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Welcher Schutzstufe gemäß BioStoffV werden Tätigkeiten an Körperspendern (Leichen) zugeordnet?

KomNet Dialog 43774

Stand: 18.02.2023

Kategorie: Belastungen durch Biostoffe > Rechts- und Auslegungsfragen, Sonstiges (6.1) > Sonstiges (6.1.3)

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Frage:

Welcher Schutzstufe gemäß BioStoffV werden Tätigkeiten an Körperspendern (Leichen) zugeordnet, die durch Selbstauskunft und Rechtsmediziner als "gesund" eingestuft wurden bzw. deren Infektionsstatut durch Hepatitis und HIV bekannt und negativ ist. Es handelt sich um die Tätigkeit der Formalinfixierung, bei der die Schnitte gesetzt werden, um über die Aorta das Formalin in den Körper einzuleiten. Zudem kann es auch ein erforderlicher Arbeitsschritt sein, dass vor der Fixierung bereits das Gehirn entnommen wird oder Extremitäten abgetrennt werden.

Antwort:

Die Anforderung Tätigkeiten in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes in Schutzstufen zuzuordnen ergibt sich aus § 5 der Biostoffverordnung. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung müssen Sie dazu die Infektionsgefährdung beurteilen und anhand der in § 5 Absatz 2 genannten Kriterien einer Schutzstufe zuordnen.


Die Konkretisierung der Anforderungen für Einrichtungen des Gesundheitsdienstes finden Sie im Abschnitt 3.4 „Zuordnung zu Schutzstufen“ der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“.


Da bei Tätigkeiten im Gesundheitswesen häufig keine konkreten Kenntnisse zu vorhandenen Krankheitserregern vorliegen, ist der mögliche Kontakt zu potenziell infektiösem Material, z. B. Körperflüssigkeiten, ausschlaggebend für die Zuordnung zu einer Schutzstufe. (Abschnitt 3.4.1 Absatz 2 TRBA 250).


Zur Pathologie stellt die TRBA 250 im Abschnitt 5.8.1 fest, dass sie gekennzeichnet ist durch die Arbeit an potenziell infektiösen Geweben oder Organen im Rahmen von Leichenöffnungen, Obduktionen, Autopsien und Sektionen zur Klärung der Erkrankungs- bzw. Todesursache sowie zu wissenschaftlichen Zwecken. Erregerart, Erregermenge und Infektiosität sind oft noch nicht bekannt.

Es ist zusätzlich zu beachten, dass kurz nach Eintritt des Todes neben den autolytischen Zersetzungsprozessen Fäulnis- und Verwesungsprozesse einsetzen, die mit einer starken Mikroorganismenvermehrung verbunden sind. Vorrangig sind daran aus dem Darm stammende Bakterien (darunter auch der Risikogruppe 2) beteiligt. Darüber hinaus tritt häufig das Wachstum von Schimmelpilzen auf.

Leichenöffnungen erstrecken sich stets, soweit der Zustand der Leiche das gestattet, auf die Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle. Durch die Öffnung der Leiche wird die Wahrscheinlichkeit des Kontaktes mit potenziell infektiösen Materialien erhöht. Infektionsgefährdung besteht für die Beschäftigten prinzipiell beim direkten Kontakt mit den Leichen bzw. ihrer Teile oder Körperflüssigkeiten. Beim Aufschneiden ganzer Organe, potenziell flüssigkeitsgefüllter Gedärme, Blasen und Zysten sowie von Lymphknoten können Körperflüssigkeiten wie Blut und Lymphe austreten, und Aerosole entstehen. Es kommen Stich- und Schnittwerkzeuge zum Einsatz, so dass die Gefahr der Infektion über Schnittwunden und Nadelstichverletzungen besteht.


Auch bei den Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2 werden „Tätigkeiten in der Pathologie“ aufgeführt (vgl. Abschnitt 4.2.9 der TRBA 250).


Nach Abschnitt 3.4.2 „Beschreibung der Schutzstufen“ der TRBA 250 sind Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und nicht nur in geringfügigem Umfang zum Kontakt mit potenziell infektiösem Material, wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe kommen kann, in der Regel der Schutzstufe 2 zuzuordnen.

Tätigkeiten, die der Schutzstufe 2 zugeordnet werden, sind z.B.:

·        Punktieren, Injizieren, Blutentnehmen,

·        Entnehmen von Proben zur Diagnostik,

·        Operieren,

·        Obduzieren,

·        Nähen und Verbinden von Wunden,

·        Absaugen respiratorischer Sekrete,

·        Wechseln von Windeln und von mit Fäkalien verunreinigter Kleidung,

·        Waschen, Duschen, Baden inkontinenter Patienten,

·        Umgang mit benutzter Wäsche von Patienten und Bewohnern (Ausziehen, Abwerfen, Sammeln), die mit Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen behaftet ist,


Fazit:

In der Regel sind die Tätigkeiten in der Pathologie der Schutzstufe 2 zuzuordnen.

 

Wenn Sie davon abweichend in Ihrem konkreten Einzelfall im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu dem Ergebnis kommen, dass bei den von Ihnen beschriebenen Tätigkeiten sichergestellt ist, dass

  • kein Umgang oder sehr selten ein geringfügiger Kontakt mit potenziell infektiösem Material, wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder –gewebe und
  • keine offensichtliche sonstige Ansteckungsgefahr besteht,

können diese gemäß Abschnitt 3.4.2 Absatz 1 der TRBA 250 der Schutzstufe 1 zugeordnet werden.