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Können bei einer Vielzahl an Gefahrstoffen die Gefährdungsbeurteilungen nach Gesundheitsgefahren zusammengefasst werden?

KomNet Dialog 43736

Stand: 28.12.2022

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Allgemeine Fragen zum Gefahrstoffrecht > Anzeigen, Dokumentationen

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Frage:

Können bei einer Vielzahl an Gefahrstoffen die Gefährdungsbeurteilungen nach Gesundheitsgefahren zusammengefasst werden? Sachverhalt: In der Abteilung „Produktentwicklung“ treffen wöchentlich bis zu 15 verschiedene Muster an Gefahrstoffen ein (je max. 250 ml). Können die Gefahrstoffe nach Gesundheitsgefahren (z. B. toxisch, keimzellmutagen, reproduktionstoxisch, sensibilisierend, ätzend, etc.) zusammengefasst werden, damit nicht für jeden einzelnen Gefahrstoff eine eigene Beurteilung erfolgen muss?

Antwort:

Nein, die Gefährdungsbeurteilungen können nicht ausschließlich anhand der Gesundheitsgefahren zusammengefasst werden.


Entsprechend § 5 Abs. 1 und 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

 

Diese grundsätzliche Forderung wird in einigen Spezialvorschriften konkretisiert, z. B. durch die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).


Diese beschreibt in § 6 Abs. 1 GefStoffV Folgendes:

"Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, so hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten unter folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen:

  1. gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Gemische, einschließlich ihrer physikalisch-chemischen Wirkungen,
  2. Informationen des Lieferanten zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt,
  3. Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege; dabei sind die Ergebnisse der Messungen und Ermittlungen nach § 7 Absatz 8 zu berücksichtigen,
  4. Möglichkeiten einer Substitution,
  5. Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge,
  6. Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte,
  7. Wirksamkeit der ergriffenen oder zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
  8. Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge."


Darüber hinaus wird in § 6 Abs. 6 GefStoffV beschrieben, dass

"die mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen, dermalen und physikalisch-chemischen Gefährdungen unabhängig voneinander zu beurteilen und in der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen sind. Treten bei einer Tätigkeit mehrere Gefahrstoffe gleichzeitig auf, sind Wechsel- oder Kombinationswirkungen der Gefahrstoffe, die Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten haben, bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen, soweit solche Wirkungen bekannt sind."


Bezüglich der erfragten Thematik (Beurteilung gleichartiger Tätigkeiten) konkretisiert die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" in Nummer 4.2:

"Der Arbeitgeber muss alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen beurteilen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen und gleichen Tätigkeiten reicht die Beurteilung eines Arbeitsplatzes für jede der zu betrachtenden Tätigkeiten aus.

Die in der Gefährdungsbeurteilung gemeinsam bewerteten Tätigkeiten mit gleichartigen Arbeitsbedingungen müssen aus der Dokumentation nach Nummer 8 ersichtlich sein.

Gleichartige Arbeitsbedingungen können auch bei räumlich getrennten Tätigkeiten (z.B. Probenahmen) vorliegen und mehrere Gefahrstoffe abdecken. Die Tätigkeiten müssen hierzu hinsichtlich der Gefährdungen, Expositionsbedingungen, Arbeitsabläufe, Verfahren, Umgebungsbedingungen und festzulegenden Schutzmaßnahmen vergleichbar sein.

Tätigkeiten, bei denen die Gefährdung durch besonders gefährliche Eigenschaften oder eine hohe Exposition maßgeblich bestimmt wird, sollten nicht pauschal, sondern stets im Einzelfall beurteilt werden. Dies gilt auch für nicht regelmäßig durchgeführte Tätigkeiten, wie z.B. bei Wartung oder Instandhaltung."


In der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 555) "Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten" wird bzgl. der Erstellung von Betriebsanweisungen, unter Abschnitt 3.1 Absatz 13, ausgeführt:

Sind viele Gefahrstoffe (z. B. in Lackiererbetrieben, Lagerbereichen oder Laboratorien [unter Berücksichtigung der Einschränkungen der TRGS 526 „Laboratorien“]) vorhanden, ist es zulässig, nicht für jeden einzelnen Gefahrstoff eine eigenständige Betriebsanweisung, sondern Gruppen- bzw. Sammelbetriebsanweisungen zu erstellen. Voraussetzung ist, dass bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ähnliche Gefährdungen bestehen und vergleichbare Schutzmaßnahmen gelten.