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Wie sind in der TRGS 900 die Angaben zum Überschreitungsfaktor (hier zu Chlorethylen) zu interpretieren?

KomNet Dialog 42441

Stand: 26.09.2018

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Zulässige Belastungen > Grenzwerte

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Frage:

In der TRGS 900 ist in der Stoffliste bei Chlorethylen (Vinylchlorid) in der Spalte "Spitzenbegrenzung" kein Überschreitungsfaktor definiert. Im Kapitel 2.3 "Kurzzeitwerte und Überschreitungsfaktoren" dieser TRGS 900 steht im Absatz (3): "Der maximale Überschreitungsfaktor beträgt 8". Wie ist das zu interpretieren? Einerseits ist bei Chlorethylen (Vinylchlorid) kein Überschreitungsfaktor angegeben, andererseits erlaubt Kapitel 2.3 einen maximalen Überschreitungsfaktor von 8. Kann ich dann bei Chlorethylen (Vinylchlorid) mit diesem maximalen Überschreitungsfaktor 8 arbeiten und z. B. ein Raumluftüberwachungssytem danach ausrichten?

Antwort:

Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) gemäß § 2, Absatz 6 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist die Konzentration eines Stoffes, bei der im Allgemeinen akute oder chronische Gesundheitsschäden nicht zu erwarten sind. Es handelt sich bei Arbeitsplatzgrenzwerten um Mittelwerte, die sich auf eine achtstündige Exposition an fünf Arbeitstagen pro Woche während der Lebensarbeitszeit beziehen (vgl. Punkt 1, Abschn. 2, TRGS 900). Diese vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) veröffentlichten Grenzwerte sind gesundheitsbasiert. Zur Festsetzung dieser Werte wird also ausschließlich die mögliche Gefährdung der Gesundheit von Beschäftigten berücksichtigt.

Bei dem Grenzwert für Vinylchlorid (Chlorethylen) handelt es sich um einen EU-Grenzwert, der aufgrund der Richtlinie 2017/2398/EU formal in der TRGS 900 auf nationaler Ebene umgesetzt wurde. Dieser Grenzwert stellt einen von der EU vorgegebenen Mindeststandard dar und ist nicht ausschließlich gesundheitsbasiert abgeleitet, da auf EU-Ebene in die Grenzwertfindung bspw. auch sozioökonomische Faktoren miteinfließen. Die Information zur Herkunft dieses Wertes erhalten Sie aus der Anmerkung 28 im Eintrag für Vinylchlorid (sh. Abschn. 3, TRGS 900). Zusätzlich enthält der Eintrag die Anmerkung 29, in welcher darauf hingewiesen wird, dass der Stoff sich auf der Bearbeitungsliste des AGS zur Ableitung einer Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) gemäß TRGS 910 befindet. Denn laut Anhang VI, Tabelle 3.1 der CLP-VO handelt es sich bei Vinylchlorid um einen unter anderem als krebserzeugend Kategorie 1A (nachweislich beim Menschen krebserzeugend) harmonisiert eingestuften Stoff. Der Bezug hierzu wird durch die Anmerkung "X" in der TRGS 900 mit dem Verweis auf den § 2, Abs.3, Nr. 4, sowie den § 10 der GefStoffV hergestellt. In § 10 werden die Pflichten des Arbeitgebers für Tätigkeiten mit krebserzeugenden, reproduktionstoxischen und keimzellmutagenen Stoffen der Kategorie 1A und 1B beschrieben.

Somit handelt es sich bei dem Grenzwert für Vinylchlorid nicht um einen vom AGS festgelegten AGW im Sinne der Gefahrstoffverordnung. Der Überschreitungsfaktor findet hier also keine Anwendung. Der Überschreitungsfaktor (ÜF) stellt laut TRGS 900 eine Ergänzung zum jeweiligen AGW eines Stoffes dar, wenn eine Begrenzung der Schwankungen in der Expositionshöhe nach oben hin notwendig ist.

Dort wo in der TRGS Überschreitungsfaktoren angegeben sind, sind diese entsprechend der TRGS zu beachten. Ist kein ÜF angegeben, so ist der Schichtmittelwert über einen definierten Zeitraum einzuhalten.