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Müssen alle Physikkollegen zu Strahlenschutzbeauftragten ernannt werden, damit sie mit Quellen (>10-fache Freigrenze) experimentieren dürfen?

KomNet Dialog 2715

Stand: 15.04.2013

Kategorie: Physikalische Belastungen und Beanspruchungen > Ionisierende Strahlung > Umgang mit radioaktiven Stoffen

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Frage:

Experimente in Schulen bei Überschreitung der Freigrenzen Unsere Schule besitzt zu Unterrichtszwecken: 1. Ra226 3 Mikrogramm = 1,11 *10^5 Bq = 11*Freigrenze(Freigrenze =1*10^4Bq) Bauartzulassung Nr. Nds 10 vom 13.Mai 1965 Phywenummer 09042.01 vom 22.1.1965 Lieferschein 11730357 vom 22.7.1967 2. Ra 226 1,3 Mikrogramm =4,81*10^4 Bq= 4*Freigrenze(Freigrenze =1*10^4Bq) Bauartzulassung BW/8/65/II vom 29.10.1965 Strahlerstift für Nebelkammer NEVA 7105 Phywenummer 09044.20 Lieferschein 11730357 vom 30.6.1967 3. Prüfstrahler Caesium 137 9Mikrocurie = 3,33*10^5 Bq= 33*Freigrenze (Freigrenze =10^4Bq) Graetz 3879-1969 NW 9- 66 vom 1.12.1969 Frage: Müssen alle Physikkollegen zu Strahlenschutzbeauftragten (mit Fachkundenachweis) ernannt werden, damit sie mit diesen Quellen experimentieren dürfen, da die 10fachen Freigrenzen überschritten werden. Dürfen Schüler dabei mitwirken?

Antwort:

Ihre Frage berührt zwei Regelungsbereiche, nämlich die Strahlenschutzverordnung und die "Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht an allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen (RISU-NRW)", Kap. I-6.


Die von Ihnen aufgelisteten Vorrichtungen besitzen Bauartzulassungen nach altem Strahlenschutzrecht. Die früher gültige Strahlenschutzverordnung von 1989 kannte drei Varianten des Umgangs mit radioaktiven Stoffen,

• den sog. genehmigungsbedürftigen Umgang,

• den anzeigebedürftigen Umgang, bei dem auch für eigentlich genehmigungsbedürftige Mengen an radioaktiven Stoffen unter bestimmten Voraussetzungen das Genehmigungsverfahren entbehrlich war, und

• den genehmigungs- und anzeigefreien Umgang.


Von diesen drei Varianten hat das damalige Kultusministerium NRW im o.g. Erlass den genehmigungsbedürftigen Umgang für allgemeinbildende Schulen ausgeschlossen und geregelt, dass nur mit solchen radioaktiven Stoffen umgegangen werden darf,

• die nach der Strahlenschutzverordnung auch im häuslichen Bereich genehmigungs- und anzeigefrei verwendet werden dürfen oder

• mit solchen Vorrichtungen, deren Bauart nach der Strahlenschutzverordnung zugelassen ist (Anlage VI Nr. 3, 4 oder 5 StrlSchV-alt).


Für den Umgang mit den bauartzugelassenen Vorrichtungen sah die Strahlenschutzverordnung die Bestellung von Strahlenschutzbeauftragten vor und schrieb im § 31 Abs. 4 StrlSchV-alt vor, „...dass diese Tätigkeit nur von Lehrern ausgeübt werden (darf), die nach § 29 Abs. 2 zu Strahlenschutzbeauftragten bestellt sind.“ Der o.g. Erlass forderte ergänzend -vermutlich im Interesse möglichst breit angelegter Einsatzmöglichkeit der Lehrkräfte- die Schulleitungen auf, „.. alle Lehrerinnen und Lehrer, die den erforderlichen Fachkundenachweis erbracht haben ... , zu Strahlenschutzbeauftragten zu bestellen“.

Mit der neuen Strahlenschutzverordnung haben sich die Regelungen für die Bauartzulassungen geändert: Es gelten verschärfte Voraussetzungen (u.a.: Aktivität max. 10 x Freigrenze (früher 100 x FG), offene Stoffe nicht mehr zulassungsfähig, Ortsdosisleistung 10 cm von der Oberfläche ≤ 1 µSv/h). Dafür bedarf es dann bei neu zugelassenen Vorrichtungen keiner Strahlenschutzbeauftragten mehr. Ob das Ministerium in der Anpassung des o.g. Erlasses ggfs. aus übergeordneten Gesichtspunkten gleichwohl Strahlenschutzbeauftragte vorschreiben wird, ist hier nicht bekannt.

Für den Umgang mit „altzugelassenen“ Vorrichtungen kennt die neue Strahlenschutzverordnung eine Übergangsregelung (§ 117 Abs. 7 StrlSchV-neu). Danach gelten die alten Bauartzulassungen bis zum Ablauf der Zulassungsfrist fort, und die Vorrichtungen dürfen auch darüber hinaus nach Maßgabe des § 23 StrlSchV-alt weiter verwendet werden.

Für diese Weiterverwendung schreibt die o.g. Übergangsregelung teils die Weitergeltung der alten Vorschriften, teils die sinngemäße Anwendung der neuen Vorschriften vor, woraus sich für die Bestellung der Strahlenschutzbeauftragten Folgendes ergibt:

Nach § 31 Abs. 2 StrlSchV-neu ist die erforderliche Anzahl von Strahlenschutzbeauftragten zu bestellen. Was erforderlich ist, sagt § 31 Abs. 4 StrlSchV-alt, der für den Unterricht in Schulen die Ausübung der Tätigkeit ausschließlich durch strahlenschutzbeauftragte Lehrkräfte vorschreibt. Daraus ergibt sich schließlich, dass -unabhängig vom Vielfachen der Freigrenzen der jeweiligen Vorrichtung- „alle Physikkollegen zu Strahlenschutzbeauftragten ernannt werden, damit sie mit diesen Quellen experimentieren dürfen“. Dass dafür der Fachkundenachweis erforderlich ist, ergibt sich aus § 31 Abs. 3 StrlSchV-neu .

Was die Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern angeht, so muss man die oben bereits zitierte Regelung, „dass diese Tätigkeit nur von Lehrern ausgeübt wird, die ... als Strahlenschutzbeauftragte bestellt sind“, wohl so lesen, dass die Schüler bei Experimenten in der Tat an radioaktive Stoffe nicht Hand anlegen dürfen, sofern es sich um Vorrichtungen mit alten Bauartzulassungen handelt (bei denen es sich ja auch um offene Stoffe handeln kann). Moderater denkt da die neue Verordnung, die im § 45 StrlSchV-neu zu den -unter schärferen Voraussetzungen- neu bauartzugelassenen Vorrichtungen keine Aussage mehr trifft, wohl aber Einschränkungen macht zum genehmigungsbedürftigen Umgang. Auf der sicheren Seite ist man allemal, wenn man beim Aufbau des Experiments das eigentliche Handling der Vorrichtung selbst vornimmt.


Hinweis: In Ihrer Anfrage erwähnen Sie einen Caesiumstrahler. Bitte beachten Sie, dass es sich bei der Bauartzulassung nicht um eine Zulassung für Unterrichtszwecke handelt. Sie dürfen den Strahler daher im Unterricht nicht einsetzen.