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Ist das Nichteinhalten des Standes der Technik eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der Arbeitsstättenverordnung?

KomNet Dialog 11796

Stand: 12.07.2017

Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit > Rechts- und Auslegungsfragen, Sonstiges (9.1.11)

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Frage:

Guten Tag, nach der Arbeitsstättenverordnung ist der Betrieb einer Arbeitsstätte eine Ordnungswidrigkeit, sofern dem Stand der Technik entgegengehandelt wird. Aus meiner Praxis habe ich die Erfahrung, dass die Berufsgenossenschaftlichen Regeln, Grundsätze und Informationen (oder im Bereich der BG Chemie die zugehörigen Merkblätter) durch Geschäftsführer nicht als Stand der Technik akzeptiert werden. Insbesondere der Begriff Information wird häufig als nice to have but not need to have angesehen. Diese beinhalten jedoch zumeist die konkretesten Informationen. Gibt es hierzu eine belastbare Aussage (z. B. des BGH oder BSG) was Stand deer Technik ist? Nach meiner Meinung beschreiben die genannten Informationen der BG den Stand der Technik.

Antwort:

Das deutsche Institut für Normung gibt unter www.din.de  eine Erläuterung bezüglich der Rechtsverbindlichkeit von Normen.

Zitat:

"Die Anwendung von DIN-Normen ist grundsätzlich freiwillig. Erst wenn Normen zum Inhalt von Verträgen werden oder wenn der Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt, werden Normen bindend. Daneben helfen sie im Fall einer möglichen Haftung: Wer DIN-Normen – als anerkannte Regeln der Technik – anwendet, kann ein ordnungsgemäßes Verhalten einfacher nachweisen."

Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Arbeitsmedizin und die Arbeitsplatzhygiene. (BAuA - Begriffsglossar zu den Regelwerken der Betriebsicherheitsverordnung, der Biostoffverordnung und der Gefahrstoffverordnung - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin)


Berufsgenossenschaftliche Regeln richten sich in erster Linie an den Unternehmer und sollen ihm Hilfestellung bei der Umsetzung seiner Pflichten aus staatlichen Arbeitsschutzvorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften geben sowie Wege aufzeigen, wie Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden werden können.


Der Unternehmer kann bei Beachtung der in DGUV Regeln enthaltenen Empfehlungen davon ausgehen, dass er die in Unfallverhütungsvorschriften geforderten Schutzziele erreicht. Andere Lösungen sind möglich, wenn Sicherheit und Gesundheitsschutz in gleicher Weise gewährleistet sind. Sind zur Konkretisierung staatlicher Arbeitsschutzvorschriften von den dafür eingerichteten Ausschüssen technische Regeln ermittelt worden, sind diese vorrangig zu beachten (einführende Erläuterungen der DGUV Regel 100-001).

Gleiches gilt grundsätzlich auch für die berufsgenossenschaftlichen Informationen - DGUV Informationen und DGUV Grundsätze.


Unter § 3a Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) "Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten" wird gefordert

:

(1) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Dabei hat er den Stand der Technik und insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Abs. 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der im Satz 2 genannten Regeln und Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in der Verordnung gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber die Regeln und Erkenntnisse nicht an, muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen.

§ 9 ArbStättV Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 25 Absatz 1 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes

handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1. entgegen § 3 Absatz 3 eine Gefährdungsbeurteilung nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert,

2. entgegen § 3a Absatz 1 Satz 1 nicht dafür sorgt, dass eine Arbeitsstätte in der dort vorgeschriebenen Weise eingerichtet ist oder betrieben wird,

Das bedeutet, dass in der betrieblichen Praxis die sich aus dem § 3 Absatz 3 und § 3a Absatz 1 Satz 1 ergebenden Anforderungen stets im Zusammenhang zu sehen sind:

Wendet der Arbeitgeber die Regeln und Erkenntnisse nicht an, muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen.

Dieses muss der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung zu entnehmen sein.


Weicht also der Arbeitgeber offensichtlich vom Stand der Technik ab oder wendet der Arbeitgeber die Regeln und Erkenntnisse nicht an und wird dieses nicht durch entsprechende Ersatzmaßnahmen in der Gefährdungsbeurteilung plausibel begründet, muss der Arbeitgeber mit dem Einleiten eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch die zuständige Aufsichtsbehörde rechnen.