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Muss ein errichtetes Gerüst vor Wiederinbetriebnahme geprüft werden? Wer ist verantwortlich?

KomNet Dialog 12871

Stand: 05.01.2024

Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Baustellen > Gerüste, Absturzsicherungen

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Frage:

Eine Flachdachbaustelle wurde vor Winterbeginn eingerüstet, und das Dachfang- und Arbeitsgerüst war unbenutzt Schnee und Eis ausgesetzt. Im Frühjahr, als der Dachdecker das nicht gesperrte Gerüst betrat, kam es zu einem Unfall wegen eines verfaulten Gerüstbelags. Glücklicherweise ging dieser Unfall glimpflich aus, er war noch nicht einmal meldepflichtig. Bei Verwendung eines Gitterträgers und größerer Absturzhöhe hätte das gleiche Bauteilversagen auch tödlich enden können. Wer trägt die Verantwortung? Welche Verantwortung hat der Bauherr? Er ist ja kein Gerüstfachmann? Hätte der Gerüstbauer vor Winterbeginn das Gerüst sperren müssen und erst nach einer Prüfung wieder freigeben dürfen? Hätte ein SiGeKo auf eine Überprüfung nach besonderen Einflüssen (Winter/Frost/Schnee) aufmerksam machen müssen? Falls es keine "SiGeKo-Baustelle" wäre, welche Verantwortung hat der Unternehmer, der das Gerüst benutzen lässt (In diesem Fall der Dachdecker)? Hätte der Gerüstbauer unaufgefordert eine Prüfung nach besonderen Einflüssen selbständig veranlassen müssen? Hätte der Gerüstbauer das angefaulte Bauteil vorher erkennen können und dies vor Einbau aussondern müssen ? Hat man davon ausgehen können, dass das Gerüstbauteil einen Winter aushält ? So ein hölzerner Belag verfault doch nicht aufgrund eines einzigen Winters.

Antwort:

1. Wer trägt die Verantwortung?

 

Die Frage nach der der Verantwortung ist differenziert zu betrachten:

 

Verantwortlichkeiten des Gerüsterstellers:

 

Der Arbeitgeber, der Gerüste erstellt, ist für den sicheren Auf-, Um- und Abbau sowie deren sichere Lagerung, den sicheren Transport und die Prüfung nach der Montage der Gerüste verantwortlich. Er stellt dem Nutzer/Auftraggeber ein ordnungsgemäßes Gerüst zur Verfügung.

 

Ist das Gerüst fertig montiert, muss der Arbeitgeber, der das Gerüst erstellt hat, dieses auf die ordnungsgemäße Montage und die sichere Funktion prüfen. Die Prüfung darf nur von einer hierzu befähigten Person durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Prüfung sind zu dokumentieren, am besten in Form eines Prüfprotokolls.

 

Nach Fertigstellung und Prüfung ist das Gerüst an gut sichtbarer Stelle zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung hat mindestens Angaben über den Ersteller, die Gerüstbauart, die Last- und Breitenklasse und allgemeine Sicherheitshinweise zu enthalten.

 

Hat sich der Gerüstersteller vom ordnungsgemäßen Zustand des Gerüstes überzeugt, kann er es an den Nutzer übergeben. In der Praxis hat sich bewährt, die Übergabe gemeinsam mit dem Nutzer durchzuführen.

 

Verantwortlichkeiten des Gerüstbenutzers:

 

Jeder Arbeitgeber, der Gerüste oder Teilbereiche benutzen lässt, trägt Verantwortung dafür, dass sich diese in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Er ist verantwortlich für die Sicherheit seiner Beschäftigten und für Beschäftigte, die nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für ihn tätig sind. Jeder Arbeitgeber sollte das Gerüst vor der ersten Benutzung auf dessen sichere Funktion überprüfen.

 

Die Prüfung erfolgt auf Grundlage der vom Gerüstbenutzer erstellten Gefährdungsbeurteilung und des Plans für die Benutzung. Die Prüfung darf nur durch eine hierzu befähigte Person durchgeführt werden.


Die Mindestanforderungen für die Benutzung von Arbeitsmitteln, die für zeitweilige Arbeiten an hoch gelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden, finden sich unter der Nummer 3 des Anhangs 1 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und sind vom Arbeitgeber einzuhalten. 


Zusammenfassung:

 

Der Gerüstersteller ist verantwortlich für die Umsetzung der statischen Anforderungen. Er prüft die ordnungsgemäße Montage anhand der Aufbau- und Verwendungsanleitung des Herstellers, die Standsicherheit, Verankerungen etc.

