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Fragen zum Explosionsschutz in einem Bereich, in dem Farben angemischt werden.

KomNet Dialog 43696

Stand: 11.08.2022

Kategorie: Sichere Anlagen / Sicherer Betrieb > Explosionsschutz, Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen > Sicherheitstechnische Anforderungen, Sicherheitseinrichtungen

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Frage:

In einem Unternehmen werden in einem Bereich Farben angemischt. Die Farben haben einen Flammpunkt von mehr als 100 °C. Der Bereich hat keine technische Lüftung und es befinden sich „normale“ elektrische Betriebsmittel in dem Bereich (keine ATEX Ausführungen). Zur Reinigung von Verunreinigungen wird ein Lösemittel eingesetzt. Frage 1 Das Lösemittel mit einem Flammpunkt unterhalb der Raumtemperatur wird in einem verschlossenen Behälter (Kleinteilereiniger, Edelstahl) im Arbeitsraum gelagert. Muss um den Behälter herum eine Ex-Zone ausgewiesen sein? Frage 2 Im Behälter mit dem Lösemittel liegen Tücher, die zur Reinigung entnommen werden. Mit den Tüchern werden mit Farbe verschmutzte Oberflächen abgewischt. In einem zweiten Schritt wird mit einem normalen, nicht getränkten Lappen nachgewischt. Ist für den Moment, in dem der getränkte Lappen zum Einsatz kommt, für den zu reinigenden Bereich von einer EX-Zone auszugehen? Frage 3 Die benutzen Lappen werden in einem Entsorgungsbehälter aus Stahl gesammelt. Der Behälterdeckel befindet sich dauerhaft und dichtschließend auf dem Behälter. Ist in einem solchen Fall von einer EX-Zone um den Sammelbehälter auszugehen?

Antwort:

Gemäß § 7 Abs. (4) Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) muss der Arbeitgeber nach dem Stand der Technik (§ 2 Abs. (15) GefStoffV) sicherstellen, dass keine Gefährdungen beim Umgang mit Gefahrstoffen gegeben sind.


Dabei hat er folgende Rangfolge zu beachten: 

  1. Gestaltung geeigneter Verfahren und technischer Steuerungseinrichtungen von Verfahren, den Einsatz emissionsfreier oder emissionsarmer Verwendungsformen sowie Verwendung geeigneter Arbeitsmittel und Materialien nach dem Stand der Technik,
  2. Anwendung kollektiver Schutzmaßnahmen technischer Art an der Gefahrenquelle, wie angemessene Be- und Entlüftung, und Anwendung geeigneter organisatorischer Maßnahmen,
  3. sofern eine Gefährdung nicht durch Maßnahmen nach den Nummern 1 und 2 verhütet werden kann, Anwendung von individuellen Schutzmaßnahmen, die auch die Bereitstellung und Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung umfassen.


Gemäß § 7 Abs. (8) hat der Arbeitgeber die Arbeitsplatzgrenzwerte zu ermitteln und nachweislich dokumentiert einzuhalten. Schon deshalb kann es keinen ungelüfteten Bereich als Mischplatz oder Lagerplatz geben. Es wird daher dringend angeraten Mischvorgänge mindestens in einem geeigneten Gefahrstoffarbeitsplatz (Digestor ohne Schieber, aber mit Luftschleiervorhang) vorzunehmen.


Zu Frage 1:

Die passive Lagerung von entzündbaren Flüssigkeiten kann mit Sicherstellung des zweifachem Raumluftwechsels und unter der Voraussetzung der Nutzung von ADR-Behältnissen bei Beachtung der Prüffallhöhe erfolgen. Passivlagerung lässt jedoch nur das fest verschlossene Lagern - ohne Mischen, Umfüllen, Entleeren - zu. Es müssen zudem geeignete Auffanggefäße (Rückhaltevorrichtungen) vorhanden sein. Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Gemische (in Form von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre) und mithin eines explosionsgefährdeten Bereichs (Zone) ist folglich bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Passivlagers nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen.


Zu Frage 2:

Die Bildung eines explosionsgefährdeten Bereiches setzt voraus, dass gefährliche explosionsfähige Atmosphäre gebildet werden kann. Es ist im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung festzustellen, ob durch die Ausdünstungen der im Behälter befindlichen Lappen ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch unter atmosphärischen Bedingungen vorliegt. Ein gefährliches explosionsfähiges Gemisch in Form von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre liegt vor, wenn die Gemischmenge bei Umsetzung in der Nähe der Arbeitsperson besondere Schutzmaßnahmen erforderlich machen. Es ist nach geltender Rechtsauffassung davon auszugehen, dass das bei einem explosionsfähigen Gemisch von 10 Litern oder mehr regelmäßig gegeben ist. Das gilt jedoch erst ab einem Raumvolumen von 100 Kubikmetern. Für kleinere Räume gelten bereits ein Zehntausendstel des Raumvolumens als gefahrdrohende Menge gefährlicher Atmosphäre.


Es wird hier angeraten, anhand der Dampfdrucke der zum Einsatz kommenden entzündbaren Flüssigkeiten über die jeweiligen Verdunstungskoeffizienten konservativ die Verdunstungsmengen für eine Abschätzung rechnerisch zu ermitteln.


Zu Frage 3:

Zur Ermittlung potenzieller Gefährdungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zur Bildung gefährlicher explosionsfähiger Gemische (Atmosphäre) verwiesen.


Hinweis: AGW liegen um Zehnerpotenzen unterhalb von zugehörigen Explosionsgrenzen. Das bedeutet, dass die Einhaltung der AGW nach dem Stand der Technik zugleich auch stets eine Maßnahme zur Verhinderung der Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre darstellt (Primärschutzmaßnahme), die andere Schutzmaßnahmen zum Explosionsschutz obsolet werden lässt.