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Wie ist die neue Gefahrstoffverordnung § 6 (2b) zur Asbestbelastung in privaten Haushalten umzusetzen?

KomNet Dialog 44065

Stand: 28.01.2025

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Verwendungsverbote > Asbest

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Frage:

Wie die neue Gefahrstoffverordnung § 6 (2b) in privaten Haushalten umsetzen. Wir sind ein Elektrounternehmen und sind auch in privaten Haushalten tätig. Natürlich weiß in der Regel der private Veranlasser nicht, wann das Haus gebaut wurde und ob dieses asbestbelastet ist oder nicht, vor allem in Mietwohnungen ist das der Fall. Bezüglich der neuen Gefahrstoffverordnung § 6 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung (2b) …..Erfordert die Durchführung dieser Prüfung Kenntnisse, über die der Arbeitgeber nicht verfügt, hat er sich dabei externen Sachverstands zu bedienen….. Heißt: Bekommt man diese Informationen nicht vom Veranlasser, ist das Unternehmen selbst in der Pflicht. In der Regel kann das kein Unternehmen selbst bewerten, das erfordert Probeentnahmen und Bewertung von einen Sachkundigen zugelassenen Unternehmen. Für uns als Elektrounternehmen ist die Konsequenz: Wir können zukünftig bei „Frau Mustermann“ keine Elektroinstallationen mehr durchführen, da die Feststellung, ob Asbest vorhanden ist oder nicht, viel zu teuer ist und ebenfalls auch Zeit in Anspruch nimmt. Spontane Einsätze sind somit gar nicht mehr möglich. Wie können wir die neue Gefahrstoffverordnung, Kundenverträglich und nicht überteuert, umsetzen und bei „Frau Mustermann“ Elektroinstallation durchführen, wenn sie keinerlei Informationen bezüglich Baujahr und Asbestbelastung der Wohnung hat?

Antwort:

Der Arbeitgeber hat im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) i. V. m. § 6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, so hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu beurteilen. 

Im Rahmen der Informationsermittlung des Arbeitgebers kommt dem Veranlasser der Baumaßnahme eine besondere Mitwirkungs- und Informationspflicht zu. Dieser hat u. a. gem. § 5a Abs. 1 GefStoffV dem ausführenden Unternehmen alle ihm vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe schriftlich oder elektronisch zur Verfügung zu stellen.

Damit festgestellt werden kann, ob Asbest vorliegt, hat der Veranlasser gemäß § 5a Abs. 2 GefStoffV vor Beginn der Tätigkeiten an Objekten mit Baujahr zwischen 1993 und 1996 das Datum des Baubeginns des Objekts oder das Baujahr des Objekts, sofern das genaue Datum des Baubeginns nicht bekannt ist, an das ausführende Unternehmen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Bei Objekten mit Baujahr vor 1993 oder nach 1996 reicht die Angabe des Baujahrs aus. Diese (neuen) besonderen Mitwirkungs- und Informationspflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen gilt auch in privaten Haushalten.

Da in Deutschland im Oktober 1993 die Herstellung und die Verwendung von asbesthaltigen Gefahrstoffen (Ausnahme: Abbruch- und Instandsetzungsarbeiten gem. § 11 (2) GefStoffV) wegen ihrer nachweislich krebserzeugenden Wirkung verboten wurde, bedeutet das für den Arbeitgeber, dass er vor Aufnahme der Tätigkeiten an einem Gebäude (u. a. Putze) bzw. an einer technischen Anlage (z. B. Brandschutzklappe) über den Auftraggeber relativ einfach über das Baubeginndatum feststellen kann, ob im Bereich seiner geplanten Tätigkeiten mit asbesthaltigen Produkten zu rechnen ist. In der Regel ist ab dem 31.10.1993 von einer Asbestfreiheit im Gebäude auszugehen. Der Arbeitgeber hat jedoch im Rahmen der vor der Arbeitsaufnahme anzufertigenden Gefährdungsbeurteilung die ihm vom Auftraggeber nach § 5a Absatz 1 und 2 GefStoffV zur Verfügung gestellten Informationen auf Plausibilität zu prüfen, da insbesondere bei einem Baubeginndatum zwischen 1993 und 1996 ein illegaler Einbau von asbesthaltigen Materialien (z. B. illegaler Lagerabverkauf, legaler Kauf von asbesthaltigen Produkten, die vor dem 31.10.1993 erworben und nach dem Stichtag illegal verwendet wurden) stattgefunden haben kann.

