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Müssen Logistik-Mitarbeiter ebenfalls die Diisocyanat-Schulung, die von der REACH-Verordnung vorgeschrieben ist, durchlaufen?

KomNet Dialog 43800

Stand: 11.07.2023

Kategorie: Sichere Chemikalien > Begriffsbestimmungen > Sonstige Definitionen

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Frage:

Müssen Logistik-Mitarbeiter ebenfalls die Diisocyanat-Schulung, die die von der REACH-Verordnung vorgeschrieben ist, durchlaufen? Gemeint sind die Mitarbeiter, die transportsicher verpackte und verschlossene Gebinde mit Rohstoffen oder Fertigprodukten im Werk transportieren, ein-/auslagern und verladen. In der Reach-Verordnung ist die Rede von "Verwendern", das sind, nach meiner Auffassung, die Logistik-Mitarbeiter nicht. Die Gefahrstoffverordnung bezieht jedoch den innerbetrieblichen Transport explizit mit ein.

Antwort:

Gemäß Anhang XVII Nummer 74 Abschnitt 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) dürfen ab „(…) 24. August 2023 weder als Stoff noch als Bestandteil in anderen Stoffen oder Gemischen industriell oder gewerblich verwendet werden, es sei denn,

a. (…) (Konzentration < 0,1 Gew.-%) oder

b. der Arbeitgeber oder Selbstständige stellt sicher, dass industrielle oder gewerbliche Anwender vor der Verwendung des/der Stoffe(s) oder Gemische(s) erfolgreich eine Schulung zur sicheren Verwendung von Diisocyanaten abgeschlossen haben (…)“.

Gemäß Anhang XVII Nummer 74 Abschnitt 2 der REACH-Verordnung dürfen ab „(…) 24. Februar 2022 weder als Stoff noch als Bestandteil in anderen Stoffen oder Gemischen für die industrielle oder gewerbliche Verwendung in Verkehr gebracht werden, es sei denn,

a. (…) (Konzentration < 0,1 Gew.-%) oder

b. der Lieferant stellt sicher, dass der Abnehmer des/der Stoffe(s) oder Gemische(s) von den Anforderungen nach Absatz 1 Buchstabe b Kenntnis hat, und dass auf der Verpackung die folgende Erklärung deutlich von den übrigen Angaben auf dem Etikett unterscheidbar angebracht ist: ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen (…)“.

Demnach muss ein Lieferant seinen Abnehmer über die Verpflichtung zur Schulung vor der Anwendung (Verwendung) informieren und der Abnehmer muss in seiner Rolle als Arbeitgeber oder Selbständiger seine Beschäftigten einer Schulung vor der Anwendung unterziehen.

Die dort genannten Begrifflichkeiten sind in Artikel 3 der REACH-Verordnung wie folgt definiert:

24. Verwendung:  Verarbeiten, Formulieren, Verbrauchen, Lagern, Bereithalten, Behandeln, Abfüllen in Behältnisse, Umfüllen von einem Behältnis in ein anderes, Mischen, Herstellen eines Erzeugnisses oder jeder andere Gebrauch;

13. Anwender:       (Nachgeschalteter Anwender) Natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die im Rahmen ihrer industriellen oder gewerblichen Tätigkeit einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch verwendet, mit Ausnahme des Herstellers oder Importeurs. Händler oder Verbraucher sind keine nachgeschalteten Anwender (…);

12. Inverkehrbringen: Entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe an Dritte oder Bereitstellung für Dritte. Die Einfuhr gilt als Inverkehrbringen;

14. Händler:            Natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch lediglich lagert und an Dritte in Verkehr bringt; darunter fallen auch Einzelhändler;

32. Lieferant:          Hersteller, Importeur, nachgeschalteter Anwender oder Händler, der einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch oder ein Gemisch in Verkehr bringt;

34. Abnehmer:       Nachgeschalteter Anwender oder Händler, dem ein Stoff oder ein Gemisch geliefert wird;

17. Akteure:            (Akteure in der Lieferkette) alle Hersteller und/oder Importeure und/oder nachgeschalteten Anwender in einer Lieferkette.

Logistik-Unternehmen werden wie Händler nicht explizit als Akteure in der Lieferkette genannt. Stoffe und Gemische werden nicht angewendet, sondern lediglich gelagert und an Dritte in Verkehr gebracht. Händler und Logistik-Unternehmen im Auftrag von Akteuren in der Lieferkette sind Lieferanten gegenüber den Abnehmern bei Abgabe von Stoffen und Gemischen.

Logistik-Unternehmen sind demnach gemäß Anhang XVII Nummer 74 Abschnitt 1 der REACH-Verordnung bei Lagerung zur Abgabe von Diisocyanaten nicht verpflichtet, ihre Beschäftigten einer Schulung zur sicheren Verwendung von Diisocyanaten zu unterziehen.

Nach Anhang XVII Nummer 74 Abschnitt 2 der REACH-Verordnung sind Logistik-Unternehmen als Lieferanten bei der Abgabe von Diisocyanaten jedoch verpflichtet, an ihre Abnehmer die auf dem Kennzeichnungsetikett der Diisocyanate angebrachte Information „Ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen“ weiterzuleiten, eventuell selbst auf dem Kennzeichnungsetikett anzubringen und weiterzuleiten.

Zwar werden Diisocyanate in transportsicher verpackte und verschlossene Gebinde abgefüllt, außerbetrieblich und innerbetrieblich transportiert, ein- und ausgelagert, so dass Freisetzungen weniger häufig zu erwarten sind als bei der Anwendung. Jedoch können bei Ein- und Auslagerungen Freisetzungen durch Undichtigkeiten und Havarien auftreten, wie z. B. durch Radlader-Kollisionen, Umfallen und Herunterfallen von Gebinden.

Die zur Beseitigung von kleinen und großen Verschüttungen eingesetzten Schutzmittel, Sorptions- und Reinigungsmittel, Geräte und Gefäße, sowie die Qualifikation der zur Beseitigung eingesetzten Beschäftigten sind auf die besonderen Eigenschaften und Gefahren der Diisocyanate abzustimmen.  

Gemäß § 6 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist vom Logistik-Unternehmen für den Fall der Freisetzung von Diisocyanaten eine Gefährdungsbeurteilung sowie eine Betriebsanweisung zu erstellen, und das zur Beseitigung der Freisetzung bestimmte Personal anfangs und mindestens jährlich anhand der Betriebsanweisung zu unterweisen.

Zweckmäßigerweise können in der Unterweisung einige der in Anhang XVII Nummer 74 Abschnitt 5 „Schulungsbestandteile“ unter lit. a. genannten Informationen zu Gefahren, Risiken und Schutzmaßnahmen vermittelt werden, wie z.B.

- chemische Eigenschaften der Diisocyanate;

- akute und chronische Toxizität;

- Exposition durch Einatmen und Hautkontakt;

- Arbeitsplatzgrenzwerte;

- Atemwegs- und Hautsensibilisierung;

- persönliche Hygiene;

- persönliche Schutzausrüstung, deren sachgemäße Verwendung und Grenzen