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KomNet-Wissensdatenbank

Müssen wir uns bei der Auswahl von Schutzhandschuhen an das Sicherheitsdatenblatt halten?

KomNet Dialog 44178

Stand: 28.08.2025

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Schutzmaßnahmen beim Umgang mit Gefahrstoffen > Persönliche Schutzmaßnahmen (5.)

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Frage:

PSA laut Sicherheitsdatenblatt. Sind das Empfehlungen oder rechtlich bindend für den Arbeitgeber? Im Sicherheitsdatenblatt steht EUH066 - "Wiederholter Kontakt kann zu spröder und rissiger Haut führen". Laut der TRGS 401 wäre das in unserem Einsatz eine mittlere Gefährdung. Wir haben bis jetzt immer Latex oder Nitril benutzt, jetzt steht im Sicherheitsdatenblatt, dass die nicht mehr geeignet sind. Wir möchten das nicht ändern aus verschiedenen Gründen. Wir bewerten das in unserer Gefährdungsbeurteilung als geringe Gefährdung, da die Kollegen die Handschuhe sehr oft wechseln und nicht lange damit arbeiten. Müssen wir uns rechtlich an das Sicherheitsdateblatt halten? Oder haben wir Spielraum, letztlich selber zu entscheiden, wie wir unsere Mitarbeiter schützen möchten?

Antwort:

Als nachgeschalteter Anwender müssen Sie die im Sicherheitsdatenblatt genannten Risikomanagementmaßnahmen im Rahmen ihrer tätigkeitsspezifischen Gefährdungsbeurteilung für den jeweiligen Arbeitsplatz berücksichtigen.

Konkretisiert werden die Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung u.a. in der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) "Gefährdung durch Hautkontakt Ermittlung – Beurteilung – Maßnahmen" 401.

Grundsätzlich ist das systematische Vorgehen bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen durch das STOP-Prinzip (1. Substitution, 2. Technische Maßnahmen, 3. Organisatorische Maßnahmen, 4. Persönliche Schutzmaßnahmen) gemäß TRGS 500 „Schutzmaßnahmen“ Abschnitt 5.1 vorgegeben. (Nr. 5 Abs. 2 der TRGS 401)

Weiterhin beschreibt Nr. 5.5.2 der TRGS 401 die Auswahl von Chemikalienschutzhandschuhen.

Dabei ist nach Abs. 3 zu prüfen:

  1. Entspricht die vorgesehene Tätigkeit mit dem Gefahrstoff der Verwendung nach Abschnitt 1.2 des SDB und wird in Abschnitt 8.2 des SDB ein spezifischer Chemikalienschutzhandschuh genannt, so kann der Arbeitgeber diesen einsetzen.
  2. Entspricht die vorgesehene Tätigkeit mit dem Gefahrstoff der Verwendung nach Abschnitt 1.2 des SDB und enthält Abschnitt 8.2 des SDB die unter Absatz 2 genannten Informationen, so hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung dieser Anforderungen einen geeigneten Chemikalienschutzhandschuh auszuwählen, z. B. aus Datenbanken der Chemikalienschutzhandschuhhersteller oder der Unfallversicherungsträger entsprechend Anhang 2. Er sollte dabei auf die Aktualität der zur Verfügung gestellten Informationen achten. Bei Unklarheiten hat sich der Arbeitgeber fachlich beraten zu lassen, z. B. durch den Hersteller oder Lieferanten von Chemikalienschutzhandschuhen oder des Gefahrstoffs.
  3. Der Arbeitgeber kann auch andere als die im Sicherheitsdatenblatt genannten Chemikalienschutzhandschuhe oder -materialien verwenden, wenn mindestens das gleiche Schutzziel erreicht wird. Solche alternativen Chemikalienschutzhandschuhe können anhand des Gefahrstoff- oder Produktnamens und der weiteren Informationen aus Absatz 1 im Rahmen einer fachlichen Beratung oder aus Datenbanken entsprechend Anhang 2 ausgewählt werden.
  4. In folgenden Fällen kann der Arbeitgeber die in Absatz 2 genannten Informationen aus Abschnitt 8.2 nicht unmittelbar anwenden und muss einen geeigneten Chemikalienschutzhandschuh eigenständig ermitteln:
  5. Die vorgesehene Tätigkeit weicht von der Verwendung nach Abschnitt 1.2 des SDB ab.
  6. Der Gefahrstoff wird in Zusammenhang mit der vorgesehenen Tätigkeit mit weiteren Gefahrstoffen gemischt oder es werden verschiedene Gefahrstoffe nacheinander oder gleichzeitig verwendet, so dass der Chemikalienschutzhandschuh für Tätigkeiten mit unterschiedlichen Gefahrstoffen geeignet sein muss. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich Gefahrstoffe erst auf dem Handschuh mischen oder miteinander reagieren können.

