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Wie sollte sich der Arbeitgeber bei unterschiedlichen Aussagen zur Gefährdungsbeurteilung verhalten?

KomNet Dialog 4680

Stand: 20.12.2018

Kategorie: Betriebliches Arbeitsschutzsystem > Gefährdungsbeurteilung > Spezifische Gefährdungsbeurteilungen

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Frage:

Ein Arbeitgeber beschäftigt einen blinden Menschen im gewerblichen Bereich eines elektrotechnischen Betriebes. Der Mitarbeiter arbeitet seit Beginn des Arbeitsverhältnisses vor 15 Jahren unfallfrei. Nunmehr wurde eine Gefährdungsanalye erstellt, die letztendlich zu der Aussage kommt, dass der Arbeitsplatz für einen blinden Menschen zu gefährlich ist. Desweiteren liegt dem Arbeitgeber eine Stellungnahme des Fachdienstes für sehbehinderte Menschen vor. Dieser Berater kommt zu dem Ergebnis, dass nur der Weg zum Arbeitsplatz gefahrgeneigt ist der Arbeitsplatz selber kann danach so gestaltet werden, dass eine Gefährdung aufgrund der Behinderung ausgeschlossen wird. Die Fachkraft für Arbeissicherheit verbleibt trotzdem bei seiner Ansicht. Meine Frage hierzu: Wie sollte sich der Arbeitgeber verhalten, damit er nicht strafrechtlich oder haftungsrechtlich belangt werden kann?

Antwort:

Die geschilderte Problematik ist nicht ungewöhnlich, letztlich werden unterschiedliche Beurteiler immer zu abweichenden Gefährdungsbeurteilungen und unterschiedlichen Maßnahmenpriorisierungen kommen.

Gerade die Risiko- und Gefährdungsabschätzung ist in vielen Fällen nicht `mathematisch fassbar und muss ggf. auch nach den bisherigen betrieblichen Erfahrungen etc. erfolgen.


Rechtlich gesehen hat die Fachkraft für Arbeitssicherheit beratende Funktion, d. h. die Verantwortung für den Einsatz der Beschäftigten und die letztendlich getroffenen Maßnahmen liegt ausschließlich beim Arbeitgeber. Die Pflicht zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung obliegt dem Arbeitgeber (§§ 5, 6 Arbeitsschutzgesetz). Der Arbeitgeber sollte aber detailliert nach der Begründung für die Haltung der Fachkraft für Arbeitssicherheit nachfragen.


Die Fachkraft für Arbeitssicherheit muss ausführlich beschreiben, worin sie die Gefährdungen sieht. Anschließend sind diese Gründe mit dem Fachdienst für sehbehinderte Menschen zu diskutieren und zu beseitigen.


Im konkreten Fall sollte insbesondere der betroffene Arbeitnehmer selbst gehört werden, ob er Gefährdungen für sich erkennt. Es sollte auch noch eine dritte Expertenmeinung eingeholt werden, da offensichtlich die Beurteilungen weit auseinanderklaffen. Der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaft/Unfallkasse) oder die zuständige Arbeitsschutzbehörde (in Nordrhein-Westfalen die Arbeitsschutzdezernate der Bezirksregierungen und in Hamburg das Amt für Arbeitsschutz) beraten ggf. auch bei Einzelfällen.


Sofern der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz verbleiben kann, sollte in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung auf die Argumente der Fachkraft für Arbeitssicherheit eingegangen und dokumentiert werden, warum durch geeignete Maßnahmen potentielle Gefährdungen vermieden werden.