Sofern die dem Arbeitgeber gemäß § 5a Absatz 1 vom Veranlasser zur Verfügung gestellten Informationen für die Anfertigung der Gefährdungsbeurteilung nicht ausreichen sollten, so hat der Arbeitgeber im Rahmen einer besonderen Leistung (besondere Leistungen nach VOB/C: Erfüllung von Aufgaben des Bauherrn hinsichtlich der Planung der Ausführung des Bauvorhabens, die entsprechend abzurechnen sind) zu prüfen, ob Gefahrstoffe bei den Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen freigesetzt werden und zu einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten führen können. Sofern die Durchführung dieser Prüfung besondere Kenntnisse erfordert, über die der Arbeitgeber nicht verfügt, hat er sich dabei externen Sachverstands zu bedienen. Dies gilt insbesondere dann, wenn für eine sachgerechte Prüfung eine technische Erkundung (z. B. vor einem Altgebäudeabbruch, Industriebauabbruch, Deponiebetrieb, etc.) erforderlich wird.

Die Tätigkeiten mit Asbest darf der Arbeitgeber nur durchführen lassen, wenn der Betrieb über die erforderliche sicherheitstechnische, organisatorische und personelle Ausstattung verfügt. Dabei sind vorrangig Arbeitsverfahren anzuwenden und technische Schutzmaßnahmen zu treffen, durch die eine Freisetzung von Asbestfasern verhindert oder minimiert wird. Die risikobezogenen Schutzmaßnahmen nach Anhang I Nummer 3.3 GefStoffV sind vom Arbeitgeber festzulegen und umzusetzen, wobei die nach § 20 Absatz 4 GefStoffV bekannt gegebenen Regeln zu berücksichtigen sind.

Eine Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung und zur Festlegung der Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten an asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern oder anderen ehemals verwendeten bauchemischen Produkten mit vergleichbaren Asbestgehalten (Exposition-Risiko-Matrix) für die Tätigkeiten im Bereich des niedrigen Risikos sind in Anlage 9 der Technischen Regel für Gefahrstoffe Asbest - Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten der TRGS 519 aufgeführt. Anerkannte Arbeitsverfahren im Bereich des niedrigen Risikos, die regelmäßig erweitert und überprüft werden, sind zudem in der DGUV Information 201-012 aufgeführt. 

Für Elektrounternehmen, die auch in privaten Haushalten tätig sind, und bei den der private Veranlasser nicht weiß, wann das Haus oder die Mietwohnung gebaut wurde und ob dieses asbestbelastet ist oder nicht, bieten sich für kurzfristig erforderliche Arbeiten folgende Arbeitsverfahren, die als Ergänzungen zur DGUV Information 201-012 aufgeführt und anerkannt sind, an. Sie stehen zum Download auf der Seite der DGUV kostenlos zur Verfügung.

BT 30   Bohren in Wände und Decken mit asbesthaltiger Bekleidung - Bohrverfahren mit Direktabsaugung

BT 31   Ausstanzen von asbesthaltigen Wand- und Deckenbekleidungen in einen Kunststoffbeutel als Schleuse

BT 32   Abstemmen asbesthaltiger Wand- und Deckenbekleidungen in einen Kunststoffbeutel als Schleuse ("Stemmverfahren")

BT 60   Erstellen von Topflöchern in Untergründen mit asbesthaltigen Bekleidungen mittels abgestimmter staubarmer Bearbeitungssysteme

Bei strikter Anwendung dieser Arbeitsverfahren kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer-, Dritt- und Umweltschutz sichergestellt ist, da hier anerkannte Verfahren im Bereich des niedrigen Risikos aufgeführt sind. Allerdings ist auch bei Anwendung dieser Verfahren zu berücksichtigen, dass die ausführenden Beschäftigten fachkundig sind und von einer sachkundigen, weisungsbefugten Person beaufsichtigt werden. Zudem sind die Tätigkeiten unternehmensbezogen anzuzeigen; die Anzeige gilt für sechs Jahre.

Der Vorteil bei diesen behördlich anerkannten Arbeitsverfahren besteht darin, dass auch bei Nichtvorhandensein von Asbest die vom Arbeitgeber umzusetzenden staubmindernden Maßnahmen nach Anhang I Nummer 2.3 (z. B. (krebserzeugende) silikogene Stäube) umgesetzt werden.

Im Rahmen von Arbeitsschutzprämien werden auf Antrag durch die Berufsgenossenschaften (u. A. BG-Bau) Fördermittel für Schutzpakete für das Bauen im Bestand (Handmaschinen mit Absaugung, Bau-Entstauber der Staubklasse H, Luftreiniger oder Unterdruckhaltegeräte der Staubklasse H, etc.) gewährt.