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Gelten beim Edelstahlschweißen die Grenzwerte der TRGS 528 "Schweißtechnische Arbeiten" (Stand 2009) oder die in der TRGS 561 (Stand 2017) und TRGS 910 (Stand 2018) aufgeführten Grenzwerte für Chrom VI und Nickel?

KomNet Dialog 42320

Stand: 27.06.2018

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Zulässige Belastungen > Grenzwerte

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Frage:

Ein Unternehmen schweißt Edelstähle, wobei die Schweißrauche Chrom VI und Nickel enthalten. Es stellt sich die Frage, welche AGW eingehalten werden müssen. Gelten die Grenzwerte der TRGS 528 "Schweißtechnische Arbeiten" (Stand 2009) oder die in der TRGS 561 (Stand 2017) und TRGS 910 (Stand 2018) aufgeführten Grenzwerte für Chrom VI und Nickel? In der TRGS 561 wird explizit darauf hingewiesen, dass diese TRGS nicht für Tätigkeiten der schweißtechnischen Praxis wie Schweißen an metallischen Werkstoffen, bei denen gas- und partikelförmige Gefahrstoffe entstehen können gilt. Es wird diesbzgl. auf die TRGS 528 verwiesen (s. Nr. 1 Abs. 7 TRGS 561). Der TRGS 910 sind keine Verweise auf die TRGS 528 zu entnehmen.

Antwort:

Das Problem, das hier gesehen wird, beruht offensichtlich in erster Linie auf einer Vermischung unterschiedlicher Regelungswerte in verschiedenen TRGSen und ihrer (fälschlicherweise) einheitlichen Auslegung als "Grenzwerte" im Sinne von Werten, "die rechtsverbindlich einzuhalten und nicht zu überschreiten sind". Tatsächlich aber sind die in der TRGS 528 und der TRGS 910 genannten und als "Grenzwerte" interpretierten Werte für Chrom(VI) und Nickelverbindungen unterschiedliche Angaben mit unterschiedlichen Bedeutungen.


Richtig ist, dass TRGS 561 nicht anzuwenden ist, da im Anwendungsbereich die Tätigkeiten der Schweißarbeiten explizit ausgeschlossen sind. Somit gelten TRGS 528 und TRGS 910 nebeneinander. Wie kann es nun sein, dass dort unterschiedliche "Regelungswerte" angegeben werden und wie ist das zu interpretieren?


TRGS 528

In Tabelle 2 wird angegeben, wo die nach unten erreichbaren Expositionskonzentrationen nach dem Stand der Technik (des Jahres 2009) bei den aufgelisteten Schweißmethoden und Stoffen jeweils liegen. Für Chrom(VI) sind dies <10-30 µg/m3 (entspricht 0,01-0,03 mg/m3) und für Nickel <10-50 µg/m3 (entspricht 0,01-0,05 mg/m3) - Die im Anschreiben erwähnten "1 mg/m3 entspr. 1000 µg/m3" können von hier aus nicht nachvollzogen werden. - Diese Werte sind keine "Arbeitsplatzgrenzwerte" im Sinne eines AGW gemäß TRGS 900 oder Risikowerte im Sinne einer Akzeptanz- oder Toleranzkonzentration gemäß TRGS 910. Sie beschreiben lediglich die technische Machbarkeit bei einzelnen Schweißverfahren (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung). Da es sich um krebserzeugende Stoffe handelt, kann der Stand der Technik immer nur eine temporäre Grenze nach unten sein, es gilt dem Grunde nach weiter das Minimierungsgebot des § 7 Absatz 4 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).


TRGS 910

Die in Tabelle 1 der Anlage 1 der TRGS 910 aufgeführten Werte sind ebenfalls keine Arbeitsplatzgrenzwerte. Sie sind definierten "akzeptierten" und "tolerierten" Grenzrisiken zugeordnete Stoffkonzentrationen. Je nachdem, in welcher "Kategorie" die betrachtete Expositionssituation ist (Niedriges Risiko unterhalb Akzeptanzkonzentration, "grüner" Bereich - mittleres Risiko zwischen Akzeptanzkonzentration und Toleranzkonzentration, "gelber Bereich" und - hohes Risiko oberhalb Toleranzkonzentration, "roter Bereich"), werden in der TRGS 910 unterschiedliche Schutzmaßnahmenpakete beschrieben.


