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Stellt die Tätigkeit einer Schwangeren mit Patienten, die aufgrund einer Besiedlung mit multiresistenten Erregern MRE (MRSA, ESBL, MRGN) isoliert untergebracht sind, eine unverantwortbare Gefährdung dar?

KomNet Dialog 30886

Stand: 08.01.2018

Kategorie: Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Werdende und stillende Mütter > Gefährdungen für werdende / stillende Mütter

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Frage:

In unserer Intensivstation sollen/müssen Schwangere bei Personalengpässen Patienten betreuen/pflegen, die aufgrund einer Besiedlung mit multiresistenten Erregern MRE (MRSA, ESBL, MRGN) isoliert untergebracht sind. Stellt diese Tätigkeit bereits eine "unverantwortbare Gefährdung" nach dem neuen Mutterschutzgesetz dar oder ist sie (unter bestimmten Voraussetzungen wie geeignete PSA, Hygienemaßnahmen u. ä.) für Schwangere zu verantworten?

Antwort:

MRSA (Methicillin resistenter Staphylococcus aureus)

Die Übertragung erfolgt fast immer durch Kontakt, äußerst selten über Tröpfchen (nur in 10% der Fälle). MRSA lässt sich nicht bei jedem nur erdenklichen Kontakt übertragen, die Übertragung ist bei einmaligem Kontakt unwahrscheinlich. Die Übertragungswahrscheinlichkeit steigt bei häufigem und intensivem Kontakt, oder wenn aufgrund medizinischer Maßnahmen (z.B. endotrachealses Absaugen bei Besiedlung der Lungen) sehr hohe Mengen an MRSA freigesetzt werden. Auch eine Übertragung durch MRSA kontaminierte Oberflächen (Türklinken etc.) ist möglich, MRSA kann in der Umgebung überleben. Hierzu ist jedoch auch wieder ein häufiger, mehrmals täglicher Kontakt notwendig.

Eine MRSA Übertragung führt nicht zwangsläufig zu einer Infektion und auch nicht zwangsläufig zu einer dauerhaften Besiedlung. Die einfache Übertragung von Haut zu Haut reicht nicht aus, um dauerhaft auf der Haut des „Empfängers“ zu bleiben. Eine Besiedlung geschieht bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren, wie z.B.:

  • Direkter und wiederholter Kontakt (Exposition) mit kolonisierten Körperoberflächen des MRSA-Trägers,
  • Übertragung ausreichend vieler MRSA-Bakterien vom einen zum anderen Patienten,
  • Erreichen der Haut/Schleimhaut des Kontaktes,
  • Vermehrung und Durchsetzung auf der Haut der Kontaktperson, Vorliegen von Risikofaktoren bei der Kontaktperson (Antibiotika, Wunden, Katheter etc.).

Da Patienten im Krankenhaus nicht selten mehrere Risikofaktoren besitzen, übertragen sich MRSA unter Patienten im Krankenhaus am einfachsten. Aus diesem Grund sind besondere Schutzmaßnahmen sowie besondere Flächendesinfektionsmaßnahmen notwendig.


Schwangere

Bei gesunden Erwachsenen und damit auch bei 20–30 % der Schwangeren sind MRSA in der Nase, auf der Haut, in der Scheide und im Darm vorhanden. Das Risiko einer nosokomialen Besiedlung mit HA-MRSA ist bei gesunden Schwangeren ohne zusätzliche Risikofaktoren gegenüber der Allgemeinbevölkerung nicht erhöht. Für Schwangere und das ungeborene Kind besteht zunächst keine Gefahr, da die Staphylokokken die Plazentaschranke nicht passieren.

Staphylococcus aureus bzw. MRSA ist in der Schwangerschaft dann gefürchtet, wenn sich der Erreger im Geburtskanal befindet oder wenn der Erreger eine systemische Infektion oder eine schwere Lokalinfektionen verursacht.

Stillende Frauen

Beim Stillen erfolgt ein enger und häufiger Hand- und Hautkontakt zwischen Mutter und Kind, welcher die Erregerübertragung begünstigt. Staphylococcus aureus ist der Haupterreger der Mastitis puerperalis, eine akute Entzündung der weiblichen Brustdrüse, welcher etwa in der 2. bis 4. Woche nach der Geburt auftritt. MRSA-Besiedlungen der Brust bzw. der Brustdrüsengänge der Mutter eines Neugeborenen sind ebenso wie die Übertragung von MRSA auf das Neugeborene in der Literatur beschrieben. Die vertikale Übertragung von MRSA von der Mutter auf ihr Neugeborenes unter der Geburt ist selten. Die Besiedlungsraten von MRSA bei reifen Neugeborenen MRSA-kolonisierter Mütter lagen in den ersten Tagen nach der Geburt zwischen 0,6- 3,6 %.

