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Ist trotz der Nichtbetrachtung im Mutterschutzgesetz die Stoffliste der Richtlinie 92/85/EWG bei der Betrachtung einer unverantwortbaren Gefährdung noch zu berücksichtigen?

KomNet Dialog 42537

Stand: 12.12.2018

Kategorie: Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Werdende und stillende Mütter > Gefährdungen für werdende / stillende Mütter

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Frage:

In der Neufassung des Mutterschutzgesetzes, das seit dem 01.01.2018 gültig ist, finden sich unter § 11 Absatz 1 Nr. 1 nicht mehr konkret jene Gefahrstoffe, die im Anhang 1 der Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) erwähnt sind (insbesondere "gefährliche chemische Agenzien, die nachweislich in die Haut eindringen"). Ist trotz der Nichtbetrachtung im MuSchG die Stoffliste der Richtlinie 92/85/EWG bei der Betrachtung einer unverantwortbaren Gefährdung noch immer zu berücksichtigen?

Antwort:

Im Rahmen der allgemeinen arbeitsschutzrechtlichen Beurteilung der Arbeitsbedingungen hat jeder Arbeitgeber

/jede Arbeitgeberin die Gefährdungen für alle Beschäftigten zu ermitteln und geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen. Auch andere Rechtsvorschriften (z. B. Gefahrstoffverordnung oder Biostoffverordnung) verlangen eine Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes vor Aufnahme der Beschäftigung.

Im Rahmen der mutterschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung in Verbindung mit der des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bereits vor Eintritt eines Schwangerschaftsfalls die Gefährdungen, denen eine schwangere oder stillende Frau oder deren Kind ausgesetzt ist oder sein kann, zu prüfen und die erforderlichen mutterschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen zu ermitteln. Das heißt, dass vom Arbeitgeber / von der Arbeitgeberin zu ermitteln ist, welchen zusätzlichen Schutzmaßnahmen (zu den bereits für alle Beschäftigten festgelegten Schutzmaßnahmen) für schwangere oder stillende Frauen getroffen werden müssen.

 

Nach § 11 Abs. 1 Mutterschutzgesetz darf ein Arbeitgeber eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Im weiteren Gesetzestext heißt es:

 

„Eine unverantwortbare Gefährdung […] liegt insbesondere vor, wenn die schwangere Frau Tätigkeiten ausübt oder Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist oder sein kann:

1.    […]

a)    als reproduktionstoxisch […]

b)    als keimzellmutagen […]

c)    als karzinogen […]

d)    als zielorgantoxisch […]

e)    als akut toxisch […]

2.    Blei und Bleiderivaten […]

3.    Gefahrstoffen, die als Stoffen ausgewiesen sind, die auch bei Einhaltung der arbeitsplatzbezogenen Vorgaben möglicherweise zu einer Fruchtschädigung führen können.

 

Eine unverantwortbare Gefährdung […] gilt insbesondere als ausgeschlossen,

1.    wenn

a)    für den Gefahrstoff die arbeitsplatzbezogenen Vorgaben eingehalten werden […]

b)    der Gefahrstoff nach den Kriterien des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 nicht als reproduktionstoxisch nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation zu bewerten ist.“

 

Da es sich bei dieser Regelung um beispielhafte Konkretisierungen handelt („insbesondere“), ist damit die Möglichkeit eines quantitativen Gefährdungsausschlusses nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr hat der Arbeitgeber über die beispielhaften Konkretisierungen hinaus ggf. weitere Möglichkeiten für einen Gefährdungsausschluss jeweils nach dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu berücksichtigen.