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Wann ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge beim Tragen von Chemikalienschutzhandschuhen erforderlich?

KomNet Dialog 14743

Stand: 06.05.2024

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Schutzmaßnahmen beim Umgang mit Gefahrstoffen > Persönliche Schutzmaßnahmen (5.)

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Frage:

Ist beim Umgang mit hautreizenden Gemischen, bei dem die Mitarbeiter geeignete Chemikalienschutzhandschuhe tragen, generell eine arbeitsmedizinische Vorsorge oder Untersuchung nach G 24 notwendig, oder richten sich Vorsorge/Untersuchung nach der Tragezeit der Handschuhe (Tragezeit: 2 bis 4 Stunden = Angebotsuntersuchung; 4 Stunden und mehr = Pflichtuntersuchung)?

Antwort:

Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sind vom Arbeitgeber arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen als Pflichtvorsorge zu veranlassen bzw. als Angebotsvorsorge zu unterbreiten.

Pflichtvorsorge bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ist - unabhängig von der Frage, ob persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen wird - durchzuführen, wenn Arbeitsplatzgrenzwerte der aufgelisteten Stoffe in Teil 1 Absatz 1 Nr. 1 Anhang zur ArbmedVV nicht eingehalten werden, oder eine Gesundheitsgefahr durch direkten Hautkontakt besteht. In Teil 1 Absatz 1 Nr. 2 Anhang zur ArbmedVV ist weitere Pflichtvorsorge bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen aufgeführt.

Pflichtvorsorge ist z. B. notwendig bei Feuchtarbeit von regelmäßig vier Stunden oder mehr je Tag (Teil 1 Abs. 1 Nr. 2 a Anhang ArbmedVV). Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag, aber weniger als vier, bedingt eine Angebotsvorsorge (Teil 1 Absatz 2 Nr. 2 e Anhang der ArbmedVV).

Angebotsvorsorge ist anzubieten bei den o. g. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (Teil 1 Absatz 1 Nr. 1), wenn eine Exposition besteht, unabhängig vom Arbeitsplatzgrenzwert. Näheres soll die Gefährdungsbeurteilung regeln, an der der Betriebsarzt mitwirken sollte (siehe Teil 1 Absatz 2 Nr. 3 Anhang der ArbmedVV).

Hinweis: Nach Ziffer 5.5.1 (9) der TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt - Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen" darf die Verwendung von belastender persönlicher Schutzausrüstung keine Dauermaßnahme sein.

"(9) Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, ob das Tragen von PSA belastend ist. Hierzu kann der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin beteiligt werden. Das Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen ohne Wechsel über mehr als 4 Stunden pro Arbeitstag ist als belastend im Sinne von § 7 Absatz 5 GefStoffV anzusehen. Die Verwendung von belastender persönlicher Schutzausrüstung darf keine Dauermaßnahme sein. Sie ist für alle Beschäftigten auf das unbedingt erforderliche Minimum zu beschränken."

Alle berufsgenossenschaftlichen Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen aus dem Bereich der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) haben einen empfehlenden Charakter. Sie stellen Hinweise für den beauftragten Arzt dar und entsprechen den allgemein anerkannten Regeln der Arbeitsmedizin.

Zur Anpassung an die ArbMedVV werden die DGUV Regelungen daher - sofern nicht bereits erfolgt - zukünftig als Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge formuliert.

Eine zwingende Pflicht, arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten oder durchzuführen, ergibt sich nur aus der ArbmedVV. Hierfür sind die Kriterien im Anhang der ArbmedVV (wie oben ausgeführt) ausschlaggebend. Der Umgang mit Stoffen, die mit H310 bis H317 gekennzeichnet sind, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den im Anhang ArbmedVV genannten Gefahrstoffen eine Pflicht- oder Angebotsvorsorge auslösen, aber als einziges Kriterium ist dies nicht ausreichend. Die Stoffe müssen im Anhang aufgelistet und/oder hautresorptiv sein. Hautresorptiv sind Stoffe, die aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften über die Haut aufgenommen werden können. Eine Übersicht der Gefahrstoffe, die zu Hautgeährdungen führen können wird z.B. von der Verwaltungsberufsgenossenschat (VBG) angeboten.

Die Entscheidung, ob eine arbeitsmedizinische Vorsorge zu veranlassen bzw. anzubieten ist, kann nur in Abhängigkeit von der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung vor Ort und somit bezogen auf den Einzelfall getroffen werden.

Folgende Tätigkeiten mit den gelisteten Gefahrstoffen führen z. B. zu hohen Expositionen und können so arbeitsmedizinsche Vorsorge auslösen:

- Offener Umgang mit z. B. Toluol und/oder Xylol bzw. zusammen mit anderen Lösungsmitteln in der Metallentfettung und Oberflächenreinigung

- Abbruch-, Sanierungs- oder Instandsetzungsarbeiten in Produktions- und Abfüllanlagen

- Arbeiten in kontaminierten Bereichen

- Verarbeitung von Zubereitungen in räumlich beengten Verhältnissen oder bei ungünstiger Belüftung.

- Reinigen von Lagertanks für Xylole

- Parkettversiegelung

- Auftragen von Beschichtungen im Spritzverfahren, Beschichten in Behältern

- Korrosionsschutzarbeiten (Spritzauftrag in umschlossenen Räumen)

- ...

Zur Ermittlung von Angebots-/Pflichtvorsorge in Verbindung mit den angesprochenen Tragezeiten ist die neue Fassung der TRGS 401 Ziffer 2 (8) zu beachten. 

"(8) Feuchtarbeit sind Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten haben oder häufig die Hände waschen oder diese Tätigkeiten im Wechsel mit dem Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe erfolgen. Das ausschließliche Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen ist keine Feuchtarbeit."

Hier ist nun die vorliegende Kombination der Belastungsarten ausschlaggebend; bspw. ist nach Ziffer 7 Vorsorge anzubieten, wenn das

- "Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen (...) im häufigen Wechsel mit Waschen der Hände (mehr als 10 Mal pro Arbeitstag)" erfolgt.

Letztlich kann der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung weitere Kriterien zur Durchführung einer arbeitsmedizinschen Vorsorge in seinem Betrieb festlegen bzw. anbieten. Hierzu werden oft die DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen (die früheren Grundsätze G <Nr.>) herangezogen Diese dürfen aber nicht den Bestimmungen der ArbmedVV zuwider handeln und keine Willkür darstellen.

Weiterführende Informationen:

DGUV-Informationen zur Arbeitsmedizinische Vorsorge

Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)