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Sind Nebenfluchtwege zulässig, die nur über die Leitern der Feuerwehr in Freie führen, oder gilt diese Option als nicht selbständig nutzbar?

KomNet Dialog 43724

Stand: 11.11.2022

Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit > Verlauf, Abmessung und Anzahl von Fluchtwegen

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Frage:

Nebenfluchtwege nach ASR 2.3 " Fluchtwege und Notausgänge" "sind zusätzliche Fluchtwege, die ebenfalls ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen" (ASR 2.3 Kap. 3.1). Als Anforderung wird u.a. gestellt, dass Nebenfluchtwege selbstständig begangen werden können. Sind Nebenfluchtwege zulässig, die nur über die Leitern der Feuerwehr in Freie führen, oder gilt diese Option als nicht selbständig nutzbar?

Antwort:

Grundsätzlich sind hier zwei verschiedene Rechtsbereiche zu betrachten, zum einen das Baurecht der Länder und zum anderen die Vorgaben aus dem Arbeitsschutzrecht. Zu Fragen des Baurechts bieten wir keine Beratung an. Hierzu wenden Sie sich bitte direkt an die zuständige Baubehörde und/oder den vorbeugenden Brandschutz der Feuerwehr.


Aus dem Arbeitsschutzrecht gilt Folgendes:

Anforderungen an Fluchtwege finden sich in § 4 (4) Besondere Anforderungen an das Betreiben von Arbeitsstätten der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und unter der Nummer 2.3 des Anhangs der ArbStättV.

Nach Nummer 2.3 Absatz 1 Buchstabe b) des Anhangs der ArbStättV müssen Fluchtwege auf möglichst kurzem Weg ins Freie oder, falls dies nicht möglich ist, in einen gesicherten Bereich führen.


Konkretisiert werden die Anforderungen der ArbStättV durch die ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge".

Unter dem Abschnitt 3 finden sich dort u. a. folgende Begriffsbestimmungen:

"3.1 Fluchtwege sind Verkehrswege, an die besondere Anforderungen zu stellen sind und die der selbstständigen Flucht aus einem möglichen Gefahrenbereich und in der Regel zugleich der Rettung von Personen dienen.

Der Fluchtweg beginnt an allen Orten in der Arbeitsstätte, zu denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben oder sich bei der Nutzung von Neben-, Sanitär-, Kantinen-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften aufhalten.

Außentreppen, begehbare Dachflächen oder offene Gänge können Teil eines Fluchtweges sein.


Hinweis:

Fluchtwege im Sinne dieser Regel sind auch die im Bauordnungsrecht definierten Rettungswege, sofern sie selbstständig begangen werden können.


Fluchtwege werden unterschieden in Haupt- und Nebenfluchtwege:

1. Hauptfluchtwege (bisher erste Fluchtwege) sind insbesondere die zur Flucht erforderlichen Verkehrswege, die nach dem Bauordnungsrecht notwendigen Flure und Treppenräume für notwendige Treppen sowie die Notausgänge.

2. Nebenfluchtwege (bisher zweite Fluchtwege) sind zusätzliche Fluchtwege, die ebenfalls ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen.


3.7 Gesicherter Bereich ist ein Bereich, in dem Personen vorübergehend vor einer unmittelbaren Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt sind. Als gesicherte Bereiche innerhalb von Gebäuden gelten insbesondere benachbarte Brandabschnitte und notwendige Treppenräume nach dem Bauordnungsrecht. Als gesicherter Bereich außerhalb von Gebäuden können z. B. Außentreppen, begehbare Dachflächen oder offene Gänge gelten, wenn diese im Gefahrenfall ausreichend lang sicher benutzbar sind und ins Freie führen.


3.10 Ein Notausstieg ist ein geeigneter Ausstieg im Verlauf eines Nebenfluchtweges zur selbstständigen Flucht aus einem Raum oder einem Gebäude."


Unter dem Abschnitt 6.2 finden sich abweichende Anforderungen an Nebenfluchtwege, die nicht über Hauptfluchtwege führen, u. a. wird dort ausgeführt:

"(7) Für Notausstiege sind erforderlichenfalls im und außerhalb des Gebäudes fest angebrachte Aufstiegshilfen zur leichten und zügigen Benutzung vorzusehen (z. B. Podest, Treppe oder Haltestangen zum Überwinden von Brüstungen)."


Unter dem Abschnitt 8.3 finden sich abweichende Anforderungen an die Kennzeichnung von Nebenfluchtwegen, welche nicht über Hauptfluchtwege führen.

"(1) Auf Nebenfluchtwegen ist der Ausgang, z. B. Notausstieg, zu kennzeichnen. Falls erforderlich, ist auch der Weg zu diesem Ausgang zu kennzeichnen, z. B. der Zugang zu dem Raum, in dem sich der Ausgang befindet.

(2) Die Kennzeichnung erfolgt entsprechend der Ausgestaltung des Ausgangs, z. B. über die Sicherheitszeichen D-E019 „Notausstieg“ oder E016 „Notausstieg mit Fluchtleiter“, gegebenenfalls mit Richtungspfeil entsprechend ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung“."


Die Rettungswege, die lediglich durch das Anleitern der Feuerwehr genutzt werden können, können nicht mit den Fluchtwegen im Sinne des Arbeitsstättenrechts gleichgesetzt werden. Dies betrifft die Haupt- wie die Nebenfluchtwege (vorher den 1. und den 2. Fluchtweg). Im Gegensatz zu den zweiten Rettungswegen nach dem Bauordnungsrecht müssen Nebenfluchtwege direkt ins Freie oder einen gesicherten Bereich führen und selbstständig benutzbar sein. Das Arbeitsstättenrecht priorisiert die Selbstrettung der Beschäftigten und sonstigen Personen, die sich in einer Arbeitsstätte befinden. Dies galt auch bereits vor der Neuauflage der ASR A2.3.


Nach dem Arbeitsstättenrecht ist ein Nebenfluchtweg, der nur durch das Anleitern erfolgt, nicht zulässig. Das Baurecht lässt dies für den zweiten Rettungsweg zu. Somit ist zu klären, ob es sich tatsächlich um einen Nebenfluchtweg im Sinne des Arbeitsstättenrechts oder um einen zweiten Rettungsweg nach dem Baurecht handelt.