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Wie sind die genauen gesetzlichen Regelungen für die Aufwärmzeiten bei der Arbeit in Kältebereichen?

KomNet Dialog 43952

Stand: 18.05.2024

Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Physikalische Belastungen und Beanspruchungen > Hitzearbeit / Kältearbeit

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Frage:

Wie sind die genauen gesetzlichen Regelungen für die Aufwärmzeiten bei der Arbeit in Kältebereichen? In wie weit muss sich ein Arbeitgeber an die Empfehlungen der BAuA halten? Ist es rechtlich genau festgelegt, bei welchen Temperaturen (ggf. unter Berücksichtigung der Windgeschwindigkeit), welche Aufwärmzeiten eingehalten müssen?

Antwort:

Aufwärmzeiten bei der Arbeit in Kältebereichen gehören wie auch die Kälteschutzkleidung zu Schutzmaßnahmen im Sinne des Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Sie sind den technischen Schutzmaßnahmen nachgelagert.

Maßnahmen in Kältebereichen haben das Ziel, einerseits die Körperkerntemperatur, die mittlere Hauttemperatur, aber auf die Hauttemperaturen, insbesondere im Kopfbereich und an den Extremitäten, die meist durch die Bekleidung weniger geschützt werden können als z. B. der Rumpfbereich, zumindest in einem erträglichen Bereich zu halten, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.

Erträgliche Bedingungen liegen nach DIN 33403, Teil 5 (1997) dann vor, wenn die mittlere Hauttemperatur (gemessen nach DIN EN ISO 9886) nicht unter 30°C und die lokale Hauttemperatur an den besonders unterkühlungsgefährdeten Körperstellen Kopf (Nase, Kinn, Ohr) sowie Finger und Zehen nicht unter +12 °C absinkt, was durch geeignete Kälteschutzmaßnahmen mindestens sicherzustellen ist.

Eine Zusammenfassung von Forschungsarbeiten aus den 1990-er Jahren und früher wird unter

http://www.baua.de/de/Publikationen/AWE/Band4/AWE121.html

als Arbeitswissenschaftliche Erkenntnis (2000) zum Download angeboten.

Das ArbSchG, also das "Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit", dient dazu, "Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern" (§ 1).

Nach § 3 ist der Arbeitgeber verpflichtet, "die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben."

§ 5 legt die dabei vom Arbeitgeber zu beachtenden Allgemeinen Grundsätze fest. Hierzu zählen u.a., dass die Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen sind, individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen sind sowie, dass bei den Maßnahmen der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind (vgl. § 5, ArbSchG).


Unter den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ist besonders die DIN 33403, Teil 5 (Klima am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung - Teil 5: Ergonomische Gestaltung von Kältearbeitsplätzen) zu nennen und hervorzuheben. Auf diese wird in vielen Schriften zum Thema Kältearbeit, z. B. der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin oder der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung verwiesen und hat auch als Deutsche Norm einen entsprechenden Entwicklungsprozess unter Beteiligung verschiedener Bänke und der Öffentlichkeit durchlaufen.

In DIN 33403, Teil 5 werden die oben genannten physiologischen Kriterien der Gefährdung durch Kältearbeit in Schutzmaßnahmen umgesetzt, wobei davon ausgegangen werden kann, dass mit Einhaltung dieser Schutzmaßnahmen auch die physiologischen Risiken in mindestens erträglichen Grenzen gehalten werden können.

Hierzu werden mit der Lufttemperatur als ordnende Leitgröße 5 Kältebereiche (I-V) definiert (vgl. DIN 33403, Teil 5, Tabelle 1) und ihnen Schutzmaßnahmen zu geordnet. Hierzu zählen eine Mindestwärmeisolation der bereitzustellenden Kälteschutzkleidung in Abhängigkeit von der Lufttemperatur und der Arbeitsschwere (vgl. DIN 33403, Teil 5, Tabelle 2) sowie die Definition von maximalen ununterbrochenen Kälteexpositions- und korrespondierenden Aufwärmzeiten in Abhängigkeit vom jeweiligen Kältebereich (vgl. DIN 33403, Teil 5, Tabelle C.1) .

Während die Mindestwärmeisolation der Bekleidung das vorrangige Ziel hat, ein zu großes Absinken der Körperkerntemperatur zu verhindern, zielen die Aufwärmzeiten vorrangig darauf ab, ein zu großes Absinken der Hauttemperaturen an den besonders gefährdeten Körperstellen (s.o.) zu verhindern.

Auch in neueren Untersuchungen insbesondere von der Arbeitsgruppe um Prof. Karsten Kluth von der Universität Siegen konnten die Festlegungen zu Aufwärmzeiten, z. B. im Kältebereich IV (unter -18 bis -30° C) als zielführend im Sinne der Einhaltung der physiologischen Grenzkriterien bestätigt werden.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die in DIN 33403, Teil 5 festgelegten empfohlenen Aufwärmzeiten als gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnis im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes betrachtet werden können. Sie sind somit solange bindend, als dass nicht durch andere Schutzmaßnahmen gezeigt werden kann, dass die physiologischen Grenzkriterien insbesondere der lokalen Hauttemperaturen im Kopfbereich und an den Extremitäten eingehalten werden können.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass entsprechend dem Wesen von Aufwärmzeiten - also Zeiten, die der Normalisierung der Hauttemperaturen bei normalen Lufttemperaturen dienen - diese nicht "aufsummiert" werden können, sondern spätestens nach Ablauf der jeweils genannten maximalen Kälteexpositionszeit durchzuführen sind.


Hinweis:

Normen können kostenpflichtig beim BEUTH-Verlag bezogen werden.