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Wenn das Desinfizieren nach dem Handschuhtragen mehrmals pro Tag unverzichtbar ist, würde dies dann ausreichen, um einen Vorsorgeanlass Feuchtarbeit abzuleiten?

KomNet Dialog 43783

Stand: 23.07.2023

Kategorie: Gesundheitsschutz > Arbeitsmedizinische Vorsorge > Untersuchungspflichten

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Frage:

In der aktualisierten TRGS 401 unter 5.6. heißt es (2) "Nach der Benutzung von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen kann die Haut empfindlicher gegenüber äußeren Faktoren (Penetration von Stoffen und mechanische Belastung) werden. Nach dem Ausziehen der Schutzhandschuhe sollten möglichst die Hände nur mit einem Einmalhandtuch abgetrocknet und nicht unmittelbar gewaschen, desinfiziert oder mit hautgefährdenden oder hautresorptiven Gefahrstoffen belastet werden." Ist die erhöhte Belastung durch Desinfizieren nach dem Handschuhtragen unabhängig von der Tragedauer der flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhe zu sehen? D.h. ist eine erhöhte Gefährdung auch zu sehen, wenn die Hände nach kurzzeitigem Tragen der flüssigkeitsdichten Handschuhe (max. 1-2 min) desinfiziert werden. Dies ist ja in der Regel in der Kindertagesstätte der Fall, wenn die Erzieherinnen zum Wickeln Handschuhe tragen und sich nach dem Ausziehen der Handschuhe aus hygienischen Gründen die Hände desinfizieren. Wenn das Desinfizieren nach dem Handschuhtragen mehrmals pro Tag unverzichtbar ist, würde dies dann ausreichen, um einen Vorsorgeanlass Feuchtarbeit abzuleiten, auch wenn die Kriterien nach Punkt 7 nicht erfüllt werden?

Antwort:

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber zu ermitteln, ob eine Gefährdung durch Feuchtarbeit vorliegt.

Die Notwendigkeit zur Pflichtvorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), ist gegeben bei Feuchtarbeit von regelmäßig vier Stunden oder mehr pro Tag (Anhang Teil 1 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a ArbMedVV), das entspricht nach TRGS 401 - "Gefährdung durch Hautkontakt. Ermittlung – Beurteilung – Maßnahmen" einer tätigkeitsbedingten Exposition durch:

 - Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten von regelmäßig vier Stunden oder mehr pro Arbeitstag oder

 - Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten und im häufigen Wechsel Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen (mehr als 20 Mal pro Arbeitstag) oder

- Waschen der Hände von mindestens 25 Mal pro Arbeitstag oder

 - Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen und im häufigen Wechsel mit Waschen der Hände (mehr als 10 Mal pro Arbeitstag)


Das ausschließliche Tragen von flüssigkeitsdichten Handschuhen ist keine Feuchtarbeit. Aber wässrige Desinfektionsmittel zählen zu den wässrigen Flüssigkeiten, so dass in dem konkret beschriebenen Fall (Erzieherinnen in einer Kindertagesstätte, die zum Wickeln Handschuhe tragen und sich nach dem Ausziehen der Handschuhe nach einem Wickelvorgang jeweils die Hände desinfizieren) ein Anlass für Pflichtvorsorge gegeben ist, wenn das Desinfizieren nach dem Ausziehen der Schutzhandschuhe häufiger als 20 Mal pro Arbeitstag durchgeführt wird. Dies dürfte in der Praxis eher sehr selten der Fall sein.


Die Notwendigkeit Angebotsvorsorge anzubieten, ist gegeben bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag (Anhang Teil 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe e ArbMedVV); das entspricht nach TRGS 401 einer tätigkeitsbedingten Exposition durch:

- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten von regelmäßig mehr als zwei Stunden und weniger als vier Stunden pro Arbeitstag oder

- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten und im häufigen Wechsel Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen (mehr als 10 Mal und bis zu 20 Mal pro Arbeitstag) oder

- Waschen der Hände von mindestens 15 Mal und weniger als 25 Mal pro Arbeitstag oder

- Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen und im häufigen Wechsel mit Waschen der Hände (mehr als fünf Mal und bis zu 10 Mal pro Arbeitstag)


In dem vorliegenden Fall müsste also Angebotsvorsorge nach ArbMedVV angeboten werden, wenn das Desinfizieren mit einem wässrigen Desinfektionsmittel nach dem Ausziehen der Schutzhandschuhe mehr als 10 Mal pro Arbeitstag durchgeführt wird.

Die erhöhte Belastung der Haut durch Desinfizieren direkt nach dem Handschuhtragen ist bei der Definition der gefährdenden Arbeitsbedingungen durch Feuchtarbeit nach TRGS 401 hierbei grundsätzlich bereits berücksichtigt.

In der Praxis wird auch häufiges Händewaschen bei Tätigkeiten in Kindertagesstätten zum unverzichtbaren Arbeitsalltag gehören, so dass in der Gesamtschau aller vorliegenden Belastungen durch Feuchtarbeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung im Einzelfall zu entscheiden ist, ob sich hier ein Vorsorgeanlass für Angebotsvorsorge ableiten lässt. Insbesondere der Wechsel zwischen dem Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen und dem Waschen der Hände führt bereits bei einer Waschfrequenz von mehr als 5 mal zu der Notwendigkeit Angebotsvorsorge anzubieten.


Zudem könnte in dem vorliegenden Fall auch die Möglichkeit der Wunschvorsorge nach ArbMedVV in Betracht gezogen werden: Nach § 5a ArbMedVV hat der Arbeitgeber über die Vorschriften des Anhangs hinaus den Beschäftigten auf ihren Wunsch hin regelmäßig arbeitsmedizinische Vorsorge nach § 11 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zu ermöglichen, es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen. Die Notwendigkeit Wunschvorsorge zu ermöglichen, greift bei mehrmaligen Händedesinfizieren nach kurzzeitigem Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe in jedem Fall, auch wenn sich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung bei der Bewertung des vorliegenden Einzelfalls unter Zugrundelegung der dargelegten Kriterien der TRGS 401 kein Vorsorgeanlass für Pflicht- oder Angebotsvorsorge ableiten lässt.