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Darf ein Elektroschaber ohne Angaben zu den Vibrationswerten (Hand-Arm-Vibration) formal eine CE Kennzeichnung aufweisen und/oder In Verkehr gebracht werden?
KomNet Dialog 43796
Stand: 12.06.2023
Kategorie: Sichere Produkte > Inverkehrbringen und Kennzeichnung > Kennzeichnungen
Frage:
#1 Darf ein Elektroschaber ohne Angaben zu den Vibrationswerten (Hand-Arm-Vibration) formal eine CE Kennzeichnung aufweisen und/oder in Verkehr gebracht werden ? #2 Die Werte liegen weit über dem Auslösewert von 2,5 m/s² und dem Expositionsgrenzwert von 5 m/s²: was folgert hieraus? Muss der Hersteller in seiner Betriebsanleitung hier nicht Schutzmaßnahmen vorgeben? Reicht es aus, nur vor den Gefahren zu warnen? #3 Welchen Nutzen haben Antivibrationshandschuhe ? Reicht die Schutzwirkung?
Antwort:
Die Hersteller von Maschinen sind verpflichtet, im Rahmen der EU-Maschinenrichtlinie bzw. der 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung), in der Betriebsanleitung Angaben zum Schwingungskennwert einer Maschine zu machen. Dieser Wert ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Grenzwerten (Tages-Vibrationsexpositionswerte) aus der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung, da wichtige Einflüsse von benachbarten Maschinen und die Expositionszeit (Einwirkdauer) am Arbeitsplatz nicht berücksichtigt sind.
zu #1
Mit der CE-Kennzeichnung erklärt der Hersteller, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt, die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft über ihre Anbringung festgelegt sind. Die Voraussetzungen für die Bereitstellung von Maschinen auf dem Markt oder die Inbetriebnahme von Maschinen regelt § 3 der 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung) (9. ProdSV).
Dabei hat der Hersteller auch die Anforderung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG im Anhang 1, Ziffer 1.5.9 -Vibrationen- zu beachten:
„Die Maschine muss so konstruiert und gebaut sein, dass Risiken durch Maschinenvibrationen insbesondere an der Quelle so weit gemindert werden, wie es nach dem Stand des technischen Fortschritts und mit den zur Verringerung von Vibrationen verfügbaren Mitteln möglich ist.
Der Vibrationspegel kann durch Bezugnahme auf Vergleichsemissionsdaten für ähnliche Maschinen bewertet werden.“
Siehe Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zu Anhang I, Ziffer 1.5.9 (§ 231 -Vibrationen-, S. 260 ff.)
zu #2
Laut der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Anhang 1, Ziffer 3.6.3. ff. muss die Betriebsanleitung der Maschine die folgenden Angaben zu Vibrationen enthalten.
3.6.3. Betriebsanleitung
3.6.3.1. Vibrationen
Die Betriebsanleitung muss folgende Angaben zu den von der Maschine auf die oberen Gliedmaßen oder auf den gesamten Körper übertragenen Vibrationen enthalten:
- den Schwingungsgesamtwert, dem die oberen Körpergliedmaßen ausgesetzt sind, falls der Wert 2,5 m/s2 übersteigt. Beträgt dieser Wert nicht mehr als 2,5 m/s2, so ist dies anzugeben,
- den höchsten Effektivwert der gewichteten Beschleunigung, dem der gesamte Körper ausgesetzt ist, falls der Wert 0,5 m/s2 übersteigt. Beträgt dieser Wert nicht mehr als 0,5 m/s2, ist
dies anzugeben,
- die Messunsicherheiten.
Diese Werte müssen entweder an der betreffenden Maschine tatsächlich gemessen oder durch Messung an einer technisch vergleichbaren, für die geplante Fertigung repräsentativen Maschine ermittelt worden sein.
Anforderungen an eine Angabe von Schutzmaßnahmen sind nach Ziffer 3.6.3 im Anhang I der Maschinenrichtlinie nicht zwingend erforderlich.
Erläutert wird dies in den folgenden Dokumenten:
- Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zu Anhang I, Ziffer 3.6.3 (§ 325 -Angabe der von mobilen Maschinen übertragenen Vibrationen-, S. 359 ff.)
- BAuA Fakten: Tipps für den Einkauf von Maschinen, Nutzung von Herstellerangaben zur Auswahl vibrationsarmer handgeführter Maschinen
- DGUV Fachbereich Holz und Metall, FB HM-023: Emissionsangaben Lärm u. Vibrationen, Vorgaben für Hersteller / Lieferanten nach 9. ProdSV bzw. EG-Richtlinie 2006/42/EG
Sollten die Informationen zu #1 und # 2 nicht ausreichen, wird empfohlen sich an die für die Marktüberwachung und Produktsicherheit zuständige Behörde zu wenden.
zu #3
In der Technischen Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV Vibrationen) Teil 3 Vibrationsschutzmaßnahmen steht unter Punkt
3.6.1 Vibrations-Schutzhandschuhe
(1) Vibrations-Schutzhandschuhe, die auch mit der Bezeichnung „Antivibrations-Schutzhandschuhe“ verkauft werden, tragen das CE-Kennzeichen. Das sind z. B. Handschuhe, die die Anforderungen der DIN EN ISO 10819:2013-12 erfüllen.
(2) Die o. g. Prüfnorm gestattet keine Aussagen über die Reduzierung der Gefährdung bei der Verwendung in der Praxis. Daher sind die Schutzeigenschaften der Vibrations-Schutzhandschuhe gemäß § 2 Absatz 1 der PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV) separat zu beurteilen.
(3) Bei Frequenzen unterhalb von 150 Hz (9 000 U/min.) bieten Vibrations-Schutzhandschuhe keine signifikante Risikoverringerung. Für die meisten kraftbetriebenen Handwerkzeuge bedeutet dies, dass die Reduzierung der frequenzbewerteten Beschleunigung durch Vibrations-Schutzhandschuhe vernachlässigt werden kann. Bei Werkzeugen, die mit hohen Drehzahlen arbeiten (oder Vibrationen in hohen Frequenzen produzieren) und mit einem nicht zu festen Griff gehalten werden, kann mit Vibrations-Schutzhandschuhen eventuell eine gewisse Verringerung der Vibrationsgefährdung erzielt werden. Als alleinige Schutzmaßnahme bei Hand-Arm-Vibrationen reichen Vibrations-Schutzhandschuhe nicht aus.
Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) hat 2015 die Dämpfung von Vibrationsschutzhandschuhen gemessen. Das zusammengefasste Ergebnis ist im Merkblatt IFA 025 Vibrations-Schutzhandschuhe dokumentiert.
Weitere Informationen zu Vibrationen:
Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV)
BAuA, Hand-Arm-Vibrationen
IFA, Ganzkörper- und Hand-Arm-Vibrationen
DGUV Fachbereich Holz und Metall, Themenfeld Vibrationen