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Gibt es Vorschriften, wie die Alarmüberwachung in einem Bürogebäude mit behinderten Menschen erfolgen soll?

KomNet Dialog 43594

Stand: 07.04.2022

Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit > Toiletten

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Frage:

An eine Empfangszentrale eines Bürogebäudes soll eine Meldeeinrichtung (Visuell) ausgehend von dem barrierefreien WC für Menschen mit Behinderung installiert werden, so dass die Mitarbeiter am Empfang einen Notruf absetzen können und ggf. bei Alarmierung zum WC gehen können. Im Bürogebäude befinden sich aktuell keine Mitarbeiter die beispielsweise einen Rollstuhl o.ä. nutzen. Der Empfang ist nur an bestimmten Feiertagen nicht dauerhaft besetzt. Kann man dies im Rahmen einer Dokumentation/GBU begründen, dass keine Menschen mit schwerer Behinderung vor Ort sind und daher das Risiko sehr gering ist? Gibt es dazu irgendwo Vorschriften zu, wie die Alarmüberwachung erfolgen soll? Wir würden zusätzlich eine Prozessbeschreibung aufstellen, was beim Vorgehen einer Alarmierung durchgeführt werden muss. Auch haben die Mitarbeiter eine 2x 30 min Pause in ihrer Arbeitszeit. Diese steht natürlich auch zur freien Verfügung.

Antwort:

Grundsätzlich müssen hier zwei verschiedene Rechtsbereiche betrachtet werden, zum einen das Arbeitsschutzrecht für die Beschäftigten (ArbStättV) und zum anderen das Baurecht. Zu der Thematik des Baurechts bieten wir keine Beratung an. Für eine entsprechende Anfrage wenden Sie sich bitte direkt an die zuständige Baubehörde.


Aus dem Arbeitsschutzrecht gilt Folgendes:

Nach § 3a Absatz 2 ArbStättV gilt, dass wenn der Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen beschäftigt, hat er die Arbeitsstätte so einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften sowie den zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen, die von den Beschäftigten mit Behinderungen benutzt werden.


Konkretisiert werden die Anforderungen der ArbStättV in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), hier insbeondere die ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten".

In den Begriffsbestimmungen wird unter der Nummer 3 u. a. Folgendes erläutert:


"3.2 Eine barrierefreie Gestaltung der Arbeitsstätte ist gegeben, wenn bauliche und sonstige Anlagen, Transport- und Arbeitsmittel, Systeme der Informationsverar-beitung, akustische, visuelle und taktile Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen für Beschäftigte mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernisse und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind (in