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Welche Vorgaben gibt es für eine zumutbare Schallbelastung im Büro- und Beratungsbereich, wenn Lautsprecher in Arbeitsräumen installiert werden?

KomNet Dialog 21097

Stand: 18.11.2020

Kategorie: Physikalische Belastungen und Beanspruchungen > Lärm > Gefährdungen, Belastungen (7.3.2)

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Frage:

Ich arbeite an einer großen Schule als Schulsozialarbeiterin. Mein Büro wurde mit einem nicht regelbaren und an der Ausgangsquelle (automatische Pausenzeichen und Mikrophone im Verwaltungsbereich) offensichtlich nicht begrenzten Lautsprecher ausgestattet. Pausenzeichen liegen um 85 db, die (häufigen) Durchsagen subjektiv durchaus noch höher (da sie unerwartet kommen, habe ich wenig Möglichkeiten, sie mit meinem Messgerät abzupassen). Auf meine Proteste hin soll in den Ferien die Anlage nochmal "gewartet und eingestellt" werden, wobei ich aber, aufgrund früherer Erfahrungen, die Befürchtung habe, dass sie lediglich noch weiter hochgefahren wird. Der Besuch eines Sicherheitsbeauftragten vor einigen Jahren brachte von diesem auch nur den lapidaren Kommentar ein, es seien keine Gehörschäden zu befürchten. Welche verbindlichen Vorgaben gibt es für die zumutbare Schallbelastung im Büro- und Beratungsbereich? Gibt es bereits etwas, das mir ermöglicht, das Problem der Konzentrationsstörungen gerade aufgrund der intermittierenden Unterbrechungen anzugehen? Wie kann ich erreichen, dass auch der psychosomatische Teil des Problems Beachtung findet? Da immer wieder auf die angebliche Notwendigkeit der Anlage zu Sicherheitszwecken hingewiesen wird, frage ich mich auch, ob es da vielleicht eine Lücke in den Durchführungsbedingungen solcher Sicherheitssysteme gibt.

Antwort:

Für die Beurteilung des Lärms kommen, entsprechend dem Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG), folgende Rechtsvorschriften zur Anwendung:


Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - LärmVibrationsArbSchV. Die Verordnung gilt zum Schutz der Beschäftigten vor tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Lärm oder Vibrationen bei der Arbeit. Lärm im Sinne dieser Verordnung ist jeder Schall, der zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung der Gesundheit führen kann (§ 2, Abs.1).


Für die Lärmbeurteilung innerhalb einer Arbeitsstätte, besonders für Schallpegel unterhalb von 80 dB(A), ist die Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV) relevant.


"In Arbeitsstätten ist der Schalldruckpegel so niedrig zu halten, wie es nach der Art des Betriebes möglich ist. Der Schalldruckpegel am Arbeitsplatz in Arbeitsräumen ist in Abhängigkeit von der Nutzung und den zu verrichtenden Tätigkeiten so weit zu reduzieren, dass keine Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beschäftigten entstehen." (Ziffer 3.7 Anhang ArbStättV)

Die Lärmbelastung (Geräuschimmission) ist die Summe aller Geräusche, die auf den Beschäftigten bzw. auf die Versicherten einwirken. Dabei werden sämtliche Lärmimmissionen unabhängig von ihrer Quelle innerhalb oder außerhalb des betroffenen Raumes im Gebäude erfasst. Auch Lärmquellen von außerhalb des Gebäudes (z. B. die Lärmemissionen benachbarter Betriebe, Bahnhöfe, Baustellen, Verkehrslärm nahe von Gebäuden durch Straßen, Bahntrassen, etc.) sind zu berücksichtigen (Quelle: Kommentar zur ArbStättV von Opfermann/Streit - Forkel Verlag).


Für die messtechnische Ermittlung von extraauralen Lärmeinwirkungen ist die DIN 45645-2 "Ermittlung des Beurteilungspegels am Arbeitsplatz bei Tätigkeiten unterhalb des Pegelbereiches der Gehörgefährdung" heranzuziehen. Zusätzlich zum äquivalenten Dauerschallpegel können nach der Norm Zuschläge für impulshaltige, tonale oder informationshaltige Geräusche berücksichtigt werden.


