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Wir suchen einen süßlich bis vanilleartig riechenden Schadstoff, der in unseren Innenräumen auftritt. Was kann das sein?

KomNet Dialog 2506

Stand: 18.01.2007

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Zulässige Belastungen > Schadstoffermittlung, Messungen

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Frage:

Bei der Suche nach eingesetzten Gefahrstoffen bzw. Schadstoffen im Innenraum haben wir nur den Geruch als Anhaltspunkt. Eine Verwesung von Nagetieren konnte ausgeschlossen werden. Der Geruch ist süßlich und vanilleartig. Betroffene Personen hatten ein Kratzen im Hals, ein Gefühl von Schwindel und Übelkeit bis hin zum leichten Durchfall. Welche Substanzen bzw. Stoffe, Gemische oder Materialien können dies sein? Die Gerüche traten vor und nach einer Raumsanierung auf.

Antwort:

Vorkommen, Entstehung und Eigenschaften von Vanillin:

Der Vanillingeruch wird selbst in sehr hoher Verdünnung wahrgenommen, als Träger dieses Geruchs kommen nach unseren Recherchen allerdings nur wenige, strukturell sehr ähnlich aufgebaute und zu den aromatischen Aldehyden gehörende, organische Verbindungen in Frage. Das Vanillin (3-Methoxy-4-hydroxybenzaldehyd) CAS-Nummer 121-33-5, einer der Hauptgeruchsträger der Vanille, ist ein weit verbreiterter Naturstoff. Vanillin kommt zusammen mit anderen Wirkstoffen, nicht nur in zahlreichen Naturharzen, wie z.B. Perubalsam und Benzoeharz, und Hölzern, wie z.B. Eichen- und Nadelholz, sondern auch in vielen anderen Pflanzen und Pflanzenteilen vor. Zusammen mit dem strukturell ähnlich aufgebauten Ethylvanillin wird Vanillin sehr verbreitet als Aromastoff in der Lebensmittelindustrie sowie als Duftstoff in Parfümölen, Hygieneartikeln und Reinigungsmitteln eingesetzt.

Vanillin kann auch unbeabsichtigt durch chemische Reaktion sowie durch enzymatische und mikrobiologische Zersetzung von Holz, Holzprodukten und Holzabfällen entstehen. Nachgewiesen wurde die Entstehung von Vanillin auch bei der Zersetzung von Rindenmulch aus Koniferen durch Schimmelpilze und andere Mikroorganismen. Manchmal ist der typische Vanillingeruch auch an alten, vergilbten Papieren und Büchern wahrnehmbar.

Reines Vanillin ist eine Substanz von nur geringer Toxizität beim Verschlucken bzw. Einatmen und löst normalerweise auch in unverdünnter Form keine Hautreaktionen, wie z.B. Reizungen und Entzündungen, aus. Sichtbare Hautreaktionen bei Kontakt mit Vanillin wurden lediglich bei Personen beobachtet, die bereits gegen andere Stoffe, wie z.B. Perubalsam, Kolophonium, Benzoeharz, Zimt-, Orangenschalen- und Nelkenöl, sensibilisiert und damit allergieanfällig waren.

Da die Geruchsschwelle von Vanillin sehr niedrig liegt, sind bei dieser geringen Konzentration keine gesundheitlich bedenklichen Wirkungen zu erwarten, seine Funktion als Indikator für möglicherweise vorliegende unerwünschte Vorgänge ist hierbei jedoch zu beachten.

Bewertung der Innenraumbelastungen:

Nach Ziffer 3.6 Lüftung – Abs. 1 im Anhang der neuen Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV vom 12.08.2004 muss „(…) in umschlossenen Arbeitsräumen (…) unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung und der Anzahl der Beschäftigten sowie der sonstigen anwesenden Personen ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein (…)“. Die Beschaffenheit der Luft an Innenraum-Arbeitsplätzen wird in der Arbeitsstättenrichtlinie Lüftung (ASR 5) dahingehend konkretisiert, dass „(...) ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft (...) in Arbeitsräumen dann vorhanden (ist), wenn die Luftqualität im wesentlichen der Außenluftqualität entspricht, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände die Außenluftqualität beeinträchtigen (...)“.

Häufig treten bei Beschäftigten an Innenraum-Arbeitsplätzen, d.h. an Arbeitsplätzen ohne Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, unspezifische gesundheitliche Beeinträchtigungen und Befindlichkeitsstörungen auf, wie z.B. Haut- und Schleimhautreizungen, Atemwegsbeschwerden, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche auf - Sick-Building-Syndrome (SBS), für die chemische Stoffe in der Innenraumluft verantwortlich sein können.