Eine Überschreitung der dort angegebenen Toleranzkonzentration stellt also nicht unmittelbar und per se eine rechtswidrige Situation dar. Sie löst lediglich unterschiedliche Pflichten im Zusammenhang mit dem Umgang mit dieser Situation aus und zwar entsprechend Tabelle 1 der Nummer 5 TRGS 910 ("Gestuftes Maßnahmenkonzept"). Insbesondere sei für den Bereich hohen Risikos hingewiesen auf die Erstellung eines Maßnahmenplans. Erst die Ignorierung der dort beschriebenen Pflichten und eine Nichteinleitung dort beschriebener oder gleichwertiger Maßnahmen könnten somit als rechtswidrig eingestuft und entsprechend von der zuständigen Aufsichtsbehörde beanstandet werden.


TRGS 910 i.V.m. TRGS 528

Die in der TRGS 528 für Chrom(VI) und Nickel genannten Werte für den Stand der Technik liegen unzweifelhaft im Bereich des hohen Risikos der TRGS 910. Solange die Toleranzkonzentrationen der TRGS 910 nicht unterschritten werden können, sind folglich die Maßnahmen für den Bereich des hohen Risikos zu ergreifen und zu dokumentieren! (vgl. dazu auch Nr. 6.3 Absatz 3 Nummer 2 der TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen")


Selbst wenn der "gelbe" Bereich erreicht würde, gilt weiterhin das Minimierungsgebot, das bedeutet, der Arbeitgeber ist weiterhin verpflichtet, die Situation kontinuierlich zu bewerten und zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, falls sie zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Erst wenn der grüne Bereich erreicht wäre, wären keine weiteren Maßnahmen nötig. (vgl. dazu Nr. 6.7 Absatz 5 Nummer 1 der TRGS 400)


Anmerkung zum Problem der Nachweisgrenze von messtechnischen Ermittlungsverfahren:

Liegt die Nachweisgrenze der geeigneten und zur Verfügung stehenden Probenahme- und Analyseverfahren oberhalb eines zu überwachenden Stoffkonzentrationswertes, ist seine Einhaltung messtechnisch nicht hinreichend belegbar. Die Möglichkeit, die Wirksamkeit weiterer Minderungsmaßnahmen messtechnisch zu überprüfen, entfällt somit. In der Praxis bedeutet das, dass in einem solchen Fall die tatsächlichen Maßnahmen nur auf "Konzentration unter Nachweisgrenze" ausgerichtet sein können. Der Stand der Technik setzt hier also über den analytisch-messtechnischen Bereich praktische Grenzen.


Das alles ist zugegebenermaßen in Teilen unübersichtlich und auch stellenweise recht akademisch. In der Praxis bedeutet das für Sie:


  • Bei Schweißarbeiten, die gemäß der Tabelle 1 der TRGS 528 durchgeführt werden, müssen Sie von einer Exposition im Bereich des Hohen Risikos ausgehen. (Überschreitung der Toleranzkonzentration)
  • Sie müssen mindestens die in der TRGS 528 beschriebenen technischen Schutzmaßnahmen umsetzen.
  • Darüber hinaus müssen Sie sich am Risikobereich III der TRGS 910 orientieren, und die dort aufgeführten Maßnahmen umsetzen.
  • Praktisch endet die Überprüfbarkeit der Wirksamkeit weiterer konkreter Minderungsmaßnahmen an der technischen Nachweisgrenze des jeweiligen anzuwendenden Messverfahrens.
  • Weitere Hilfestellungen für die Gefährdungsbeurteilung und die Bewertung der Angaben in nebeneinander geltenden stoffspezifischen TRGS bietet die TRGS 400 als Gesamtleitfaden.