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Werden besondere Anforderungen an das Abstellen von Kesselwagen gestellt, in denen giftige und umweltbelastende Stoffe transportiert werden?
KomNet Dialog 16380
Stand: 11.04.2019
Kategorie: Sicherer Transport > Beförderung gefährlicher Güter > Gefahrguttransport
Frage:
Uns wird in Kesselwagen der Bahn ein giftiger und umweltbelastender Stoff angeliefert. Die Kesselwagen werdenen irgendwo auf dem Werksgelände "abgestellt". Hierbei wird keine Rücksicht auf die Umgebung und eventuell sich in der Nähe aufhaltende Personen genommen. Auf meine Aufforderung, den Wagen aus dem Zug herauszurangieren und an einem geeigneten Ort, (gesicherter Untergrund, Auffangmöglichkeiten, Zutritt von Personen ist beschränkt) wurde argumentiert, dass es zum einen nicht vorgeschrieben sei und zum zweiten es ein großer Aufwand sei einen einzelnen Wagon aus einerm Zug herauszurangieren und gesondert abzustellen. Wie sieht hier die Rechtslage aus? Fordere ich zuviel?
Antwort:
Betroffen ist hier die Rechtsdefinition „zeitweilige Aufenthalte im Verlauf der Beförderung“ gemäß § 2 „Begriffsbestimmungen“ des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz – GGBefG).
Beförderung im Sinne von § 2 Abs. 2 GGBefG beinhaltet auch „zeitweilige Aufenthalte im Verlauf der Beförderung“. Ein solcher Aufenthalt liegt nach § 2 Abs. 2 GGBefG vor, „wenn dabei gefährliche Güter für den Wechsel der Beförderungsart oder des Beförderungsmittels (Umschlag) oder aus sonstigen transportbedingten Gründen zeitweilig abgestellt werden“.
Den „zeitweiligen Aufenthalten im Verlauf der Beförderung“ können zugeordnet werden
– das Halten und Parken;
– das Abstellen von Fahrzeugen aus Gründen der Überwachung;
– das zeitweilige Abstellen von gefährlichen Gütern für den Wechsel der Beförderungsart.
– das zeitweilige Abstellen gefährlicher Güter für den Wechsel des Beförderungsmittels. Dies kommt z. B. beim Umschlag gefährlicher Güter Landverkehr/Seeverkehr, Landverkehr/Luftverkehr oder Schiene/Straße in Betracht;
– das zeitweilige Abstellen aus sonstigen transportbedingten Gründen; als sonstige transportbedingte Gründe können z. B. das Zusammenstellen und das Trennen von Sammelladungen verstanden werden.
Für den Begriff „zeitweilig“ nennt das Gefahrgutbeförderungsgesetz keine Befristung. Damit wird den unterschiedlichen tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung getragen: Der Umschlag in Häfen, auf Flughäfen und Containerbahnhöfen erfordert Zeit. Anschlüsse zu anderen Verkehrsmitteln sind nicht immer sofort gegeben oder können sich verzögern.
Auch Sonn- und Feiertage, Stärke des Verkehrsaufkommens und der Verkehrsströme sowie zahlreiche andere Faktoren können sich auswirken. Je länger ein zeitweiliger Aufenthalt dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass keine Beförderung mehr vorliegt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang jedoch auf eine Befristung in § 2 Abs. 6 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) für die „Bereitstellung zur Beförderung“: „Lagern ist das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförderung ein, wenn die Beförderung nicht binnen 24 Stunden nach der Bereitstellung oder am darauf folgenden Werktag erfolgt. Ist dieser Werktag ein Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.“
Die hier genannte Frist hat Bedeutung für die Anwendung der Gefahrstoffverordnung, nicht hingegen für die Auslegung des Beförderungsbegriffs in § 2 Abs. 2 GGBefG. Ist sowohl der Begriff des „Lagerns“ erfüllt als auch ein „zeitweiliger Aufenthalt im Verlauf der Beförderung“ gegeben, sind alle einschlägigen Regelungen anzuwenden; d. h., die Vorschriften der verschiedenen Rechtsbereiche stehen nebeneinander und ergänzen sich.
Ein zeitweiliger Aufenthalt im Verlauf der Beförderung muss anhand der Beförderungspapiere belegbar sein. Sind Versand- und Empfangsort nicht ausgewiesen, wird von einer laufenden Beförderung nicht gesprochen werden können. Ein Ende der Beförderung ist anzunehmen, wenn die Sendung nach der Anlieferung nicht entladen wird. Die teilweise Entladung ist gleich zu bewerten wie die Nicht-Entladung.
Versandstücke, Tankcontainer, Tanks und Kesselwagen dürfen während des zeitweiligen Aufenthalts nicht geöffnet werden. Die Öffnung der Umschließung beeinträchtigt die Wirkung der Sicherheitsvorkehrungen mit der Folge, dass die Schutzwirkung des Gefahrgutbeförderungsrechts nicht mehr greift, vielmehr die Vorschriften des Umgangsrechts zu berücksichtigen sind.
Zur Klarstellung ist außerdem darauf hinzuweisen, dass von einem zeitweiligen Aufenthalt im Verlauf der Beförderung dann nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn die Güter ohne weitere Beförderungsbestimmung, z. B. in einem Distributionslager, zwischengelagert werden. Gleiches muss gelten, wenn von vornherein eine Lagerung vorgesehen ist. Auch hier kommt es im Wesentlichen auf den Willen der Beteiligten und die vorhandenen, prüfbaren Unterlagen an.
§ 1 Abs. 2 GGBefG regelt das Verhältnis des Gefahrgutbeförderungsgesetzes zu sonstigen Rechtsvorschriften über gefährliche Güter, die aus anderen Gründen als aus solchen der Sicherheit im Zusammenhang mit der Beförderung erlassen sind.
Es gibt zahlreiche weitere Gesetze und Verordnungen, die gefährliche Güter betreffen, so z. B.
– Atomgesetz,
– Chemikaliengesetz,
– Geräte- und Produktsicherheitsgesetz,
– Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz,
– Sprengstoffgesetz,
– Strafgesetzbuch,
– Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr
– Gefahrstoffverordnung,
– Straßenverkehrs-Ordnung,
– Betriebssicherheitsverordnung,
– Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung.
Der Begriff der Sicherheit ist also weit zu verstehen.