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KomNet-Wissensdatenbank

Müssen Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte Motoremissionen ausgesetzt sind, in das Expositionsverzeichnis aufgenommen und dokumentiert werden?

KomNet Dialog 43553

Stand: 28.06.2021

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Gefährdungen durch Gefahrstoffe > Gefährdungen durch Rauche und Motoremissionen

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Frage:

Muss die folgende Tätigkeit als krebserzeugend, entsprechen TRGS 906, eingestuft werden? Ein Mitarbeiter reinigt mit einer Industriekehrmaschine ohne Fahrerkabine vor Schichtbeginn eine 4.000 qm große Verladehalle. In der Halle werden mehrere LKWs über Nacht untergestellt. Während der MA die Halle reinigen muss, starten die LKW ihre kalten Motoren und laufen mehrere Minuten bis die Druckluftanlagen aufgefüllt sind. Danach fahren die Fahrzeuge aus der sichtbar verrußten Halle. Der MA ist ca. 1 h täglich der Luftverschmutzung ausgesetzt und bekommt auch jedes Mal gesundheitliche Probleme. Gefährdungsbeurteilung liegt wahrscheinlich keine vor. Muss diese Tätigkeit in das Expositionsverzeichnis aufgenommen und dokumentiert werden? Das wurde zumindest durch den AG ignoriert. Laut TRGS 554 ist diese Tätigkeit nur mit organisatorischen Maßnahmen zulässig, wie Absaugung. Die Lüftung der Halle erfolgt durch das Öffnen von zwei gegenüberliegenden Toren, also nur natürlich. Während der Reinigung waren die Tore überwiegend geschlossen und der MA war den Dieselabgasen aufs extremste ausgesetzt. Wir denken Dieselruß ca. 0,30 mg/m³ und Stickoxide ca. 40,00 mg/m³ am Arbeitsplatz. Nach mehreren Jahren dieser Arbeit sagt AG, das war keine krebserzeugende Tätigkeit, deshalb keine Dokumentation im Expositionsverzeichnis. Wir sind einer anderen Meinung und der AG möchte seine Schuld nicht eingestehen. Heute erfolgt eine andere zeitliche Organisation der Arbeit, dadurch keine Belastung des MA durch Abgase. Wer hat recht?

Antwort:

Abgase von Dieselmotoren sind ein komplexes Gemisch gasförmiger und partikelförmiger Substanzen. Insbesondere sind dies Dieselrußpartikel, Kohlenstoffmonoxid (CO), Kohlenstoffdioxid (CO2), Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2). Die Zusammensetzung der Abgase ist auch abhängig von Motortyp, Kraftstoff und Betriebsweise (z. B. Lastzustand, Wartungszustand, Fahrverhalten). Bei Verwendung von Abgasnachbehandlungssystemen können weitere Emissionen auftreten wie z. B. Kohlenwasserstoffe, Ammoniak, Distickstoffmonoxid. Dieselmotoren werden in einer Vielzahl von Maschinen und Fahrzeugen (z. B. in Flurförderzeugen) eingesetzt. In der Umgebung dieser Maschinen ist daher immer mit Dieselmotoremissionen (DME) zu rechnen.

Bei der Verwendung dieselbetriebener Fahrzeuge in ganz oder teilweise geschlossenen Arbeitsbereichen (z. B. Verladehallen und Abstellbereichen) reichern sich DME an und führen zu einer besonders hohen Gefährdung.

Das Auffüllen von Druckluftbremsanlagen abgestellter Fahrzeuge vor der Ausfahrt darf nur durch ein externes Druckluftversorgungssystem oder bei laufendem Motor mit Abgasabsaugung erfolgen (siehe TRGS 554, Anhang I, Nr. 4).

In ganz oder teilweise geschlossenen Abstellbereichen sind insbesondere die beim Starten und Ausfahren entstehenden Abgase von Dieselmotoren so abzuführen, dass keine Personen durch sie gefährdet werden. Dazu sind die Abgase von Dieselmotoren grundsätzlich am Abgasaustritt zu erfassen. Eine Gefährdung von Personen ist nicht anzunehmen, wenn Fahrzeuge unmittelbar nach dem Starten ausfahren und sich im Abstellbereich bei Ein- und Ausfahrt keine Personen aufhalten. Nach der Ausfahrt und bei der Einfahrt muss der Abstellbereich ausreichend belüftet werden (siehe TRGS 554, Anhang I, Nr. 6).

In der TRGS 906 "Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV" sind im Verzeichnis unter Ziffer 2 DME aufgeführt. D. h. DME sind krebserzeugende Gefahrstoffe. Beim Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen sind grundsätzlich Maßnahmen entsprechend des § 10 "Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A und 1B" einschließlich der Allgemeinen und Zusätzlichen Schutzmaßnahmen gemäß Abschnitt 4 "Schutzmaßnahmen" der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) zu treffen.

Wird der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für Dieselrußpartikel eingehalten, so sind im Allgemeinen keine akuten oder chronischen Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten zu erwarten. Damit liegt bei Einhaltung des AGW für Dieselrußpartikel keine krebserzeugende Tätigkeit nach TRGS 906 vor (TRGS 554, Nr. 3.2). Für Kohlenstoffmonoxid jedoch kann eine fruchtschädigende Wirkung auch bei Konzentrationen unterhalb des AGW nicht ausgeschlossen werden (siehe Bemerkung „Z“ in der TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“).

Der Arbeitgeber hat vor Aufnahme der Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und diese zu dokumentieren (§6, Abs. 8, GefStoffV). Fehlen dem Arbeitgeber relevante Informationen, so hat dieser die notwendigen Informationen beim Lieferanten zu erfragen. Ist dies nicht möglich, so hat der Arbeitgeber die notwendigen Informationen aus ihm mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Quellen zu beschaffen (§6, Abs. 2, GefStoffV).

