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Ergeben sich die sicherheitstechnischen Anforderungen an Energieanlagen ausschließlich aus dem Energiewirtschaftsgesetz, so dass ProdSG, 9. ProdSV usw. nicht anwendbar sind?

KomNet Dialog 20383

Stand: 15.09.2021

Kategorie: Sichere Produkte > Rechts- und Auslegungsfragen (2.) > Sonstige Rechts- und Auslegungsfragen zum Inverkehrbringen

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Frage:

Meine Frage betrifft sog. Energieanlagen gem. EnWG, z. B. Gaseinspeisungsanlagen, Flüssiggastankstellen usw.. Solche Energieanlagen zählen gem. § 2 Ziffer 30 ProdSG nicht zu den sog. "überwachungsbedürftigen Anlagen". M.E. folgt daraus aber nicht, dass Energieanlagen vollständig aus dem Anwendungsbereich des ProdSG und den gem. § 8 ProdSG erlassenen Verordnungen, insbesondere der 9. ProdSV (=Maschinenrichtlinie), ausgenommen sind. In Fachkreisen und einschlägigen Verbänden der Energiewirtschaft wird in diesem Zusammenhang aber häufig die Auffassung vertreten, dass sich die sicherheitstechnischen Anforderungen für solche Anlagen ausschließlich aus dem EnWG ergeben, das wiederum zu einer Konformitätsvermutung kommt, wenn das DVGW-Regelwerk eingehalten worden ist. Demnach bliebe kein Anwendungsbereich insbesondere für die 9. ProdSV und die Frage der Rechtskonformität sicherheitstechnisch verketteter Komponenten einer Energieanlage gem. Maschinenrichtlinie u.a. mit den Anforderungen der funktionalen Sicherheit (EN 13849) usw.. Wie beurteilen Sie diese Problematik? Sind das ProdSG und u.a. die 9. ProdSV für Energieanlagen nicht anwendbar? Vielen Dank im voraus für Ihre Einschätzung und beste Grüße!

Antwort:

Zunächst ein wichtiger Hinweis zur Beantwortung der Frage:


Die Ausnahme aus dem Katalog für überwachungsbedürftige Anlagen gem. § 2 Nr. 30 Satz 2 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) bezieht sich ausschließlich auf druckbeaufschlagte Anlagen(-Komponenten) von Energieanlagen im Sinne von § 2 Nr. 30 b), c) d) ProdSG).


Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen etwa bleiben generell (also ausnahmslos) auch weiterhin überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne von § 2 Nr. 30 ProdSG in Verbindung mit § 34 ÜAnlG*).


Energieanlagen sind legaldefiniert Anlagen zur Erzeugung, Speicherung, Fortleitung oder Abgabe von Energie (§ 3 Nr. 15 Energiewirtschaftsgesetz - EnWG).

Das EnWG fordert beim Errichten oder beim Betreiben solcher Anlagen, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Hierbei sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten (§ 49 Abs. 1 EnWG).


Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik kann grundsätzlich vermutet werden, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von

1. Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.,

2. Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V. eingehalten worden sind (§ 49 Abs. 2 EnWG).


Diese freiwillig im Sinne des EU-Rechts herstellerseits anzuwendenden privatrechtlichen technischen Regeln legen aber keine Beschaffenheitsanforderungen für Energieanlagen bei der Herstellung fest.


Sicherheitsmaßstab für die Bereitstellung auf dem Markt ist der "Stand der Technik" für Anlagen, deren Sicherheit von der Errichtung abhängen (§ 2 Abs. (10) Betriebssicherheitsverordnung -BetrSichV-).


Energieanlagen sind grundsätzlich als Produkte auch Maschinen, wenn sie dem Anwendungsbereich der Maschinenverordnung - 9. ProdSV - i. V. m. der Maschinenrichtlinie (RL 2006/42/EG), zuzuordnen sind.


Nach § 3 Abs. 2 der 9. ProdSV haben Hersteller von neuen Maschinen vor dem Inverkehrbringen oder vor der Inbetriebnahme einer Maschine

1. sicherzustellen, dass die Maschine den in Anhang I der Richtlinie 2006/42/EG aufgeführten, für sie geltenden grundlegenden

Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entspricht (hierzu gehört zwingend die Durchführung der Risikobeurteilung nach Anhang I 2006/42/EG, im Sinne der DIN EN ISO 12100:2011, ggf in Verbindung mit DIN EN ISO 13849-1/-2 und DINE ISO 80079-36:2018;


Sie haben

2. sicherzustellen, dass die in Anhang VII Teil A der Richtlinie 2006/42/EG genannten technischen Unterlagen verfügbar sind,

3. insbesondere die erforderlichen Informationen, wie die Betriebsanleitung im Sinne des Anhangs I der Richtlinie 2006/42/EG, zur Verfügung zu stellen,

4. die zutreffenden Konformitätsbewertungsverfahren gemäß § 4 9. ProdSV durchzuführen,

5. die EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang II Teil 1 Abschnitt A der Richtlinie 2006/42/EG auszustellen und sicherzustellen, dass sie der Maschine (dem Produkt) beiliegt und

6. die CE-Kennzeichnung nach § 5 9. ProdSV anzubringen.


Darüber hinaus müssen Sie zu Beginn der Risikobeurteilung prüfen, ob andere rechtsrelevante Herstellervorschriften, wie zum Beispiel die der Druckgeräterichtline, der Niederspannungsrichtlinie, der EMV-Richtlinie, der RoHS-Richtlinie mit den jeweils im Amtsblatt der EU veröffentlichten Normenlisten harmonisierter Normen greifen und entsprechend zu erfüllen sind, um das Produkt verkehrsfähig für den Binnenmarkt der EU auszugestalten.


Sodann ist nach Anwendung eines jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahrens eine entsprechende EU-Konformitätserklärung (DIN EN ISO 17050-1/-2) eigenverantwortlich vom Hersteller auszufertigen und den Benutzern gemeinsam mit der gesamten technischen Dokumentation, für die bestimmungsgemäße Verwendung des Produkts zur Verfügung zu stellen.


Zusätzlich muss der Betreiber im Rahmen seiner Pflichten (Gefährdungsbeurteilung) das Arbeitsmittel (das u. U. in Komponenten auch überwachungsbedürftige Anlage sein kann) durch eine geeignete zur Prüfung befähigte Person vor Inbetriebnahme und später regelmäßig wiederkehrend prüfen lassen. Er hat hierzu die Prüfanlässe, Prüftiefe, Prüfumfang und geeignete Prüfpersonen festzuschreiben.


Die Prüfgrundlage bei druckbeaufschlagten Anlagenkomponenten von Energieanlagen ist dann § 14 BetrSichV. Der Prüfmaßstab ist dann in Verbindung mit Anhang 2 Abschnitt 4 BetrSichV in Verbindung mit TRBS 2141 festgelegt.


Für Ex-Anlagen bleiben diese überwachungsbedürftigen Anlagen(-Komponenten) in §§ 15-17 in Verbindung mit Anhang 2 Abschnitt 3 BetrSichV, da diese überwachungsbedürftige. Anlage bleiben (z. B. Gaswarnanlagen für entzündbare Gefahrstoffe zur Konzentrationsüberwachung als primäre Schutzmaßnahme des Ex-Schutzes.)


*) ACHTUNG: Seit August 2021 gilt das neue Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) Der ehemalige Karol überwachungsbedürftiger Anlagen aus § 2 Nr. 30 ProdSG gilt übergangsweise nach § 34 ÜAnlG bis auf weiteres fort.