm (100 nm), d.h. im Ultrafeinstaub- bzw. Nanopartikelbereich, dessen gesundheitliche Bewertung noch nicht abgeschlossen ist.

Die neuere Veröffentlichungen des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit (BGIA) „Flüchtige Zersetzungsprodukte von Kunststoffen“ (BIA-Info 3/99) beschäftigt sich ebenfalls mit der thermischen Zersetzung von Kunststoffen. Als Hauptprodukt der Zersetzung von PMMA wird ebenfalls das Monomere Methylmethacrylat (MMA) genannt. Bei der simulierten Entfernung von Knochenzement mit PMMA als Bindemittel zwischen künstlichen Hüftgelenken und Knochengewebe mittels Ultraschall wurden im Abluftstrom MMA-Konzentrationen von 140 mg/m³ im Abluftstrom und von 20 mg/m³ im Atembereich, d.h. also weit unterhalb der Arbeitsplatzkonzentration von 210 mg/m³ gefunden.

Zahlreiche Ergebnisse von Emissionsmessungen bei der Anwendung von Lasertrenn- und –formtechnologien sind in der Datenbank „Lasersicherheit“ des Laser Zentrums Hannover e.V. (LZH) hinterlegt.

Eine entsprechende Abfrage liefert für Polymethylmethacrylat (PMMA) detaillierte Ergebnisse für gas- und partikelförmige Emissionen beim Schneiden mit einem 500 W-CO2-Laser mit Druckluft als Hilfsgasstrom. Als Hauptprodukt der Gasemission wird das Monomere Methylmethacrylat (MMA) genannt, aber auch Formaldehyd ist in bedeutenden Mengen nachweisbar. Andere chemischen Verbindungen, wie z.B. Acetaldehyd, Aceton, Benzol, Butadien, Hexanal, Methylethylketon (MEK), Phenol und Toluol, aber auch polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) werden nur in geringen Konzentrationen gefunden. Aerosole entstehen ebenfalls nur in geringem Ausmaß, in denen jedoch Spurenkonzentrationen von zahlreichen PAK nachgewiesen werden können.

Zur gesundheitlichen und arbeitsplatzhygienischen Bewertung der Emissionen beim Laserschneiden von Plexiglas-(PMMA-) Platten sind daher in erster Linie die Freisetzungen des Monomeren Methylmethacrylat (MMA) und des Formaldehyds zu betrachten sowie möglicherweise die beim Prozess entstehenden Aerosole im Nanopartikel-Bereich. Die arbeitsmedizinisch-toxikologischen und gefahrstoffrechtlichen Eigenschaften der in den Gasemissionen befindlichen Stoffe können unter detailliert im berufsgenossenschaftlichen Gefahrstoffinformationssystem (GESTIS) recherchiert werden. Über die gesundheitlichen Auswirkungen der Aerosole sind jedoch bisher keine Erkenntnisse beschrieben.

Die in der Fragestellung beschriebenen Beschwerden der Beschäftigten, wie z.B. Kopfschmerzen und Stechen in der Lunge, können durchaus auf Einwirkungen durch Zersetzungsprodukte des PMMA zurückgeführt werden. Die Tatsache, dass überhaupt gesundheitliche Beschwerden auftreten, deutet jedoch darauf hin, dass erhebliche Arbeitsschutzmängel vorliegen, so dass durch den Arbeitgeber eine neue Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung nach § 7 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) durchzuführen und wirksame Schutzmaßnahmen insbesondere nach den §§ 8 bis 11 GefStoffV festzulegen sind. An den Ermittlungen und Beurteilungen, bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen, bei der Unterrichtung und Unterweisung sowie bei der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Beratung der Beschäftigten sind auch der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit zu beteiligen. Die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ist z. B. durch Messungen der Arbeitsplatzkonzentrationen von Methylmethacrylat (MMA), Formaldehyd und Aerosolen, zu belegen.


Informationen und Unterstützung zur angefragten Thematik können auch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden zur Verfügung stellen. 

Als weitere Ansprechpartner können auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften, Unfallkassen) in die Fragestellung eingebunden werden.