Sick-Building-Syndrome können u.a. durch flüchtige organische Lösemittel (VOC), durch Wirk- und Hilfsstoffe aus Baumaterialien, Möbeln, Tapeten und Bodenbelägen, durch Flammschutzmittel, Weichmacher und Pestizide aus Wohntextilien und Kunststoffen sowie durch partikel- und faserförmige Stäube ausgelöst werden. Infektionen, Allergien und Intoxikationen können jedoch auch durch einen offenen oder verdeckten Befall mit Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen verursacht werden. Chemische Stoffe und Schimmelpilze sind oft auch Träger von Gerüchen, die im Allgemeinen unangenehm, auch ohne gesundheitsschädigende Wirkung belastend sein können und daher Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung erfordern.

Im geschilderten Fall ist der auftretende Geruch anscheinend nicht unangenehm, das möglicherweise vorliegende Vanillin kann jedoch unangenehme Geruchskomponenten, wie z.B. den typischen Schimmelgeruch, sowie den weiterer Luftschadstoffe überdecken. Stoffe mit vanillinartigem Geruch können in natürlichen etherischen Ölen und in Lösemitteln bzw. Lacken zur Oberflächenbehandlung, z.B. von naturbelassenen Möbeln, vorkommen. Vanillin und vanillinartige Stoffe können auch durch chemische oder mikrobiologische Zersetzung von ligninhaltigen Materialien wie z.B. Kork, Holz und Papier entstehen. Das aus der Papierproduktion stammende Abfallprodukt Ligninsulfonsäure wird u.a. als Fließverbesserer für Zement eingesetzt, so dass Ursache des Vanillegeruchs auch verschimmelte Wände oder Estriche sein können. Leider können aus der geschilderten Geruchsqualität und -intensität keine unmittelbaren Rückschlüsse auf Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen gezogen werden, so dass für die angestrebte Qualitätsverbesserung der Arbeitsumgebung eine systematische Suche nach Problemursachen und –lösungen empfohlen wird.

Ansätze zur Problemlösung:

In der Fragestellung wird beschrieben, dass bei den betroffenen Personen Beschwerden auftreten, wie z.B. Kratzen im Hals, Gefühl von Schwindel und Übelkeit und leichter Durchfall. Im Interesse des betrieblichen Arbeitsschutzes sollten daher die Ursachen dieser Beschwerden ermittelt werden, um Abhilfe zu schaffen. Hierzu sollten die Akteure des betrieblichen Arbeitsschutzes, insbesondere der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit, zunächst eine Bestandsaufnahme der Beschwerden und der bisher durchgeführten Maßnahmen unter Einbindung der Betroffenen durchführen.

Die geschilderten Beschwerden sind allerdings unspezifisch und können auch durch andere Ursachen bedingt sein. Z.B. kann Kratzen im Hals auch durch eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit in der Arbeitsräumen verursacht sein Zur Eingrenzung der Problematik und Abklärung der Beschwerden sind daher eine Begehung sowie Einzelgespräche mit den Betroffenen durch den Betriebsarzt sinnvoll. Weiterhin sollten mögliche Ursachen und Emissionsquellen, wie z.B. Gebäudezustand, Raumklima, Materialien, Technik und Mobiliar, eingegrenzt und Abhilfemaßnahmen beraten werden. Außer chemischen und biologischen sollten weitere mögliche Einflussfaktoren für Beschwerden, wie z.B. bauphysikalische und klimatische Bedingungen sowie betriebliche und psychosoziale Faktoren, in die Beratung einbezogen werden.

Nach genauerer Eingrenzung der Problematik, insbesondere unter Beteiligung des Betriebsarztes, können auch gezielte Ermittlungs-, Mess-, Bewertungs- und Sanierungsaufträge an Institutionen vergeben werden, die sich mit der Problematik von Innenraumbelastungen und gebäudebezogenen Beschwerden befassen. Bundesweite Listen von Messinstituten und Beratern über Innenraumluftqualität, Schadstoffmessungen, ökologisches Bauen und Energieeffizienz werden u.a. von der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e.V. (AGÖF; Internet: http://www.agoef.de) im Internet unter http://www.agoef.de/mitglieder/listen_pdf.html zur Verfügung gestellt.

In dieser Problematik kann auch die für den Arbeitsschutz regional zuständige Behörde zu Information und Beratung, ggfls. auch zur Anordnung von Arbeitsschutzmaßnahmen hinzugezogen werden. In Nordrhein-Westfalen finden Sie die Anschriften der zuständigen Arbeitsschutzbehörde unter http://www.arbeitschutz.nrw.de .

Stand: Januar 2007