In diesen Fällen hat sich der Arbeitgeber in der Regel fachlich beraten zu lassen. Liegen bei Herstellern oder Lieferanten von Chemikalienschutzhandschuhen oder Gefahrstoffen keine Erkenntnisse über einen geeigneten Chemikalienschutzhandschuh vor, muss ein Handschuh für die geplante Beanspruchung geprüft werden. Dies kann durch einen Chemikalienschutzhandschuhhersteller, ein entsprechend qualifiziertes Labor oder bei vorhandener Fachkunde auch durch den Arbeitgeber selbst mithilfe von Normverfahren erfolgen.

5. Für bestimmte Arbeitssituationen kann nicht auf die Informationen eines SDB zurückgegriffen werden. Solche Arbeitssituationen können sein:

  1. Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen gemäß TRGS 524 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen“ (z. B. bei der Altlasten-, Gebäudeschadstoff- oder Brandschadensanierung oder bei Erkundungsarbeiten zur Ermittlung der Gefahrstoffbelastung),
  2. Tätigkeiten auf Wertstoffhöfen und Schadstoffsammelstellen gemäß TRGS 520 „Errichtung und Betrieb von Sammelstellen und Zwischenlagern für Kleinmengen gefährlicher Abfälle“,
  3. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, deren Lieferant nicht mehr zu ermitteln ist (Altbestände),
  4. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die im Produktionsprozess entstehen oder freigesetzt werden.

In diesen Fällen hat der Arbeitgeber Art und Ausmaß der dermalen Gefährdung abzuschätzen. Bei der Auswahl der Chemikalienschutzhandschuhe hat er sich in der Regel fachlich beraten zu lassen. Der Arbeitgeber sollte bei der Auswahl des Handschuhs den bestmöglichen Schutz hinsichtlich des Gefahrstoffspektrums und der Durchbruchszeit wählen. Hilfestellungen zur Auswahl geeigneter Handschuhe sind in Anhang 2 genannt.

6. Bei der Auswahl der Chemikalienschutzhandschuhe ist zu berücksichtigen, dass die Durchbruchszeit des Handschuhmaterials gemäß DIN EN 16523-1:2018-12 bei 23 °C bestimmt wird. Diese Temperatur weicht von der Temperatur im Handschuhinneren (33 °C) während des Tragens ab. Das kann zur Folge haben, dass die tatsächliche Durchbruchszeit für einen Gefahrstoff nicht der durch den Chemikalienschutzhandschuhhersteller für 23 °C angegebenen Durchbruchszeit entspricht und damit unterhalb der maximalen Tragedauer liegt. Im Einzelfall kann sich die für 23 °C angegebene Durchbruchszeit unter Praxisbedingungen bis auf ein Drittel reduzieren. Die Chemikalienschutzhandschuhhersteller können hierzu nähere Angaben machen.

Gemäß Abs. 4 müssen geeignete Chemikalienschutzhandschuhe die Vorgaben der PSA-Verordnung erfüllen, erkennbar am CE-Zeichen und der 4-stelligen Kennziffer. Außerdem müssen Chemikalienschutzhandschuhe neben den nach DIN EN ISO 21420:2020-06 vorgesehenen Kennzeichnungen (siehe Anhang 8) zusätzlich mit Kennbuchstaben der nachfolgenden Tabelle aus der DIN EN ISO 374-1:2018-10 gekennzeichnet sein. Diese Kennbuchstaben besagen, dass der Chemikalienschutzhandschuh gegenüber den entsprechenden Prüfchemikalien geprüft wurde. Daher sollten die Chemikalienschutzhandschuhe bei bestimmungsgemäßer Verwendung gegen diese Prüfchemikalien für eine begrenzte Zeit beständig sein. Dies gibt dem Arbeitgeber zudem eine erste Orientierung darüber, ob der Chemikalienschutzhandschuh auch gegen weitere Chemikalien der entsprechenden Stoffklassen schützen kann. Verlässliche Angaben dazu können bei den Herstellern der Chemikalienschutzhandschuhe direkt erfragt oder über deren Datenbanken ermittelt werden.

 Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass z. B. Nitrilhandschuh nicht gleich Nitrilhandschuh ist. Die Polymere der verschiedenen Handschuhprodukte sind unterschiedlich, die Schichtdicken verschieden. Konkrete Angaben oder Aussagen der einzelnen Hersteller zu deren Handschuhen bezüglich Einsatzbereich/Eignung, Beständigkeit und Tragedauer sind notwendig, damit Sie einen Handschuh sachgerecht auswählen können.

 Übersichtlich dargestellt ist die Auswahl von Chemikalienschutzhandschuhen im Anhang 6 der TRGS 401, welcher ein Ablaufdiagramm hierzu enthält.