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Gibt es eine Grundanforderung an festes Schuhwerk, welche für alle Beschäftigten gilt?

KomNet Dialog 11412

Stand: 27.06.2019

Kategorie: Sichere Anlagen / Sicherer Betrieb > Persönliche Schutzausrüstung (PSA) / Schutzkleidung > Rechts- und Auslegungsfragen, Sonstiges (1.14.7)

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Frage:

In einer Werkstatt für behinderte Menschen werden in verschiedenen Gruppen handwerkliche Arbeiten bis hin zu Schweiß- und Dreharbeiten, Montage- und Verpackungsarbeiten verrichtet. Gerade in den Sommermonaten kommt es vor, dass das Schuhwerk der Mitarbeiter mangelhaft bis unzureichend ist, d.h. dass u.a. Flip-Flops etc. getragen werden, sowohl von behinderten Mitarbeitern als auch vom Personal der Behindertenwerkstatt. Frage: gibt es Grundanforderungen, die für alle Beschäftigten gelten: z.B. festes, im Zehenbereich geschlossenes Schuhwerk mit Fersenhalt (Riemchen)?

Antwort:

Eine arbeitsschutzrechtliche allgemeingültige Grundanforderung für festes Schuhwerk gibt es nicht. Die Tätigkeit eines Beschäftigten in einem Lager ist im Bezug auf das Schuhwerk, z. B. anders zu bewerten als die Tätigkeit eines Beschäftigten im Büro.


Unabhängig von den nachfolgend genannten Pflichten der Beschäftigten muss der Arbeitgeber mittels Gefährdungsbeurteilung prüfen, in welchem Umfang persönliche Schutzausrüstung wie Fuß- oder Beinschutz den Beschäftigten entsprechend der PSA-Benutzungsverordnung i.V.m. der DGUV Regel 112-191 (bisher: BGR 191) "Benutzung von Fuß- und Knieschutz" zur Verfügung zu stellen ist.


Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet die Beschäftigten, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen (§ 15 ArbSchG). Eine ähnliche Anforderung erhebt auch die DGUV Vorschrift 1 unter § 15 "Allgemeine Unterstützungspflichten und Verhalten":


"Die Versicherten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Unternehmers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie für Sicherheit und Gesundheitsschutz derjenigen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen betroffen sind. Die Versicherten haben die Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu unterstützen. Versicherte haben die entsprechenden Anweisungen des Unternehmers zu befolgen. Die Versicherten dürfen erkennbar gegen Sicherheit und Gesundheit gerichtete Weisungen nicht befolgen."

In der DGUV Regel 100-001 wird dazu unter Abschnitt 3.1.1 ausgeführt:

"Die Verpflichtung zur Eigen- und Fremdvorsorge des Versicherten bildet einen Schwerpunkt der Vorschrift. Der Versicherte hat für seine eigene und für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von seinem Handeln oder Unterlassen bei der Arbeit betroffen sein können. Unterlassen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Versicherte es versäumt, die für die Sicherheit oder Gesundheit notwendigen Handlungen vorzunehmen oder einzuleiten. Betroffene Personen sind vor allem alle Mitarbeiter des Betriebes."

In der bis zum 31.12.2003 geltenden BGV A1 "Allgemeine Vorschriften" wurde unter § 35 "Kleidung, Mitführen von Werkzeugen und Gegenständen, Tragen von Schmuckstücken" u.a. folgendes ausgeführt und erläutert:


"(1) Versicherte dürfen bei der Arbeit nur Kleidung tragen, durch die ein Arbeitsunfall, insbesondere durch sich bewegende Teile von Einrichtungen, durch Hitze, ätzende Stoffe, elektrostatische Aufladung nicht verursacht werden kann.

......

Zur Kleidung gehört auch die Fußbekleidung (Schuhwerk), die ebenso wie die übrige Kleidung den Arbeitsplatzbedingungen zu entsprechen hat.

......

Eine Gefährdung kann auch durch unzweckmäßiges Schuhwerk (wie offene Schuhe, Sandalen, Schuhe mit überdicker Laufsohle) entstehen. Mit dieser Gefährdung ist besonders zu rechnen bei der Betätigung z.B. von Pedalen an Fahrzeugen, Flurförderzeugen, Baugeräten sowie beim Begehen von unebenem Gelände, beim Treppensteigen, beim Besteigen von Leitern und Tritten, beim Besteigen und Verlassen von Fahrzeugen und anderen Arbeitseinrichtungen oder hoch gelegenen Arbeitsplätzen.


Die Ausführungen der alten BGV A1 können zur Interpretation des o.g. § 15 "Allgemeine Unterstützungspflichten und Verhalten" der jetzt gültigen DGUV Vorschrift 1herangezogen werden.



Zusammengefasst bedeutet dieses, dass



1. Der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung abklären muss, ob Sicherheitsschuhe, Schutzschuhe oder Berufsschuhe entsprechend der DGUV Regel 112-191 "Benutzung von Fuß- und Knieschutz" für die Tätigkeit erforderlich ist. 


2.  Sofern kein Fußschutz entsprechend der Gefährdungsbeurteilung und DGUV Regel 112-191 nötig ist, müssen die Beschäftigten dafür Sorge tragen, dass sie bei der Arbeit zweckmäßiges Schuhwerk tragen.


3. Tragen die Beschäftigten entgegen der v.g. Anforderung bei der Arbeit unzweckmäßiges Schuhwerk, muss der Arbeitgeber die Beschäftigten entsprechend § 15 Arbeitsschutzgesetz auffordern, zweckmäßiges Schuhwerk zu tragen. Aus Sicht des Arbeitsschutzes muss der Arbeitgeber im Zweifelsfall unter Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, des Betriebsarztes und nach Möglichkeit auch der Beschäftigten-(Vertretung) entscheiden, ob Schuhwerk unzweckmäßig ist, bzw. welches Schuwerk als für die Tätigkeit zweckmäßig anzusehen ist. 


4. Für die in der Frage beschriebenen Tätigkeiten dürften Flip-Flops als Schuhwerk zumindest in Teilbereichen unzweckmäßig sein. Maßnahmen sind entsprechend der v.g. Punkte 1-3 zu treffen.

Hinweis:

Das berufsgenossenschaftliche Regelwerk wird unter www.dguv.de/publikationen angeboten.