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Wie muss eine Prüfung nach der DGUV Vorschrift 3 durchgeführt werden, wenn die elektrische Anlage nicht abgeschaltet werden darf?

KomNet Dialog 18294

Stand: 12.02.2021

Kategorie: Sichere Anlagen / Sicherer Betrieb > Prüfungen (1.13) > Durchführung von Prüfungen

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Frage:

Wie muss eine Prüfung nach DGUV Vorschrift 3 durchgeführt werden, wenn die Elektrische Anlage (Krankenhaus) nicht abgeschaltet werden kann.

Antwort:

Detaillierte Regelungen bezüglich Art und Umfang der bei elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln anzuwendenden Prüfverfahren sind weder in der DGUV Vorschrift 3 nebst Durchführungsanweisung noch in den sonstigen für diesen Bereich anzuwendenden Vorschriften enthalten, sondern in den "Regeln der Technik".


Als allgemein anerkannte "Regeln der Technik" werden üblicherweise die Normen des DIN und des VDE angesehen, welche kostenpflichtig über den Beuth-Verlag bezogen werden können.

Wird eine neue elektrische Anlage vor der Inbetriebnahme erstmalig geprüft, ist DIN VDE 0100-600 anzuwenden, in den Fällen von Widerholungsprüfungen entsprechend DIN VDE 0105-100 (Die Errichternorm für medizinisch genutzte Bereiche ist DIN VDE 0100-710).


Grundsätzlich sehen die Prüfnormen folgende Prüfverfahren vor:


-    Besichtigen (während des Betriebs durchführbar)

-    Messen - Durchgängigkeit der Schutzleiter, der Verbindungen des Hauptpotential­ausgleiches und des zusätzlichen Potentialausgleiches (teilweise während des Betriebs durchführbar. Vorsicht jedoch, wenn der Schutzleiter mit vagabundierenden Ströme beaufschlagt sein sollte!)

-    Nachweis des Isolationswiderstandes der elektrischen Anlage inklusive des Schutzes durch sichere Trennung bei SELV, PELV und Schutztrennung (nicht während des Betriebs durchführbar)

-    Messung der Widerstände von isolierenden Fußböden und isolierenden Wänden (normalerweise während des Betriebes durchführbar)

-    Prüfung von Fehlerstromschutzeinrichtungen (nicht während des Betriebs durchführbar, da diese zur Auslösung gebracht werden)

-    Ermittlung der Schleifenimpedanz (während des Betriebs durchführbar)

-    Ermittlung der Netzimpedanz (während des Betriebs durchführbar)

-    Spannungsmessung (während des Betriebs durchführbar)

-    Bestimmung der Drehfeldrichtung (während des Betriebs durchführbar)

-    Messung des Erdungswiderstandes/Erdübergangswiderstandes

-    Erproben (während des Betriebs durchführbar, sofern keine Einrichtungen zum Abschalten bzw. Trennen betroffen sind)


Abhängig von der Netzform sowie den installierten Schutzeinrichtungen sind jedoch nicht alle aufgeführten Messungen durchzuführen bzw. durchführbar. Zudem kann auch auf bestimmte Messverfahren verzichtet werden, wenn eine geeignete Ersatzmessung angewendet werden kann. Die Frage, ob eine Messung während des Betriebs durchgeführt werden kann, ist auch abhängig von der Art der verwendeten Prüfgeräte und deren angewendeten Mess- bzw. Prüfverfahren.


Nicht in der Norm als Prüfverfahren aufgenommen, jedoch sehr sinnvoll und auch während des Betriebs anwendbar sind Thermografien der elektrischen Anlagen, anhand derer "Hotspots" (z. B. aufgrund übermäßiger Neutralleiterbelastungen oder Übergangswiderstände) leicht ermittelt werden können sowie Netzanalysen, anhand derer Netzrückwirkungen anderer Verbraucher bzw. Erzeuger (z. B. Oberwellen oder Gleichspannungsanteile) festgestellt werden können, die erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit der eigenen elektrischen Anlage sowie der angeschlossenen Verbraucher haben können.


Nach wie vor ermöglicht es die DGUV Vorschrift 3 in der Durchführungsanweisung zu § 5, dass auf die wiederkehrende Prüfung einer elektrischen Anlage dann verzichtet werden kann, wenn sie im Rahmen des Betreibens ständig überwacht wird:

Zitat: "Die Forderungen (nach regelmäßigen Prüfungen) sind für ortsfeste elektrische Anlagen und Betriebsmittel z. B. auch erfüllt, wenn diese von einer Elektrofachkraft ständig überwacht werden.

Ortsfeste elektrische Anlagen und Betriebsmittel gelten als ständig überwacht, wenn sie kontinuierlich

-    von Elektrofachkräften instandgehalten und

-    durch messtechnische Maßnahmen im Rahmen des Betreibens (z. B. Überwachen des Isolationswiderstandes) geprüft

    werden.

Die ständige Überwachung als Ersatz für die Wiederholungsprüfung gilt nicht für die elektrischen Betriebsmittel der Tabellen 1B und 1C."


Die Anwendung dieser Maßnahme wäre für Krankenhäuser insbesondere interessant, da Isolationsüberwachungseinrichtungen zumindest in Teilbereichen schon vorhanden sein müssten. Inzwischen ist diese Technik schon so weit fortgeschritten, dass der Zustand des elektrischen Netzes auch online überwacht werden kann und Störungen auch noch nachträglich ausgewertet werden können. Im Gegensatz zu den stichprobenartigen Kontrollen im Rahmen herkömmlicher Prüfungen kann so jederzeit eine Aussage über den Betriebszustand der betrachteten elektrischen Anlage getroffen werden.


