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Gibt es Richtlinien oder Grundsätze, bis wann ein verunfallter Arbeitnehmer durch einen Notarzt erstversogt sein muss und bis wann diese Person geborgen sein soll?

KomNet Dialog 10274

Stand: 20.06.2016

Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Gesundheitsschutz > Erste Hilfe

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Frage:

Es soll ein Kanal/Tunnel (Durchmesser 1600 mm) unterirdisch (horizontal, 20 bis 30 m unter Geländeoberkante) vorgetrieben werden. Dazu werden die Vortriebsarbeiten im Kanal unter Überdruck ausgeführt (Druckluftverordnung, RAB 25 werden berücksichtigt). Aufgrund der Kanallänge (1.200 m) ist bei einem Unfall vor Ort mit Zeiten für eine erste notärztliche Versorgung von 40 min und die Bergung einer verletzten Person aus dem Kanal von 90 min zu rechnen. Gibt es Richtlinien oder Grundsätze, bis wann ein verunfallter Arbeitnehmer durch einen Notarzt erstversogt sein muss und bis wann diese Person geborgen sein soll?

Antwort:

Regelungen dazu, welche Maßnahmen der Ersten Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen vom Arbeitgeber zu treffen sind, sind im § 10 des Arbeitsschutzgesetzes und im Dritten Abschnitt der DGUV Vorschrift 1 - Grundsätze der Prävention sowie in den entsprechenden Abschnitten der DGUV Regel 100-001 festgelegt, . In den v.g. Vorschriften und Regelwerke sind keine konkreten Zeitangaben enthalten, bis wann ein verunfallter Arbeitnehmer durch einen Notarzt erstversogt sein muss und bis wann diese Person geborgen sein soll.

Als Orientierung können u.E. aber die Ausführungen der DGUV Information 204-022 "Erste Hilfe im Betrieb" dienen. Dort heißt es unter Ziffer 4.2.3 "Transport durch den betrieblichen Rettungsdienst" bzw. 4.2.3.1 "Erfordernis" (Auszug):

.

" ... Die durchschnittliche Anfahrtszeit des öffentlichen Rettungsdienstes, d.h. die Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen an der „Haustür“ liegt zwischen 10 und 15 Minuten. Eine Verschlechterung der Überlebenschancen durch längere Wartezeiten darf nicht hingenommen werden. ..."

Üblicherweise wird bei Tunnelbauwerken ein erweiterter Notfallplan bzw. Notfall- und Rettungskonzept durch den Bauherr/die bausführende Firma erstellt. In diesem Konzept werden die Maßnahmen zur Notfallrettung und ärztlichen Versorgung beschrieben. Hierzu sind u.a. Absprachen mit der örtlichen Feuerwehr und dem Rettungsdienst erforderlich. Der Rettungsdienst ist für die notfallmedizinsche Versorgung der Baustelle zuständig (Vergleiche Ziffer 3.1.1. der RAB 25). Der ermächtige Arzt gem. Druckluftverordnung muss während der Arbeits- und Wartezeiten jederzeit erreichbar sein und in angemessener Zeit an der Arbeitsstelle zur Verfügung stehen. Wird der ermächtige Arzt durch einen Bereitschaftarzt vertreten, so muss dieser innerhalb von 30 min. an der Arbeitsstelle zur Verfügung stehen.

Sofern aber Anforderungen hinsichtlich der Ersten Hilfe, Notfallversorgung oder Rettung der Beschäftigten in Tunnelbauwerken nicht sicher gewährleistet werden, müssen im Ergebnis Kompensationsmaßnahmen geschaffen werden. Diese Kompensationsmaßnahmen können sein:

- Einrichtung von Rettungsloren, die den Verunfallten schneller aus dem Tunnelbauwerk auf den Bereitstellungsplatz befördern,

- Einrichten von Rettungscontainern auf der Strecke, in denen Beschäftigte flüchten können; bestückt mit Erste Hilfe-, sowie Rettungsmaterial und Feuerlöscher oder

- Schaffung zusätzliche Notausstiege, die auch das Bergen verletzter Beschäftigter ermöglichen.

Kenntnisse dazu, ob für Vortriebsarbeiten im Kanal- oder Tunnelbau andere oder weitergehende Anforderungen gestellt werden, als die der Druckluftverordnung und der Baustellenregel - RAB 25, liegen hier nicht vor. Wir empfehlen, die Thematik im direkten Kontakt mit der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft zu klären.