 

Der Arbeitgeber der Gerüste benutzen lässt prüft die sichere Funktion des Gerüstes d. h. Eignung für den Verwendungszweck, Prüfung der Last-, Breiten- und Höhenklasse für die vorgesehenen Arbeiten und Prüfung auf augenfällige Mängel.

 

Rechtsgrundlage für die Prüfung ist hier der § 14 BetrSichV. Auf die die Prüfung konkretisierende TRBS 2121 Teil 1 "Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz bei der Verwendung von Gerüsten" weisen wir hin.

 

2. Welche Verantwortung hat der Bauherr? Er ist ja kein Gerüstfachmann?

 

Es gehört zu den Pflichten des Bauherren oder seines beauftragten Dritten, die allgemeinen Grundsätze nach § 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bei der Ausschreibung und Vergabe von Gerüstbauarbeiten zu berücksichtigen.

 

Umsetzung der Baustellenverordnung:

Wird das Gerüst von mehreren Arbeitgebern gleichzeitig oder nacheinander benutzt, hat der Koordinator nach Baustellenverordnung (BaustellV) auf mögliche gegenseitige Gefährdungen hinzuweisen und die Arbeiten zu koordinieren.

 

3. Hätte der Gerüstbauer vor Winterbeginn das Gerüst sperren müssen und erst nach einer Prüfung wieder freigeben dürfen?

 

Nein, sofern er seine Pflichten (siehe Antwort 1) erfüllt hat. Hier ist zunächst der Arbeitgeber der das Gerüst nach Winterperiode nutzten lässt verantwortlich. Er muss das Gerüst auf sichere Funktion prüfen.

 

In der Praxis hat sich bewährt, dass der Auftraggeber einen „Wartungsvertrag“ mit dem Gerüstersteller schließt. Vertraglich werden dann regelmäßige Kontrollen durch den Gerüstersteller vereinbart. Insbesondere wenn mehrere Unternehmen das Gerüst benutzen kann die Veranlassung solcher Kontrollen eine sinnvolle Maßnahme im Sinne der Koordination gemäß BaustellV sein.

 

4. Hätte ein SiGeKo auf eine Überprüfung nach besonderen Einflüssen (Winter/Frost/Schnee) aufmerksam machen müssen?

 

Wird das Gerüst von mehreren Arbeitgebern gleichzeitig oder nacheinander benutzt, hat der Koordinator nach Baustellenverordnung auf mögliche gegenseitige Gefährdungen hinzuweisen und die Arbeiten zu koordinieren. Insofern wäre ein Hinweis im SiGe-Plan bzw. im Begehungsprotokoll sinnvoll.

Die Verantwortung des Arbeitgebers der Gerüste benutzen lässt bleibt davon unberührt.

 

5. Hätte der Gerüstbauer unaufgefordert eine Prüfung nach besonderen Einflüssen selbständig veranlassen müssen?

 

Nein, sofern er keine konkreten Hinweise auf Schäden an den Gerüstbauteilen hat oder sonstige vertragliche Verpflichtungen bestehen.

 

6. Hätte der Gerüstbauer das angefaulte Bauteil vorher erkennen können und dies vor Einbau aussondern müssen?

 

Wenn zum Zeitpunkt der Montage bereits eine Vorschädigung eines Gerüstbauteils vorhanden war, die auf mangelhafte Tragfähigkeit schließen lässt, darf dieses Bauteil nicht montiert werden und muss durch ein anderes geeignetes Bauteil ersetzt werden.

 

Beschädigte Bauteile sollten im Verlauf der Montage von den entsprechend geschulten Beschäftigten erkannt und ausgesondert werden.

 

7. Hat man davon ausgehen können, dass das Gerüstbauteil einen Winter aushält? So ein hölzerner Belag verfault doch nicht aufgrund eines einzigen Winters.

 

Sofern die Schädigung/Schwächung bereits äußerlich sichtbar war, kann man sicherlich davon ausgehen, dass das Gerüstbauteil durch Witterungseinflüsse weiter geschwächt wird. Bei der Beurteilung im Einzelfall ist hier insbesondere die Qualifikation und Erfahrung der Gerüstbaumonteure und der befähigten Person gefragt.

 

Weitere Informationen zum gesamten Thema finden Sie unter dem Handlungsschwerpunkt Bauwirtschaft der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und in der DGUV Information 201-011 "Verwendung von Arbeits-, Schutz- und Montagegerüsten".