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Inwieweit sind wir für die entsprechende Unterweisung von Fremdfirmen zuständig, wenn wir ihnen persönliche Schutzausrüstung ausleihen?
KomNet Dialog 18110
Stand: 14.03.2019
Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen > Arbeitnehmerüberlassung, Fremdfirmeneinsatz
Frage:
Wir benutzen Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA). Die Wartung, Prüfung und Ausgabe der Ausrüstung sowie die Unterweisung der eigenen Mitarbeiter erfolgt durch unsere Sicherheitswerkstatt. Die Mitarbeiter der Sicherheitswerkstatt sind Sachkundige nach BGR 198. Wir geben diese Schutzausrüstung auch an Fremdfirmen gegen Ausleihequittung kostenlos aus, die bei uns arbeiten. Oftmals haben wir den Eindruck, dass diese Fremdfirmenmitarbeiter nicht im Tragen von PSAgA unterwiesen sind. Handeln wir rechtlich angreifbar, wenn wir unsere PSAgA ausgeben? Müssen wir uns vergewissern, ob die Fremdfirmenmitarbeiter unterwiesen sind?
Antwort:
Das Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG - verpflichtet jeden Arbeitgeber auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung (§§ 5, 6 ArbSchG) Gefährdungen zu ermitteln und Maßnahmen festzulegen.
Beim Einsatz von Fremdfirmen obliegen Arbeitsschutzpflichten neben dem Auftragnehmer auch dem Auftraggeber. Das ArbSchG verpflichtet daher unter § 8 die Arbeitgeber zur Zusammenarbeit. Dabei haben die Arbeitgeber sich je nach Art der Tätigkeiten insbesondere gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen (§ 8 Abs. 1 ArbSchG).
Gemäß § 8 Abs. 2 ArbSchG müssen sich die Arbeitgeber vergewissern, dass die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer entsprechende Anweisungen zur Einhaltung von Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren auch erhalten haben. Hierzu zählen auch erforderliche Unterweisungen jeglicher Art.
Gleichzeitig sind Sie zudem verpflichtet, die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften zu erfüllen. Nach § 5 Absatz 3 der DGUV-Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" wird bestimmt, dass "bei der Erteilung von Aufträgen an ein Fremdunternehmen der den Auftrag erteilende Unternehmer den Fremdunternehmer bei der Gefährdungsbeurteilung bezüglich der betriebsspezifischen Gefahren zu unterstützen hat. Der Unternehmer hat ferner sicherzustellen, dass Tätigkeiten mit besonderen Gefahren durch Aufsichtführende überwacht werden, die die Durchführung der festgelegten Schutzmaßnahmen sicherstellen. Der Unternehmer hat ferner mit dem Fremdunternehmen Einvernehmen herzustellen, wer den Aufsichtführenden zu stellen hat."
Erläuternde Regelungen finden sich in der DGUV-Regel 100-001 in den Kapiteln 2.3 bis 2.5 sowie in den Kapiteln 4.12 bis 4.13. Unterweisungen müssen erforderlichenfalls wiederholt werden, mindestens aber einmal jährlich erfolgen.
Ihren Ausführungen entnehmen wir, dass die in § 8 ArbSchG geforderte Abstimmung bei der Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß erfolgte. Hierbei hätte schon festgestellt werden können und müssen, dass die Fremdfirmenmitarbeiter im Umgang mit Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) nicht vertraut sind und demzufolge festgelegt werden müssen, wer die PSAgA stellt und wer somit vor Aufnahme der Tätigkeit die Einweisung der Beschäftigten in die sichere Benutzung der PSAgA vornimmt. In diesem Zusammenhang wird auf die PSA-Benutzungsverordnung - PSA-BV - hingewiesen. Demnach ist für die PSA der Arbeitgeber verantwortlich, der sie zur Verfügung stellt. Er muss auch für den ordnungsgemäßen Zustand während der Benutzungsdauer sorgen und trägt somit die Kosten dieser Maßnahme.
Nach unserem Verständnis Ihrer Ausführungen nehmen Sie (ohne vorherige vertragliche Regelung/Abstimmung) somit die Aufgaben und Pflichten wahr, die eigentlich dem Arbeitgeber der Fremdfirmenmitarbeiter obliegen. Ob Sie damit rechtlich angreifbar sind, können wir nicht beantworten. Diese Fragestellungen müssten Sie in direktem Kontakt mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder einer entsprechend autorisierten Stelle klären.
Hinweise:
Jeder Arbeitgeber hat Fürsorge- sowie Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen und trägt für sein Handeln die Garantenstellung!
Fürsorgepflicht:
Die Fürsorgepflicht beinhaltet die Pflicht eines jeden Arbeitgebers, die Beschäftigten gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Die Fürsorgepflicht entsteht kraft Gesetz mit dem rechtswirksamen Abschluss eines Arbeitsverhältnisses und wird hergeleitet aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (§ 618 BGB), analog dem Handelsgesetzbuch - HGB - (§ 62 HGB) und dem Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG - (§ 3 Abs. 1 ArbSchG).
Verkehrssicherungspflicht:
Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet die Pflicht des Arbeitgebers, eine in seinem Verantwortungsbereich geschaffene Gefahrenquelle soweit zu beseitigen oder zu mindestens die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, damit die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährleistet ist.
Verkehrssicherungspflicht gilt nicht nur für die eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch für fremde Personen (Dritte).
Die §§ 823 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - regeln den Anspruch auf Schadensersatzanforderungen bei Verletzung bestimmter Rechtsgüter.
Die Verkehrssicherungspflicht ist im Gesetz selbst nicht genannt. Sie wird jedoch aus Urteilen der Rechtsprechung zu §§ 823 ff BGB hergeleitet.
Garantenstellung:
Die Garantenstellung beinhaltet die Pflicht des Arbeitgebers zu handeln, um seine Beschäftigten und Dritte vor Gefahren zu schützen.
Dies gilt immer dann, wenn erkennbar ist, dass keine Schutzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen werden oder Unkenntnis bzw. mangelnde Qualifikation bei den Aufsichtsführenden und Beschäftigten vorliegt.
Die Garantenstellung beruht auf einer besonderen Schutzpflicht für bestimmte Rechtsgüter und der Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrenquellen. Sie wird hergeleitet aus dem Strafgesetzbuch - StGB – (§ 13 ff StGB, Begehen durch Unterlassen).
Die Garantenstellung beinhaltet die Möglichkeit der strafrechtlichen Ahndung, wenn ein bestimmtes Tun unterlassen wird.