Die VDI-Richtlinie 2058 Blatt 3 "Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten" nennt hierzu Grenzbereiche für den Beurteilungspegel unterhalb der unmittelbaren Gefährdungsgrenze. Für eine Beurteilung der Lärmbelastung werden die Tätigkeiten bzw. Arbeitsabläufe in drei Kategorien unterteilt. Die VDI 2058-3 nennt auch entsprechende Praxisbeispiele und weist auf verschiedene Einflussfaktoren des Geräuschempfindens hin.


Demnach darf der A-bewertete Beurteilungspegel höchstens 55 dB(A) betragen, unter Berücksichtigung der in VDI 2058 Blatt 3, Abschnitt 5.1 beispielhaft aufgeführten Tätigkeitsmerkmale. Die Zuordnung der Tätigkeitsmerkmale für diesen Pegel-Bereich ist mindestens durch folgende Anforderungen und Beanspruchungen (aus VDI 2058 Blatt 3) gekennzeichnet:


- hohe Komplexität, schöpferisches Denken, Entscheidungsfindung, Problemlösungen, einwandfreie Sprachverständlichkeit

- hoch angespannte Aufmerksamkeit mit hoher Zuwendung zu einem Arbeitsablauf,

- rasches Überlegen, Entscheiden und Handeln mit meist weitreichenden


Folgen für Menschen und/oder bedeutende Sachwerte,

- unabweisbarem, unter Zwang stehendem Handeln, wenn mehrere Einflüsse gleichzeitig auftreten,

- visueller und akustischer Kommunikation mit hohem Anspruch.


In der DGUV Information 215-410 "Bildschirm und Büroarbeitsplätze" ist unter 8.4.3 Lärm dazu der folgende Hinweis zu entnehmen:

"Der Beurteilungspegel an Büroarbeitsplätzen soll unter Berücksichtigung der von außen einwirkenden Geräusche möglichst niedrig sein. In abhängig von der Tätigkeit soll der Beurteilungspegel höchstens 55 dB(A) betragen."


Arbeitsplätze in einer Arbeitsstätte müssen hinsichtlich der Gestaltung, Ausstattung der Umgebung und der Umgebungseinflüsse der ArbStättV entsprechen.


Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhanges entsprechend so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Dabei hat er den Stand der Technik und insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen (Vergleiche § 3a ArbStättV). Erläuterungen bieten auch die LASI-Leitlinien zur Arbeitsstättenverordnung - LV40.


So führt die Leitlinie Nr. A 1 an, dass die ArbStättV vollständig auf der Ermächtigungsgrundlage des ArbSchG erlassen wurde:

"Somit hat der Arbeitgeber auch bei der Festlegung erforderlicher Maßnahmen des Arbeitsschutzes zum sicheren und gesundheitsgerechten Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten die allgemeinen Grundsätze des § 4 ArbSchG zu berücksichtigen. In § 4 Nr. 3 des Arbeitsschutzgesetzes ist bestimmt, dass bei den Maßnahmen der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind."

Dabei ist insbesondere folgende Verfahrensweise vorgegeben:

Technische Schutzmaßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen Schutzmaßnahmen.


Im Rahmen der Lärmminderung (entsprechend dem Stand der Technik) haben somit geräuscharme Technologien, die Nutzung von Schallschutzmaßnahmen auf dem Übertragungsweg von Luft- und Körperschall und technische Schallschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz bzw. der Arbeitsstätte erste Priorität. Erst wenn technische und organisatorische Maßnahmen nicht reichen, können persönliche Schutzmaßnahmen eingesetzt werden.


Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen auf deren Wirksamkeit hin zu überprüfen und auf Grund geänderter Gegebenheiten anzupassen (§ 3 ArbSchG). Die Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung sind zu dokumentieren (§ 6 ArbSchG).


Für die geschilderte Geräuschsituation bedeutet dies, dass im Rahmen der bauaufsichtlichen Anforderungen an Schulen - SchulBauR - Alarmierungsanlagen, durch die im Gefahrenfall die Räumung der Schule eingeleitet werden kann, erforderlich sind. Es ist jedoch technisch sicherzustellen, dass andere Lärmbelastungen nicht auf den Arbeitsbereich einwirken können.