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Warum gibt es für CMR-Stoffe keine Arbeitsplatzgrenzwerte?

KomNet Dialog 13064

Stand: 25.10.2017

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Zulässige Belastungen > Grenzwerte

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Frage:

Warum gibt es gerade für CMR-Stoffe nicht überall einen Arbeitsplatzgrenzwert? Bsp.: 2-(2-Aminoethylamino)ethanol, CAS Nr. 111-41-1, Einstufung: Reproduktionstoxizität, Kategorie 1B; H360Df -> In der TRGS 900 gibt es hierzu keinen Eintrag.

Antwort:

Nach § 7 Absatz 2 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist „(…) der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) (…) der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten sind (…)“. Entsprechend Ziffer 2.1 der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS, www.baua.de/TRGS/) - TRGS 900 zur Anwendung von Arbeitsplatzgrenzwerten dient „(…) das Einhalten der Arbeitsplatzgrenzwerte (…) dem Schutz der Gesundheit von Beschäftigten vor einer Gefährdung durch das Einatmen von Stoffen (…)“.


Bis zum Inkrafttreten der GefStoffV von 2005 waren neben den bereits gesundheitsbasierten Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK) und Biologischen Arbeitsplatztoleranzwerten (BAT), die ebenfalls gesundheitsbasiert definiert waren, auch noch die technischbasierten Technische Richtkonzentrationen (TRK) als Grenzwerte für krebserzeugende und erbgutverändernde Stoffe festgelegt. Seit 2005 jedoch sind als Kriterien für die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen nur noch die gesundheitsbasiert festgelegten Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW, vormals MAK) und Biologischen Grenzwerte (BGW, vormals BAT) zulässig, weil nur in diesem Fall ein sicherer Schutz vor Erkrankungen gegeben ist. Die Einhaltung von lediglich technischbasierten Grenzwerten (vormals TRK) jedoch ist kein zuverlässiges Kriterium dafür, die Beschäftigten vor Erkrankungen zu schützen, d.h. diese Grenzwerte haben keine oder nur unzureichende Schutzwirkung.


Wie in der Bekanntmachung zu Gefahrstoffen (BekGS) 901 beschrieben ist, soll durch Anwendung von verschiedenen Extrapolationsfaktoren eine der AGW-Definition genügende, nicht mehr schädigende Luftkonzentration ermittelt werden. Hieraus folgt, dass zur Ableitung eines AGW eine oder mehrere Studien mit wiederholter Verabreichung, vorzugsweise auf inhalativem Wege, erforderlich sind, in denen ein "No Observed Adverse Effect Level" (NOAEL), d.h. eine Dosis ohne beobachtbare schädigende Wirkung (Wirkungsschwelle) ermittelt wurde. Bisher jedoch ist es noch nicht gelungen, bei einem Stoff mit krebserzeugenden, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdenden Wirkungen (CMR) der Kategorien 1 oder 2 (bisherige EU-Einstufung) bzw. 1A oder 1B (neue EU-GHS-/CLP-Einstufung) eine Dosis zu ermitteln, bei der keine Wirkung beobachtet werden kann. Auch bei einer minimalen Dosis besteht immer noch eine erhebliche Gefährdung der Beschäftigten, so dass kein AGW abgeleitet werden kann. Grundsätzlich ist also eine Nullexposition unter Handhabung des CMR-Stoffes unter striktem technischen Einschluss notwendig.


Ein Beispiel für einen CMR-Stoff, für den bisher keine gesundheitsbezogenen Grenzwerte festgelegt werden konnten, ist der in der Anfrage genannte, zur Herstellung von Additiven, Tensiden und Coatings eingesetzte Stoff 2-(2-Aminoethylamino)ethanol (AEEA), CAS-Nr. 111-41-1, EG-Nr. 203-867-5, Index-Nr. 603-194-00-0 mit der EG-Einstufung Repr.Cat.2; Repr.Cat.3; T; R61-34-43-62 und der GHS/CLP-Einstufung Repr.1B; Hautätz.1B; Hautsens.1 ; H360Fd H362 H314 H317. Mit dem Risikokonzept für krebserzeugende Stoffe hat der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) jedoch ein Konzept erarbeitet, durch das die Festlegung von risikobasierten Grenzwerten für Stoffe ermöglicht werden soll, für die bisher keine gesundheitsbasierten Grenzwerte ermittelt werden konnten.


Auf die weiteren Veröffentlichungen der BAuA zum Thema Risikokonzepte/-akzeptanz weisen wir hin.