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Darf der Arbeitgeber die Verantwortung zur Einhaltung der Arbeitszeiten einseitig dem Arbeitnehmer aufgeben?

KomNet Dialog 12979

Stand: 03.11.2023

Kategorie: Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen > Arbeitszeitberatung und -gestaltung > zulässige Arbeitszeitdauer

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Frage:

Als Außendienstmitarbeiter ist für mich keine bestimmte Arbeitszeit festgelegt, d.h. ich kann diese frei einteilen. Der Arbeitgeber legt jedoch Ort und Zeit der zu besuchenden Kunden fest, ohne auf die evt. Überschreitungen der zulässigen Arbeitszeit gem. Arbeitszeitgesetz zu achten. Stattdessen übergibt er den Mitarbeitern die Aufgabe, die Höchstarbeitszeiten zu beachten und Arbeitszeitnachweise zu führen, die bei Überschreitung entsprechend dem Arbeitszeitgesetz korrigiert werden sollen. Bei Überschreitung wird mit Abmahnung und weiteren Konsequenzen gedroht. Kann der Arbeitgeber die Verantwortung zur Einhaltung der Arbeitszeiten einseitig dem Arbeitnehmer aufdrücken? Meines Wissens kann ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz nur dem Arbeitgeber angelastet werden.

Antwort:

Hinweis:


Der Dialog gibt den aktuellen Gesetzestext des Arbeitszeitgesetz wieder. Jedoch wurde durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21), festgestellt, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Weitere Erläuterungen hierzu können den FAQ des BMAS entnommen werden https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Arbeitnehmerrechte/Arbeitszeitschutz/Fragen-und-Antworten/faq-arbeitszeiterfassung.html

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Zweck des Arbeitszeitgesetzes - ArbZG ist es,


1. die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern sowie

2. den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. (§ 1 ArbZG)


Dazu trifft das ArbZG Regelungen

- zur Arbeitszeit der Arbeitnehmer 

- zu Ruhepausen 

- zur Ruhezeit

- zur Nacht- und Schichtarbeit sowie

- zur Sonn- und Feiertagsruhe.


Grundsätzlich obliegt es dem Arbeitgeber, dass die vom ArbZG zur Arbeitszeitgestaltung vorgegebenen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das wird auch dadurch deutlich, dass die unter § 22 und § 23 ArbZG genannten Bußgeld- und Strafvorschriften sich an den Arbeitgeber richten. 


Der Arbeitgeber kann seine Verantwortung nach dem Arbeitszeitgesetz nur auf Beschäftigte mit Vorgesetztenfunktion schriftlich übertragen, wenn er diese Vorgesetzten oder Führungskräfte wie ein Arbeitgeber mit entsprechenden Mitteln und Kompetenzen, u.a. Weisungsbefugnis, ausstattet. 


Der Arbeitgeber darf also Arbeitnehmern ohne Arbeitgeberpflichten nicht die Verantwortung für das Einhalten der arbeitzeitrechtlichen Vorschriften übertragen.


Auch bei einer Pflichtenübertragung bleibt ein Arbeitgeber in der Pflicht, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und zu überprüfen, dass die Pflichtenübernehmer den ihnen übertragenen Aufgaben nachkommen.


Der Arbeitgeber kann in seiner Verantwortung nur dann entlastet werden, wenn Arbeitnehmer sich entgegen seiner ausdrücklichen Weisung nicht an die Vorschriften halten.

Wenn er aber z.B. Termine und Aufgaben so vorgibt, dass die Arbeitszeitvorschriften nicht eingehalten werden können, bleibt er in der Verantwortung nach dem Arbeitszeitgesetz.


Unzulässig und rechtlich nicht haltbar wäre es, Arbeitnehmern im Außendienst die alleinige Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften aufzuerlegen.


Für die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht aus § 16 Abs. 2 ArbZG ist gegenüber der Aufsichtsbehörde ebenfalls der Arbeitgeber verantwortlich. 

Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Arbeitgeber die Führung der Arbeitszeitnachweise den Arbeitnehmern überträgt, sofern er bzw. die von ihm bestellt verantwortliche Person durch stichprobenartige Kontrollen die Einhaltung der Verpflichtung sicherstellt.


Die Androhung von Abmahnungen und anderer Konsequenzen ist eine arbeitsrechtliche Angelegenheit. Eine Bewertung der Zulässigkeit von arbeitsrechtlichen Maßnahmen muss den Einzelfall betrachten. Zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen können wir keine Beratung anbieten. Eine entsprechende Anfrage sollte direkt an Angehörige der rechtsberatenden Berufe (Fachanwalt für Arbeitsrecht) bzw. entsprechend autorisierte Stellen (z. B. Gewerkschaften, Verbände, etc.) gerichtet werden.