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Unterliegen Beschäftigte bei der Behandlung infektiöser Patienten der Schutzstufe 2 oder können diese auch der Schutzstufe 1 zugeordnet werden?

KomNet Dialog 43872

Stand: 07.01.2024

Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Belastungen durch Biostoffe > Gefährdungen, Belastungen (6.2)

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Frage:

Wir behandeln Patienten mit chronischen Erkrankungen (Asthma, chronische Rückenschmerzen). Der Anteil der Patienten bspw. mit Infektionserreger der Risikogruppe 3(**) wird dem Anteil der Bevölkerung der Bundesrepublik entsprechen. Unser Risiko, mit potenziell infektiösem Material in direkten Kontakt zu kommen, ist also grundsätzlich so gering, wie in einer Physiotherapiepraxis. Ist da die Einordnung in die Schutzstufe 1 ausreichend? Ausgewählte Mitarbeiter*innen nehmen insgesamt maximal 60 mal pro Woche Blut ab, unter Anwendung der Richtlinie für Nadelstichverletzungen. Seit Jahren gab es bei uns keine Nadelstichverletzungen mehr. Das Risiko sich darüber zu infizieren geht also gegen null, ist aber theoretisch mödiese auch der Schutzstufe 1 zugeordnet werden?

Antwort:

Bei der Beurteilung tätigkeitsbezogener Gefährdungen durch infektiöse Biostoffe (synonym: Krankheits- oder Infektionserregern) in Einrichtungen des Gesundheitswesens sind insbesondere die mit der Tätigkeit verknüpften Expositionsmöglichkeiten in Verbindung mit den spezifischen Übertragungswegen möglicherweise vorhandener Krankheitserreger zu bewerten. Tätigkeiten in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes im Sinne der Biostoffverordnung (BioStoffV) sind hinsichtlich ihrer Infektionsgefährdung einer Schutzstufe zuzuordnen.

Für Beschäftigte, die Personen mit blutübertragbaren Infektionserkrankungen untersuchen, behandeln oder pflegen, besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko durch Biostoffe der Risikogruppe 3** (z.B. durch HBV, HCV, HIV) bei Tätigkeiten mit Kontakten zu Blut, insbesondere, wenn diese verletzungsbedingt, z. B. durch Nadelstichverletzungen, auftreten können.

Dagegen ist eine Gefährdung durch luftübertragene Krankheitserreger, z. B. bei Manipulationen in Mund, Nase, Rachenbereich oder Gesicht, von entsprechend infektiösen Patienten gegeben. Bei respiratorischen Krankheitserregern kann eine solche Gefährdung allein schon durch räumliche Nähe unter 1,5 m zu einem potenziellen Ausscheider (z. B. durch SARS CoV, Influenzaviren, Rhinoviren, Adenoviren) vorhanden sein.


Ist es trotzdem in bestimmten Fällen möglich, solche Tätigkeiten die Schutzstufe 1 zuzuordnen?


Tätigkeiten können der Schutzstufe 1 zugeordnet werden, wenn nach Charakterisierung der Blutproben der Patienten auszuschließen ist, dass Biostoffe der Risikogruppe 2 und höher vorliegen können. Dies ist der Fall, wenn es sich um klinisch unauffällige Patienten handelt, die stationär aufgenommen wurden und deren Probenmaterialien HIV-, HBV- und HCV-negativ zu Beginn der Behandlung getestet wurden. In der Regel ist nach Testung mit negativen Befunden davon auszugehen, dass eine Infektionsgefährdung durch andere Krankheitserreger zwar nicht auszuschließen, aber dennoch unter Beachtung der allgemeinen Hygienemaßnahmen vernachlässigbar ist.

Beim Umgang mit benutzten medizinischen Instrumenten und Geräten sind auch nach Zuordnung solcher Tätigkeiten zur Schutzstufe 1 Maßnahmen zu ergreifen, die eine Verletzungs- und Infektionsgefahr der Beschäftigten minimieren. Dabei ist ein integrierter Ansatz zur Minimierung des Risikos von Nadelstichverletzungen (NSV) unter Ausschöpfung aller technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen notwendig. Dies schließt auch hier Fragen der Arbeitsorganisation und die Schaffung eines Sicherheitsbewusstseins sowie das Verfahren für die Erfassung von NSV und die Durchführung von Folgemaßnahmen mit ein.


Physiotherapeutische Tätigkeiten, bei denen kein Umgang oder sehr selten ein geringfügiger Kontakt mit potenziell infektiösem Material, wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe und keine offensichtliche sonstige Ansteckungsgefahr besteht, sind der Schutzstufe 1 zuzuordnen. Handelt es sich aber bei den Patienten z. B. um fremdgefährdende Menschen, bei denen die Gefahr von Biss- und Kratzverletzungen nicht auszuschließen ist, sind solche Tätigkeiten ebenfalls der Schutzstufe 2 zuzuordnen.


Eine Zuordnung der genannten Tätigkeiten zur Schutzstufe 1 ist in den ausgewiesenen Fällen möglich, bestimmt sich aber im Ergebnis konkreter Beurteilungen tätigkeitsbezogener Gefährdungen durch infektiöse Biostoffe an den jeweiligen Arbeitsplätzen.