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Ergibt sich eine Entbindung des Arbeitgebers zur arbeitsmedizinischen Nachsorge beim Umgang mit kanzerogenen Stoffen?

KomNet Dialog 44093

Stand: 13.03.2025

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Allgemeine Fragen zum Gefahrstoffrecht > Rechts- und Auslegungsfragen (5.)

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Frage:

Beschäftigte in der Kampfmittelbeseitigung können mit kanzerogenen Stoffen in Berührung kommen. Art und Ausmaß der Exposition ist aber nicht bekannt. Laut Aussage des ZED besteht keine Verpflichtung und auch keine Möglichkeit zur Aufnahme in ODIN. Dies würde beispielsweise auch für Feuerwehrleute im Fall von Brandrauch gelten. Voraus ergibt sich die Entbindung des Arbeitgebers zur Nachsorge in den Fällen?

Antwort:

Häufig treten arbeitsbedingte Erkrankungen oder Berufskrankheiten erst einige Zeit nach der beruflichen Belastung auf. Krebserzeugende Stoffe führen in der Regel nicht sofort zu Gesundheitsstörungen, sondern in vielen Fällen vergeht eine lange Latenzzeit zwischen Exposition und Manifestation einer Krankheit. Auch Staublungenerkrankungen machen sich häufig erst bemerkbar, lange nachdem die Arbeit eingestellt wurde. Die asbestbedingten Lungenerkrankungen zeichnen sich beispielsweise durch eine sehr lange Latenzzeit aus, die 30 Jahre und mehr betragen kann.

 Nach Beendigung bestimmter Tätigkeiten, bei denen nach längeren Latenzzeiten Gesundheitsstörungen auftreten können, ist nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) eine nachgehende Vorsorge anzubieten.

 Sie wird veranlasst

•         während des Beschäftigungsverhältnisses von den Unternehmen und Einrichtungen,

•         nach Beendigung der gefährdenden Tätigkeit bzw. des Beschäftigungsverhältnisses durch die gesetzliche Unfallversicherung, wenn Arbeitgebende die Verpflichtung übertragen.


 Anlässe für nachgehende Vorsorge gemäß ArbMedVV:

•         Tätigkeiten mit Exposition gegenüber einem Gefahrstoff, sofern

-          der Gefahrstoff ein krebserzeugender oder keimzellmutagener Stoff oder ein Gemisch der Kategorie 1A oder 1B (GHS) im Sinne der Gefahrstoffverordnung ist oder

-          die Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff als krebserzeugende Tätigkeiten oder Verfahren Kategorie 1A oder 1B (GHS) im Sinne der Gefahrstoffverordnung bezeichnet werden

•         Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Blei oder anorganischen Bleiverbindungen

•         Tätigkeiten mit Hochtemperaturwollen nach Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe i des Anhangs zur ArbMedVV


Anlässe für nachgehende Vorsorge können auch Tätigkeiten sein mit:

 •         Exposition gegenüber fibrogenen Stäuben (Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten - Gesundheitsschutz Bergverordnung GesBergV)

•         Exposition gegenüber ionisierender Strahlung (Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen - StrlSchV)

Gemäß TRGS 906 gehören auch Tätigkeiten, bei denen die betreffenden Arbeitnehmer polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ausgesetzt sind, die in Steinkohlenruß, Steinkohlenteer oder Steinkohlenpech vorhanden sind – bzw. Tätigkeiten, bei denen die betreffenden Arbeitnehmer Staub, Rauch oder Nebel beim Rösten oder bei der elektrolytischen Raffination von Nickelmatte ausgesetzt sind zu den krebserregenden Tätigkeiten.

 

Auch Tätigkeiten als Feuerwehreinsatzkraft sind als krebserregend eingestuft. Einsatzkräfte haben Kontakt zu kanzerogenen Stoffen. Daher kann grundsätzlich ein individuell erhöhtes Krebsrisiko durch die Brandbekämpfung nicht ausgeschlossen werden. Korrekt angelegte persönliche Schutzausrüstungen, bedarfsgerechtes Tragen von Atemschutz sowie umfassende Hygienemaßnahmen nach dem Brandeinsatz sind Voraussetzungen dafür, dass Belastungen mit Gefahrstoffen niedrig bleiben. In besonderen Situationen kann es bei Feuerwehreinsatzkräften vereinzelt auch zu einer kurzzeitig erhöhten Aufnahme von krebserzeugenden PAK kommen.

 

Die Pflicht zum Angebot der nachgehenden Vorsorge besteht bei jedem der genannten Anlässe. Hier gibt es keine geringe Gefährdung. Hier reicht schon eine "über das ubiquitär vorhandene Ausmaß hinausgehende" Exposition gegenüber einem krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Stoff der Kategorie 1A und 1B, um eine nachgehende Vorsorge auszulösen.

Die in der Arbeitsmedizinischen Regel (AMR) 11.1 unter Ziffer 3.2 aufgeführten "Ausnahmen von Pflicht- bzw. Angebotsvorsorgen (Abschneidekriterien)" gelten nicht für die nachgehende Vorsorge. Unter Ziffer 1. Absatz 6 wird darauf hingewiesen: "Nicht Bestandteil dieser AMR sind Regelungen zur nachgehenden Vorsorge nach Anhang Teil 1 Abs. 3 ArbMedVV."

Nach Anhang ArbMedVV Teil 1 Abs. 4 „Abweichungen“ muss Vorsorge nach den Absätzen 1 bis 3 nicht veranlasst oder angeboten werden, wenn und soweit die auf der Grundlage von § 9 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 ermittelten und nach § 9 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln etwas anderes bestimmen.

Eine AMR 11.2, die sich mit den Abweichungen nach Anhang Teil 1 Abs. 4 ArbMedVV bei Anlässen für die nachgehende Vorsorge befasst, ist in Bearbeitung.

Während des Beschäftigungsverhältnisses ist die Arbeitsmedizinische Vorsorge von den Arbeitgebern anzubieten. Bei Beschäftigungsende können Arbeitgeber ihre Verpflichtung zum Angebot der sogenannten nachgehenden Vorsorge jedoch auf den zuständigen Unfallversicherungsträger übertragen.

Zuständig für ZED und ODIN ist die DGUV, bei Fragen zu den Voraussetzungen für die Meldungen bzw. Nutzung der Funktionen wird empfohlen, sich direkt an die Verantwortlichen zu wenden (Kontakt).

  

Weitere Hinweise

 

FAQ – Was sind Anlässe für die nachgehende Vorsorge? 

DGUV – Nachgehende Vorsorge 

ODIN – Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen 

ODIN – Nachgehende Vorsorgeuntersuchung 

UK NRW – sichere Feuerwehr