Inhaltsbereich

KomNet-Wissensdatenbank

Muss bei einem Arbeitsplatzwechsel einer werdenden Mutter eine erneute anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung am neuen Arbeitsplatz durchgeführt werden?

KomNet Dialog 43798

Stand: 21.06.2023

Kategorie: Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Werdende und stillende Mütter > Sonstige Mutterschutzfragen

Favorit

Frage:

Die Gefährdungsbeurteilung ergab die Notwendigkeit, eine werdende Mutter an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen. Muss dann eine erneute anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung am neuen Arbeitsplatz durchgeführt werden?

Antwort:

Aus formaler Sicht hat der Arbeitgeber im Sinne der § 10 Mutterschutzgesetz (MuSchG) und § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) alle (gleichartigen) Arbeitsplätze hinsichtlich der vorliegenden Gefährdungen zu beurteilen. Dabei muss anlassunabhängig bereits vor Kenntnis einer Schwangerschaft festgestellt werden, ob für Schwangere

a) keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen erforderlich sind,

b) eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich ist oder

c) eine Fortführung der Tätigkeiten am Arbeitsplatz nicht möglich sein wird (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG).

Bei konsequenter Umsetzung sollte demnach bereits vor der Versetzung an einen neuen Arbeitsplatz eine Bewertung der neuen Aufgaben vorliegen.


Im konkreten Fall einer Schwangerschaft im Betrieb ist der Schwangeren ein Gespräch über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anzubieten (§ 10 Abs. 2 MuSchG). In diesem Zusammenhang bietet sich an, die betroffenen Arbeitsplätze anlassbezogen erneut zu bewerten und zu überprüfen, ob die bisherige Gefährdungsbeurteilung zum Arbeitsplatz zutreffend umgesetzt ist. Eine vollständige anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung ist per Gesetz jedoch nicht gefordert. Der Arbeitgeber muss lediglich die ergriffenen Arbeitsschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüfen und den sich ändernden Gegebenheiten anpassen (§ 3 Abs. 1 ArbSchG sowie § 9 Abs. 1 MuSchG). Zur Durchführung eines Anpassungsgespräches mit der Schwangeren ist eine zutreffende Gefährdungsbeurteilung erforderlich, um sinnvolle Schutzmaßnahmen besprechen und umsetzen zu können. Das gilt sowohl für den üblichen Arbeitsplatz, als auch für den Arbeitsplatz, der im Rahmen des Arbeitsplatzwechsels in Erwägung gezogen wird.

In der Praxis wird regelmäßig festgestellt, dass die mutterschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung erstmalig anlassbezogen durchgeführt wird und Tätigkeitsbereiche vorab nicht beurteilt waren. Nach alter Rechtslage musste die Gefährdungsbeurteilung "rechtzeitig" erstellt werden, womit sich die anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung eingebürgert hat. Dieses Vorgehen ist seit dem Inkrafttreten der aktuellen Fassung des MuSchG am 01.01.2018 nicht mehr zulässig.


Kurz gefasst, besteht durch die gesetzliche Verpflichtung, dass ohnehin alle Tätigkeitsbereiche vor Kenntnis einer Schwangerschaft bewertet sein müssen, jedoch keine zusätzliche Forderung nach einer anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilung des alten oder neuen Arbeitsplatzes. Sollte die Gefährdungsbeurteilung bisher unzureichend durchgeführt worden sein, sollte eine Schwangerschaft im Betrieb als Anlass genutzt werden, um die bisherige Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren und die ergriffenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Ist die Gefährdungsbeurteilung bereits bekanntermaßen zutreffend und sind die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergriffen, besteht keine gesetzliche Forderung zur Neubewertung.