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Muss eine Arbeitnehmerin sich vom Betriebsarzt einer Eignungsuntersuchung auf Verlangen des Arbeitgebers unterziehen?

KomNet Dialog 9552

Stand: 08.01.2019

Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Gesundheitsschutz > Eignungsuntersuchungen

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Frage:

Meine Schwiegermutter ist seit vielen Jahren bei einer Reinigungsfirma als Reinigungskraft tätig. Im letzten Jahr hatte sie gehäuft gesundheitsbedingte Fehlzeiten durch Krankenhausaufenthalte mit OP. Nun ist sie wieder gesund und arbeitet wieder. Ihr Arbeitgeber will sie nun vom Betriebsarzt untersuchen lassen im Rahmen einer beruflichen Eignungsuntersuchung. Sie soll eine Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht unterschreiben. Der Arbeitgeber hat eine Frist gesetzt. Muss sie zur Untersuchung? Hat der Arbeitgeber einen Anspruch darauf? Muss sie die den Arzt von der Schweigepflicht entbinden? Wäre eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag rechtens?

Antwort:

Zunächst sollten Sie klären, ob es bei den vom Arbeitgeber Ihrer Schwiegermutter vorgesehenen Maßnahmen um Maßnahmen handelt, die im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagement - BEM - durchgeführt werden sollen.


Rechtsgrundlage für das betriebliche Eingliederungsmanagement ist § 167 Abs. 2 SGB IX:  

"Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen."


Bei dem BEM handelt es sich also um eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers. Die gesetzliche Verpflichtung zum BEM zielt darauf ab, durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis im Einzelfall möglichst dauerhaft zu sichern. Hierbei ist zu sagen, dass Datenschutz und Schweigepflicht (wie z. B. die betriebsärztliche Schweigepflicht) durch das BEM nicht berührt werden. Ihre Schwiegermutter ist nicht verpflichtet eine Schweigepflichtentbindungserklärung zu unterschreiben. Das Anliegen des Arbeitgebers ist auch insofern kritisch zu sehen, da das Vertrauen in den positiven Ansatz des betriebliches Eingliederungsmanagement durch die Forderung nach einer Schweigepflichtentbindung von vornherein ge- bzw. zerstört wird.


Auf den iga.Report 24 "Betriebliches Eingliederungsmanagement in Deutschland" weisen wir hin.


Sollte es sich nicht um ein betriebliches Eingliederungsmanagement, sondern eher um eine Eignungsuntersuchung (vergleichbar einer Einstellungsuntersuchung) handeln, weisen wir auf die diesbezüglichen Informationen unter www.ergo-online.de  hin.


Da hier wesentliche arbeitsrechtliche Belange betroffen sind, empfehlen wir, dass Sie sich in der Angelegenheit direkt von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht bzw. entsprechend autorisierte Stellen (z.B. Gewerkschaft) beraten lassen.