Mutterschutz

Grundsätzlich muss eine tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung mit Unterstützung durch den Betriebsarzt bzw. die Betriebsärztin durchgeführt werden, um die Tätigkeiten bzw. Arbeitsbedingungen, die eine unverantwortbare Gefährdung darstellen, eruieren zu können. Die Analyse des MRSA-Übertragungs-, Kolonisations- bzw. Infektionsrisikos für jeden Patienten bzw. jede Patientengruppe erfolgt in Bezug auf die durchgeführten medizinischen Maßnahmen und das Risikoprofil der Einrichtung/Abteilung/Funktionseinheit.

Folgende Fragen (nicht abschließend…) helfen bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung:

  1. Wie hoch ist die Prävalenz von MRSA-positiven Patienten?
  2. Werden Patienten mit Risikofaktoren für eine MRSA-Besiedlung versorgt?
  3. Werden Patienten versorgt, die potenziell MRSA vermehrt in die Umgebung abgeben (z. B. Patienten mit Tracheostoma, nicht sicher abdeckbaren MRSA-besiedelten Wunden)?
  4. Werden nicht-kooperationsfähige Patienten mit mangelnder persönlicher Hygiene versorgt?
  5. Liegen bei Patienten disponierende Faktoren für eine MRSA- Kolonisation vor?
  6. Liegen bei den Patienten disponierende Faktoren für eine MRSA-Infektion vor (Immunsuppression, liegende Katheter, offene Wunden, bevorstehende invasive Eingriffe)
  7. wie empfänglich sind die versorgten Patienten für eine von MRSA ausgehende Kolonisation bzw. Infektion (Selektionsdruck/Häufigkeit des Antibiotikaeinsatzes, Defekte der Hautbarriere)?
  8. werden Tätigkeiten durchgeführt und in welcher Intensität (Anzahl / Patienten / Tag), welche die Übertragung von MRSA begünstigen (z.B. Häufigkeit und Intensität von Hand-/Körperkontakten im Rahmen intensiver pflegerischer Versorgung oder gemeinsame Nutzung von Räumen und Therapiegeräten)?

Im Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz - MuSchG) sind in den §§ 11 und 12 unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen sowie für stillende Frauen aufgeführt. Hier heißt es:

Der Arbeitgeber darf eine schwangere / stillende Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie mit Biostoffen der Risikogruppe 2, 3 oder 4 (im Sinne von § 3 Absatz 1 der Biostoffverordnung) in Kontakt kommt oder kommen kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Dies gilt auch, wenn der Kontakt mit Biostoffen im Sinne von Satz 1 oder 2 therapeutische Maßnahmen erforderlich macht oder machen kann, die selbst eine unverantwortbare Gefährdung darstellen.

Die Therapiemöglichkeiten wegen der Antibiotikaresistenz des Erregers sowie schwangerschaftsbedingten Kontraindikationen der geeigneten Antibiotika sind begrenzt. So ist das Glykopeptid-Antibiotikum, Vancomycin, in der Schwangerschaft kontraindiziert. Unter Umständen gibt es keine risikolose Therapiemöglichkeit bei manifesten Erkrankungen der Schwangereren. Wegen der schweren oder unmöglichen Therapierbarkeit der manifesten Erkrankungen bei auftretenden Infektionen bei der Mutter oder auch beim Kind sollte grundsätzlich keine intensive Beschäftigung mit Patienten, die an einer MRSA –Infektion leiden, erfolgen. Patienten mit prädisponierenden Faktoren für eine MRSA Besiedlung / Infektion (z. B. Demenz, Immunsuppression, liegende Katheter, offene Wunden, bevorstehende invasive Eingriffe, …) sollten nicht von Schwangeren intensiv pflegerisch versorgt werden. Die Grundregeln der persönlichen Hygiene, sowie die Empfehlungen vom Robert-Koch-Institut zur Prävention und Kontrolle von MRSA im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen sind zu beachten.


Quellen
Kommission zur Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch Institut: Empfehlung zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus Aureus (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen.
Mitteilung der KRINKO und des RKI: Kommentar zu den „Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA-Stämmen in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen“. Hinweise zu Risikopopulationen für die Kolonisation mit MRSA. Epidemiologisches Bulletin 2008;42:363-4.
Heuck D, Witte W. Maßnahmen zur Verhütung von MRSA-Ubertragungen- eine Empfehlung aus epidemiologischer Sicht. Chemother J 1994;3:61-65.