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Muss der Betriebsarzt bei der Anzeige einer Berufskrankheit die persönlichen Daten der Beschäftigten an den Arbeitgeber weiterleiten oder besteht hier die ärztliche Schweigepflicht?
KomNet Dialog 44152
Stand: 15.08.2025
Kategorie: Betriebliches Arbeitsschutzsystem > Beauftragte / Bestellte > Betriebsarzt, Betriebsärztin
Frage:
Ich bin Betriebsärztin und unterstehe der Leiterin EHS. Meine Chefin wünscht nun, dass ich, wenn ich eine Berufskrankheiten-Anzeige stelle, die Person ihr namentlich melde, damit die entsprechenden Angaben der Arbeitssicherheit gemeinsam mit meiner BK-Anzeige versendet werden, mit der Begründung, dass die Berufsgenossenschaft sich ja sowieso an den Arbeitgeber bzw. dann mit Weiterleitung an die Arbeitssicherheit wendet. Ist das korrekt? Ich weiß, dass ich an die Berufsgenossenschaft melden muss, aber habe ich dem Arbeitgeber gegenüber nicht Schweigepflicht? Ich habe erlebt, dass Beschäftigte im Nachhinein keine Meldung durch mich bei der Berufsgenossenschaft wünschten, sondern selbst dort gemeldet haben.
Antwort:
Die ärztliche Schweigepflicht ist sowohl im Strafgesetzbuch (§ 203 StGB) als auch in der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (§ 9 BO) geregelt. Kern der ärztlichen Schweigepflicht ist es, dass die Patientin/ der Patient darauf vertrauen kann, dass ihre/seine Ärztin/ ihr/sein Arzt die ihr/ihm anvertrauten persönlichen, intimen Dinge Dritten nicht weitergibt. Dieses Vertrauen wird durchbrochen, wenn die Ärztin/ der Arzt zur Offenbarung von Patientendaten gegenüber Dritten durch ein Gesetz verpflichtet wird oder ein Gesetz ihr/ ihm dies erlaubt. Die gesetzlichen Übermittlungspflichten und -rechte sind der Patientin/ dem Patienten oft nicht bekannt. Die Ärztin/ der Arzt braucht sie der Patientin/ dem Patienten auch nicht mitzuteilen. Erhalten andere Stellen zulässigerweise Patientendaten von der Ärztin/ vom Arzt, dürfen diese Stellen die Daten nur für den jeweiligen Zweck nutzen, für den sie die Daten erhalten haben.
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), ist die Ärztin/ der Arzt gem. §§ 201- 203 SGB VII gesetzlich verpflichtet, dem Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaft/Unfallkasse) Auskunft zu erteilen.
Die Anzeigepflicht jeder behandelnden Ärztin/jedes behandelnden Arztes oder Zahnärztin/Zahnarztes ist in § 202, SGB VII, festgehalten: "Haben Ärzte oder Zahnärzte den begründeten Verdacht, dass bei Versicherten eine Berufskrankheit besteht, haben sie dies dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle in der für die Anzeige von Berufskrankheiten vorgeschriebenen Form unverzüglich anzuzeigen".
Diese gesetzliche Anzeigepflicht besagt damit auch, dass die anzeigende Ärztin/der anzeigende Arzt gegen den Willen der/des Versicherten die ärztliche Schweigepflicht durchbrechen kann. Dies wird dadurch begründet, dass durch die Anzeigepflicht nicht nur individuelle Interessen der/des Versicherten berücksichtigt werden müssen, sondern zumindest gleichrangig auch Belange des Gemeinwohls Bedeutung haben (Präventionsinteresse der gesetzlichen Unfallversicherung, Mortalitäts- bzw. Morbiditätsrisiken Dritter, Aufklärung der Dunkelziffer bei Berufskrankheiten etc.). In solchen Fällen kann die Ärztin/der Arzt, möglichst im Einvernehmen mit der/ dem Versicherten, eine Anzeige erstatten, aber dem Unfallversicherungsträger parallel dazu mitteilen, dass die/der Versicherte kein BG-Feststellungsverfahren wünscht. Der Unfallversicherungsträger wird die Versicherte/den Versicherten dann über seine Rechtsfolgen und einen möglichen Verlust von Leistungen aufklären. Bleibt die/ der Versicherte bei seinem Entschluss, unterbleibt das Feststellungsverfahren. Die Weitergabe medizinischer Befunde im Feststellungsverfahren durch behandelnde Ärztinnen/Ärzte an die Unfallversicherungsträger ist in § 203, SGB VII geregelt.
Grundsätzlich unterliegt jede Ärztin/jeder Arzt (auch die Betriebsärztin/der Betriebsarzt auch gegenüber dem Arbeitgeber) der ärztlichen Schweigepflicht. Die Ärztin/der Arzt teilt dem Arbeitgeber lediglich die Beurteilungskriterien mit, ob aufgrund der arbeitsmedizinischen Untersuchung nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), gesundheitliche Bedenken in Bezug auf die Tätigkeit der/des Beschäftigten bestehen. Möchten die Beschäftigten nicht, dass diese Basisinformationen an den Arbeitgeber weitergegeben werden, so hat die Ärztin/der Arzt dies zu respektieren. Wenn es sich hierbei um eine vorgeschriebene Untersuchung handelt, so kann die/der Beschäftigte allerdings nicht in dem Arbeitsbereich, auf den sich die Untersuchung bezieht, eingesetzt werden.
Näheres dazu ist im "Leitfaden für Betriebsärzte zu arbeitsmedizinischen Untersuchungen" beschrieben.
Anhand der oben genannten Informationen gehen wir davon aus, dass die Schweigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber auch bei der Meldung von Berufskrankheiten gilt. Da wir jedoch keine Auskunft zu rechtlichen Fragen geben, sollte eine derartige Anfrage direkt an Angehörige der rechtsberatenden Berufe oder an den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, (https://www.ldi.nrw.de/index.php) gerichtet werden.