Die meisten Normen und Vorschriften ermöglichen es inzwischen, Art, Umfang und Fristen der Prüfungen selbst festzulegen. Insofern sollte man sich heute von dem herkömmlichen Bild der Prüfungen lösen, in dem Besichtigen, Messen und Prüfen immer "im Dreiklang" zusammen durchgeführt werden. Statt dessen sollte man in Betracht ziehen, dass in vielen Fällen in kürzeren Abständen durchgeführte Sicht- und Funktionsprüfungen (möglichst inklusive Thermographie) mehr Fehler aufdecken als aufwändige und doch nur stichprobenartig ausführbare Messungen.


Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass die DGUV Vorschrift 3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" hinsichtlich der Elektroprüfungen leider nach wie vor häufig allzu pauschal als einzige Rechtsgrundlage genannt wird, obwohl inzwischen auch andere Vorschriften zu beachten sind.


Zunächst ist dabei zu unterscheiden, ob eine elektrische Anlage (also der elektrische Bestandteil einer Gebäudeausstattung) zu prüfen ist oder elektrische Betriebsmittel (also die in ein Gebäude eingebrachten ortsfesten oder ortsveränderlichen Geräte).


Da sich Ihre Fragestellung auf ein Krankenhaus bezieht, ist in NRW für die Prüfung der technischen Gebäudeausstattung (also auch der elektrischen Anlage in diesem Gebäude) die Prüfverordnung NRW (PrüfVO NRW) anzuwenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3)!


Diese sieht nun vor, dass für die Prüfungen der elektrischen Installationen Prüfsachverständige zu beauftragen sind (im Gegensatz zur DGUV Vorschrift 3, die eine Prüfung auch durch Elektrofachkräfte ermöglichte). Neu sind ebenfalls die Prüffristen, in denen diese Prüfungen zu veranlassen sind: Drei Jahre für sicherheitsrelevante Einrichtungen, wie z. B. Notstromanlagen, Sicherheitsbeleuchtung, Entrauchungs- und Alarmierungseinrichtungen etc.) und sechs Jahre für sonstige elektrische Installationen (vgl. PrüfVO NRW § 2 Abs.1).


Hierdurch ergeben sich jedoch Überschneidungen mit der DGUV Vorschrift 3, welche im Abstand von max. vier Jahren Prüfungen durch Elektrofachkräfte fordert (Ein Hinweis zur Lösung dieser Thematik folgt am Ende dieser Antwort).

Letztendlich liegt in diesen Fällen die Entscheidung über Art und Umfang der durchzuführenden Prüfungen jedoch beim Prüfsachverständigen!


Hinsichtlich der in einem Krankenhaus eingebrachten elektrischen Betriebsmittel sind je nach Anwendungszweck neben der DGUV Vorschrift 3 auch die Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) sowie die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zu beachten. Letztere ist nicht nur auf Arbeitsmittel im Allgemeinen, sondern auch auf sogenannte "überwachungsbedürftige Anlagen" (wie z. B. Aufzüge) anzuwenden und gilt als staatliches Recht für den von ihr abgedeckten Anwendungsbereich vorrangig vor der DGUV Vorschrift 3!

Als Prüfnormen für elektrische Arbeitsmittel/elektrische Betriebsmittel sind insbesondere DIN-VDE 0751 (für medizinische Geräte) und DIN VDE 0701-0702 (Elektrogeräte allgemein) zu beachten.


Aufgrund der Komplexität der Thematik empfiehlt es sich, ein abgestimmtes Prüfkonzept für elektrische Anlagen und Betriebsmittel zu entwickeln.

In diesem könnte z. B. geregelt sein, dass

-    Prüfungen im Rahmen des Betreibens weiterhin durch die eigenen Elektrofachkräfte erfolgen können, sofern die Aufzeichnungen dem Prüfsachverständigen vorgelegt werden, der dann über ihre Plausibilität entscheidet (=> vermeidet    ggf. Doppelprüfungen)

-    Sicht- und Funktionsprüfungen als Teilprüfungen im Rahmen des Betreibens mit kürzeren Prüfintervallen als die messtechnischen Prüfungen angewendet werden

-    definierte Meßpunkte für die Anwendung der Differenzstrommessung mittels eines Zangenamperemeters an elektrischen Anlagen und ortsfesten Betriebsmitteln vorgesehen werden (=> ermöglicht Messungen während des normalen Betriebs!)

-    sinnvolle alternative Prüfverfahren angewendet werden (=> Thermographie, Netzanalyse etc.)

-    alternative Messverfahren angewendet werden (z. B. Differenzstrommessung anstelle von Isolationswiderstandsmessung)


DIN VDE 0105-100 führt hinsichtlich eines etablierten (Prüf-)Managementsystems in Abschnitt 5.3.101.0.4 folgendes aus:

"Bei Anlagen, die im normalen Betrieb einem wirksamen Managementsystem für vorbeugende Unterhaltung und Wartung unterliegen, dürfen die wiederkehrenden Prüfungen durch die angemessene Durchführung einer dauernden Überwachung und Wartung der Anlage und all ihrer Betriebsmittel durch Elektrofachkräfte ersetzt werden. Geeignete Nachweise müssen zur Verfügung gehalten werden."


Ein solches Prüfkonzept/Managementsystem sollte mit den eigenen Elektrofachkräften, dem Prüfsachverständigen, der Bauaufsichtsbehörde (zuständig für die Prüfverordnung NRW), dem Unfallversicherungsträger (zuständig für die DGUV Vorschrift 3) sowie ggf. der zuständigen Arbeitsschutzbehörde und dem (Gebäude-) Sachversicherungsträger abgestimmt werden.