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Gibt es die Möglichkeit, dass ein und dasselbe Produkt je nach Einsatz beim Kunden einmal per Definition eine auswechselbare Ausrüstung (mit CE) und einmal etwas anderes (ohne CE) ist?

KomNet Dialog 43634

Stand: 08.02.2022

Kategorie: Sichere Produkte > Rechts- und Auslegungsfragen (2.) > Sonstige Rechts- und Auslegungsfragen zum Inverkehrbringen

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Frage:

Gibt es die Möglichkeit, dass ein und dasselbe Produkt je nach Einsatz beim Kunden einmal per Definition eine auswechselbare Ausrüstung (mit CE) und einmal etwas anderes (ohne CE) ist? Hintergrund: Wir stellen ein Produkt her, welches auf die Definition einer auswechselbaren Ausrüstung passt: - kann ohne mehrere Funktionen der Grundmaschine nichts. - nach Inbetriebnahme der Grundmaschine wird unser Produkt vom Nicht-Hersteller-Endkunden (B2B) an diese angebaut. - Grundmaschine hat normalerweise ähnliche Funktionen, welche durch unser Produkt erweitert werden. Nun könnte das Produkt unverändert an einen Hersteller (unser Kunde) verkauft werden, welcher nur die notwendigen Funktionen der Grundmaschine einfacher aus mehreren einzelnen Teilen zusammenbaut. In diesem Fall ist es so, dass dieser Nachbau der Grundmaschine für sich genommen keine bestimmte Funktionen ausführen kann. Erst wenn alle diese Teile, inklusive der Notwendigkeit unseres Produktes, zusammenarbeiten, arbeiten sie an der bestimmungsgemäßen Verwendung und damit an einer vollständig anderen Funktion als jedes Teil für sich kann. Damit entfallen vermutlich zwei oben genannte Punkte, denn die "Grundmaschine" wird nicht vorher in Betrieb genommen, da ihre bestimmungsgemäße Verwendung vorher nicht erreicht wird. (Funktion wird durch unser Produkt nicht nur "erweitert" und vermutlich auch mehr als einfach "geändert"). Unser Produkt selbst wird aber wiederum nicht verändert, ebenso hält sich der unser Kunde an unsere bestimmungsgemäße Verwendung (eventuell bis auf den Teil, dass es als auswechselbare Ausrüstung definiert ist). Praktisch muss man dazu sagen, dass unser Kunde wohl nicht sagen muss, was er vor hat. Wenn wir dann aber einen CE-gekennzeichnete auswechselbare Ausrüstung in eine Anwendung verkaufen, die nicht der Definition einer auswechselbaren Ausrüstung entspricht, bleibt sie dann dennoch eine auswechselbare Ausrüstung? In dem Falle, dass unerwartet die Antwort auf diese letzte Frage "nein" ist, wie könnte man das zum Beispiel sauber in der Dokumentation umsetzen, das Produkt sinnvoll manchmal mit manchmal ohne CE zu verkaufen, obwohl die Konformitätsprozesse schon abgeschlossen sind und man die notwendigen Informationen nicht einfordern kann? Sie haben laut meiner Recherche bei anderen Dialogen schon auf die Klärung mit der Marktaufsichtsbehörde verwiesen. Mir geht es erst einmal hier allerdings eher um die Frage, ob ein Produkt überhaupt die (normalerweise recht klare) Einordnung (zum Beispiel von auswechselbarer Ausrüstung zu unvollständiger Maschine oder Komponente) ändern könnte, wenn es selbst unverändert ist, aber sich die Umstände ändern.

Antwort:

Da in der Fragestellung eindeutig definiert wurde, dass das zu verkaufende Produkt als auswechselbare Ausrüstung anzusehen ist, sind die Verantwortlichkeiten der jeweiligen Akteure besonders wichtig:


1. Pflichten als Hersteller einer auswechselbare Ausrüstung

Wenn das hergestellte Produkt der Definition „auswechselbare Ausrüstung“ entspricht, dann ist die 9. ProdSV bzw. die RL 2006/42/EG eindeutig und formuliert die konkreten Anforderungen – u. a. eine CE-Kennzeichnung, EG-Konformitätserklärung und Betriebsanleitung. Sind diese erfüllt, dann ist das Inverkehrbringen zulässig.

Die anschließende Verwendung des Produktes, d. h. der auswechselbare Ausrüstung, ist nicht Bestandteil der Produktsicherheit und somit auch nicht mehr im Verantwortungsbereich des Herstellers.


2. Pflichten des Käufers – Variante 1 („Grundmaschine“ mit CE)

Der Käufer/ Verwender des Produktes verwendet die auswechselbare Ausrüstung so, wie bzw. wofür das Produkt in den Verkehr gebracht wurde. Die „Grundmaschine“ ist bereits eine in den Verkehr gebrachte oder in Betrieb genommene Maschine.

Die Verwendung durch den Käufer ist nicht Bestandteil der Produktsicherheit, jedoch Bestandteil des Arbeitsschutzregelwerkes. Hier ist § 5 Abs. 3 der BetrSichV wichtig:

„Der Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen. Zu diesen Rechtsvorschriften gehören neben den Vorschriften dieser Verordnung insbesondere Rechtsvorschriften, mit denen Gemeinschaftsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt wurden und die für die Arbeitsmittel zum Zeitpunkt des Bereitstellens auf dem Markt gelten. Arbeitsmittel, die der Arbeitgeber für eigene Zwecke selbst hergestellt hat, müssen den grundlegenden Sicherheitsanforderungen der anzuwendenden Gemeinschaftsrichtlinien entsprechen. Den formalen Anforderungen dieser Richtlinien brauchen sie nicht zu entsprechen, es sei denn, es ist in der jeweiligen Richtlinie ausdrücklich anders bestimmt.“

Einfach zusammengefasst: Wenn die „Grundmaschine“ hier rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurde, dann darf diese Maschine von AN verwendet werden.

Im nächsten Schritt, dürfte dann die auswechselbare Ausrüstung an der „Grundmaschine“ angebracht und betrieben werden.


3. Pflichten des Käufers / Verwenders /Betreibers – Variante 2 („Grundmaschine“ ohne CE)

Die beschriebene Konstellation ist, dass der Käufer die „Grundmaschine“ aus mehreren Teilen selber zusammenbaut. Diese „Grundmaschine“ habe jedoch keine bestimmte Funktion. Demnach handelt es sich bei der „Grundmaschine“ (noch) nicht um eine Maschine nach der 9. ProdSV.

Wenn die „Grundmaschine“ nun zusammen mit der auswechselbare Ausrüstung „erstmalig“ als Maschine anzusehen ist, dann muss der Hersteller dieser Maschine die 9. ProdSV vollständig einhalten. Selbst wenn die Maschine nicht in den Verkehr gebracht, sondern „nur“ als Eigenmaschine (für die Verwendung durch Beschäftigte im eigenen Unternehmen) verwendet würde, so gilt dennoch die 9. ProdSV, da es dann hier zu der Inbetriebnahme kommen würde.

Der Betreiber wird damit zum Hersteller einer Maschine. Die auswechselbare Ausrüstung wäre hier Bestandteil der Maschine. Der Hersteller hat u. a. im Rahmen seiner Risikobeurteilung zu ermitteln, ob bzw. wie die ursprünglich als auswechselbare Ausrüstung in den Verkehr gebrachte Konstruktion ein Bestandteil der Maschine werden kann.