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Gibt es für werdende Mütter Beschäftigungsbeschränkungen bei hohen Temperaturen? Muss immer eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?
KomNet Dialog 4484
Stand: 27.02.2019
Kategorie: Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Werdende und stillende Mütter > Beschäftigungsverbote und -beschränkungen
Frage:
Mich interessiert, ob es besondere Schutzvorschriften für Schwangere hinsichtlich der Temperaturen bei Bürotätigkeiten gibt. Zur Zeit werden in unseren Büros Temperaturen von 27 oder auch bis zu 30 °C erreicht. Auch durch optimierte Lüftung (d.h. tagsüber keine) kann dies nicht verhindert werden. Die Regelung für `normale` Arbeitnehmer ist mir bekannt (`soll` 26 °C betragen). Gibt es aber für Schwangere genauere Festlegungen, d.h. konkrete Gradangaben? In einem Radio-Bericht war von maximal 26° die Rede, bei höheren Temepaturen sollen Schwangere angeblich nach Hause gehen dürfen. Außerdem würde mich in diesem Zusammenhang interessieren, ob eine Gefährungsbeurteilung nach § 10 Mutterschutzgesetz immer (bei jeder Schwangeren) zu erstellen (und damit der Schwangeren bekannt zu geben) ist, oder nur wenn der Arbeitgeber meint, es könnten schädliche Arbeitsbedingen auftreten? Konkret: reicht die oben angesprochene Temperaturerhöhung im Sommer aus, damit eine Gefährdungsbeurteilung erstellt werden muss?
Antwort:
Zum ersten Teil der Frage:
Nach § 11 Abs. 3 Nr. 3 Mutterschutzgesetz (MuSchG) dürfen werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von Hitze und Kälte ausgesetzt sind.
Witterungsbedingte Beschäftigungsverbote (z.B. für Außendiensmitarbeiterinnen, Briefträgerinnen, Gärtnerinnen) können nur individuell und nicht allein anhand eines Temperaturwertes festgelegt werden. Ob eine Tätigkeit unter ein Beschäftigungsverbot nach § 11 Abs. 3 Nr. 3 MuSchG fällt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gegebenheiten zu prüfen. Hier ist der Betriebsarzt zu Rate zu ziehen.
An Arbeitsplätzen im Freien ist darauf zu achten, dass die Temperatur an den Arbeitsplätzen keine unnötige Belastung des Herz-Kreislaufsystems verursacht. Beispielweise ist zu prüfen, ob bestimmte Tätigkeiten von der direkten Sonnenstrahlung abgeschattet ausgeführt werden können bzw. die Arbeiten in einen abgeschatteten Bereich verlagert werden können.
Bei körperlicher Arbeit steigt die Körpertemperatur des Menschen in Abhängigkeit von der Schwere der Arbeit an, er ist auf Wärmeabgabe angewiesen, sie wird auch durch die Arbeitskleidung beeinflusst. Eine Hitzebelastung bedeutet eine vermehrte Beanspruchung des Herz-Kreislaufsystems, Thrombosegefahr, Flüssigkeitsverlust sowie ein Nachlassen der Aufmerksamkeit.
Sofern die in der nachstehend aufgeführten Temperaturen überschritten werden, kann es zu schädlichen Einwirkung von Hitze kommen. Als Anhaltwerte dienen die folgenden arbeitsmedizinisch abgesicherten Empfehlungen.
Relative Luftfeuchtigkeit unter 60 %:
leichte Arbeiten: 30 °C - mittelschwere Arbeiten: 26 °C
Relative Luftfeuchtigkeit über 60 %:
leichte Arbeiten: 28 °C - mittelschwere Arbeiten: 24 °C
Es handelt sich um Durchschnittwerte, die nur gelegentlich für wenige Minuten (< 5 Minuten) überschritten werden dürfen. Es sind Vorkehrungen zu treffen, dass betriebstechnisch unvermeidbare Wärmestrahlung nicht in unzuträglichem Ausmaß auf die werdende und stillende Mutter einwirkt.
Zum zweiten Teil der Frage:
Nach § 10 MuSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsbedingungen der werdenden oder stillenden Mütter rechtzeitig hinsichtlich Art, Ausmaß und Dauer einer möglichen Gefährdung zu beurteilen. Die Beurteilung ist für jede einzelne Tätigkeit vorzunehmen, bei der eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind Gefährdungen ausgesetzt ist oder sein kann.
Rechtzeitig heißt daher in der Regel, dass die Gefährdungsbeurteilung dann vor bzw. bei Aufnahme der Tätigkeit durch eine Frau im gebärfähigen Alter durchgeführt sein muss, wenn z.B. beim Umgang mit bestimmtem chemischen bzw. biologischen Arbeitsstoffen oder physikalischen Agenzien bereits im besonders sensiblen Frühstadium einer Schwangerschaft von einem Risiko für die Leibesfrucht ausgegangen werden muss.
Zweck der umfassenden Risikobeurteilung ist es, alle Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der werdenden Mutter und der des Kindes im Mutterleib sowie alle Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit der betroffenen Arbeitnehmerinnen abzuschätzen und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zu bestimmen.
Nach § 14 Abs. 2 und 3 des MuSchG hat der Arbeitgeber die werdende oder stillende Mutter und alle bei ihm beschäftigten Personen über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen zu informieren.