Dabei sind mindestens zu berücksichtigen:

1.   Höhe und Dauer der inhalativen Exposition,

2.   Arbeitsbedingungen und Verfahren einschließlich Arbeitsmittel, die Abgase von Dieselmotoren freisetzen,

3.   mögliche Gefährdungen Dritter,

4.   erforderliche Schutzmaßnahmen und

5.   Festlegung zur Wirksamkeitsprüfung der getroffenen Schutzmaßnahmen (TRGS 554, Nr. 3).

Die Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) für Gefahrstoffe in Abgasen von Dieselmotoren sind einzuhalten (siehe TRGS 900):

Dieselrußpartikel (als EC): 0,05 mg/m3 A (alveolengängige Fraktion)

Kohlenstoffmonoxid (CO): 35 mg/m3 (fruchtschädigende Wirkung selbst bei Einhaltung des AGW nicht ausgeschlossen!)

Kohlenstoffdioxid (CO2): 9100 mg/m3

Stickstoffmonoxid (NO): 2,5 mg/m3

Stickstoffdioxid (NO2): 0,95 mg/m3

Bei Überschreitung des AGW für Dieselrußpartikel (oder nicht ausreichenden Informationen über die Höhe einer möglichen Exposition) ist ein Verzeichnis der exponierten Beschäftigten gemäß § 14 Absatz 3 GefStoffV in Verbindung mit Nummer 3 der TRGS 410 „Expositionsverzeichnis bei Gefährdung gegenüber krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B“ zu führen. Es müssen alle Beschäftigten dort aufgeführt werden, die Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen ausführen, bei denen eine Gefährdung der Gesundheit nicht ausgeschlossen werden kann. Das Verzeichnis muss mindestens 40 Jahre nach Ende der Tätigkeit aufbewahrt werden. Bei Ausscheiden eines Beschäftigten ist diesem ein Auszug mit seinen Expositionsdaten mitzugeben. Wenn der Beschäftigte einverstanden ist, kann der Arbeitgeber diese Pflicht auch durch Meldung an die zentrale Expositionsdatenbank (ZED) erfüllen.

Bei Tätigkeiten, bei denen Abgase von Dieselmotoren freigesetzt werden, hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass die Beschäftigten eine allgemeine arbeitsmedizinisch-toxikologische Beratung erhalten (siehe TRGS 554 Nr. 5).

Die Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) entbindet nicht vom Minimierungsgebot der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Das Ziel des Arbeitsschutzes ist es, die Exposition gegenüber Gefahrstoffen so weit wie möglich zu reduzieren bzw. zu eliminieren und nicht nur den AGW einzuhalten. Auch in der TRGS 554 wird unter Nr. 3.1 Abs. 3 darauf hingewiesen, dass "auch bei Unterschreitung des AGW für Dieselmotoremissionen die Exposition gegenüber anderen Gefahrstoffen z.B. Kohlenmonoxid zu ermitteln [ist]. Weitergehende Maßnahmen gemäß dem Minimierungsgebot der Gefahrstoffverordnung sind anzustreben."

Erst wenn die in der TRGS 554 aufgeführten Maßnahmen umgesetzt werden, besteht Vermutungswirkung. D. h. werden die Regelungen und Maßnahmen dieser TRGS eingehalten, kann davon ausgegangen werden, dass die in der GefStoffV gestellten Anforderungen hinsichtlich der Sicherstellung von Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei Tätigkeiten in Arbeitsbereichen, in denen Abgase von Dieselmotoren freigesetzt werden, grundsätzlich erfüllt sind. 

 

Bei Missständen sollten Beschäftigte zunächst mit Ihrem Arbeitgeber, ihrem Vorgesetzten oder der Mitarbeitervertretung sprechen. Reagiert der Arbeitgeber nicht angemessen können Beschwerden oder konkrete Hinweise auf Arbeitsschutzmängel der zuständigen Arbeitsschutzbehörde gemeldet werden.

In NRW z. B. kann dies online: https://www.mags.nrw/ansprechpartner-und-beratung-zum-arbeitsschutz-nrw oder Telefonisch: 0211 855 3311 erfolgen.

 

Zusammenfassung

Eine Gefährdungsbeurteilung muss vom Arbeitgeber vor Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt werden.

Das Auffüllen der Druckluftanlagen der LKW innerhalb der Verladehalle darf nur durch ein externes Druckluftsystem oder bei laufendem Motor mit Abgasabsaugeinrichtung erfolgen.

Die Einhaltung des gesundheitsbasierten AGW für Dieselrußpartikel von 0,05 mg/m3 (EC) schützt vor der Entstehung chronisch-entzündlicher Prozesse im Lungengewebe und unterbindet eine Abfolge, die letztlich in einem manifesten Tumor münden könnte.

Wird der AGW für Dieselrußpartikel überschritten oder liegen keine Informationen über die Expositionshöhe vor, sind die exponierten Beschäftigten in einem Expositionsverzeichnis zu führen.

 

Weiterführende Hinweise und Hilfestellungen

Datenblatt zu Dieselmotoremissionen (DME) der BG RCI und BGHM:

https://www.gischem.de/suche/dokument.htm?client_session_Dokument=1899&bx_ix_textblocksuche=4

Hinweise zur Anwendung der TRGS 554:

https://www.dguv.de/medien/ifa/de/pub/grl/pdf/2019_086.pdf

Arbeitsschutzverwaltung Nordrhein-Westfalen

https://www.mags.nrw/ansprechpartner-und-beratung-zum-arbeitsschutz-nrw

Arbeitsschutzbehörden der Länder

https://lasi-info.com/ueber-den-lasi/arbeitsschutzbehoerden-der-laender