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Welche Anforderungen/Kriterien müssen Arbeitsplätze für Diabetiker erfüllen und in welchen Berufsgruppen dürfen sie arbeiten?
KomNet Dialog 3416
Stand: 20.07.2022
Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Leistungsgewandelte Arbeitnehmer/innen, (Schwer-) Behinderung
Frage:
Welche Anforderungen/Kriterien müssen Arbeitsplätze für Diabetiker erfüllen? (Gesetze, Richtlinien, Verordnungen) In welchen Berufsgruppen darf ein Diabetiker arbeiten bzw. nicht arbeiten? Welche Einschränkungen oder Maßstäbe müssen vorgenommen/eingehalten werden für den Arbeitsplatz eines Diabetikers?
Antwort:
Eine gute Übersicht bietet der "Leitfaden für Betriebsärzte zu Diabetes und Beruf" der DGUV. Insbesondere das Kapitel 5 "Berufliche Einschränkung" möchten wir hervorheben. Hier lässt sich Folgendes nachlesen:
"Kapitel 5 Berufliche Einschränkungen
Bedingungen, welche die Wahl und Ausübung eines Berufes oder einer Tätigkeit bei Menschen mit Diabetes beeinflussen können, sind durch die Beurteilung der Arbeitsbedingungen (so genannte Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz) zunächst zu analysieren und lassen sich folgendermaßen gliedern.
1. Krankheitsspezifische Risiken, zum Beispiel:
a) Selbst- und Fremdgefährdung durch plötzlich auftretende Unterzuckerungszustände (Hypoglykämien)
b) Auftreten anderer Krankheiten in der Folge des Diabetes (z. B. Retinopathie) oder als Begleiterkrankung (z. B. Schlafapnoe-Syndrom)
2. Tätigkeitsspezifische Risiken, zum Beispiel:
a) Beeinträchtigungen der Planbarkeit des Tagesablaufes und der Selbststeuerung des Stoffwechsels (z. B. just-in-time-Belastung)
b) Berufliche Expositionen, die das Auftreten von akuten oder chronischen Folgen des Diabetes begünstigen (z. B. Taucherarbeiten)
Zu 1a):
Bei der Beratung von Menschen mit Diabetes muss die Hypoglykämieneigung besonders berücksichtigt werden, da eine Hypoglykämie die Leistungsfähigkeit – meist nur für Minuten – vermindern und in seltenen Fällen auch zu einer Beeinträchtigung des Bewusstseins führen kann. Relevante Hypoglykämien sind im beruflichen Alltag eher selten. Die internationale Literatur macht zur Häufigkeit von Hypoglykämien sehr unterschiedliche Angaben. Dies ist durch die uneinheitlichen Definitionen bzw. der unscharfen Abgrenzung zwischen leichter und schwerer Hypoglykämien in den Studien bedingt. Andererseits werden die Hypoglykämien insbesondere bei älteren Menschen mit Diabetes nicht als solche erkannt und anderen Ursachen zugeordnet und somit nicht berichtet. Verlässliche Daten sind bekannt vor allem aus den großen Studien DCCT und UKPDS (DCCT 1993 und UKPDS 1998). Schwere Hypoglykämien sind dadurch definiert, dass eine Fremdhilfe zur Erlangung der Handlungsfähigkeit erforderlich war (Evidenzbasierte Leitlinie der DDG – Therapie des Diabetes mellitus Typ 1, Deutsche Diabetes-Gesellschaft 2007). Weitere Informationen zur Häufigkeit und Bewertung von Hypoglykämien sind im nachfolgenden Abschnitt aufgeführt.
Das Auftreten von Hypoglykämien kann daher bei manchen beruflichen Tätigkeiten andere Menschen oder den Menschen mit Diabetes selbst gefährden. Das Risiko für das Auftreten von schweren Hypoglykämien kann durch Anpassung der Stoffwechseleinstellung und evtl. ein Hypoglykämiewahrnehmungstraining (z. B. BGAT oder Hypos) vermindert werden.
Schwere Hypoglykämien können im Einzelfall eine Gefahr bedeuten bei:
• Überwachungsfunktionen mit besonderer Verantwortung für das Leben anderer (z. B. Operateur)
• Arbeiten an gefährlichen Arbeitsplätzen (z. B. Kampfpilot oder Berufstaucher oder Feuerwehrmann im Angriffstrupp)
Zu 1b):
Durch den Diabetes können Folgeerkrankungen an Augen, Nieren, Nerven sowie Gefäßen des Herzens, Gehirns und der Beine auftreten, die zu Funktionseinschränkungen führen. Sollten derartige Erkrankungen vorliegen, sind sie aufgrund der eingetretenen und der im weiteren Verlauf evtl. zu erwartenden Funktionseinschränkungen zu berücksichtigen. Auch wird man einem Menschen mit Diabetes mit Neigung zu schweren Hypoglykämien oder ketoazidotischen Stoffwechselentgleisungen zu keiner Tätigkeit raten können, die ohne Möglichkeit einer notärztlichen Versorgung erfolgt.
Zu 2a):
Berufe und Tätigkeiten, bei deren Ausübung der Tagesablauf nicht ausreichend vorausplanbar ist, können eine adäquate Behandlung erschweren – etwa durch sehr unregelmäßige Essenszeiten, stark wechselnde körperliche Belastungen oder auch durch die Erschwerung der Stoffwechselselbstkontrolle.
Das Risiko für Hypoglykämien ist bei Berufen größer, deren Arbeitsbedingungen eine jederzeitige Nahrungsaufnahme, z. B. bei Strahler- und Hitzearbeiten durch die vorgeschriebene Schutzkleidung, verhindern.
Dazu zählen auch die Arbeiten unter großem Zeitdruck, wie z. B. bei Rettungseinsätzen oder Paketdienstauslieferungsfahrern. Arbeiten mit Wechselschicht stellen für Menschen mit Diabetes ggf. besondere Anforderungen dar. Für diese Berufe und Tätigkeiten gilt im besonderen Maße, dass eine gute Schulung des Patienten über seine Erkrankung und ihre Behandlung mit täglichen Stoffwechselselbstkontrollen und daraus abgeleiteten Konsequenzen manche der einschränkenden Bedingungen abmildern oder bedeutungslos machen können.
Zu 2b):
Bei Berufen, die mit Exposition von besonderen Klimabedingungen (Hitze- oder Kältearbeitsplatz), von Überdruck (Arbeiten im Überdruck) oder anderen besonderen Belastungen einhergehen, können gesundheitliche
Bedenken bestehen, die im Einzelfall gegen die Aufnahme einer solchen Tätigkeit sprechen können oder entsprechend den Ergebnissen der Beurteilung der Gefährdungen am Arbeitsplatz zusätzliche Schutzmaßnahmen bei Menschen mit Diabetes erforderlich machen."
Hinweis:
Auf die "Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Diabetes" der DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft) möchten wir hinweisen.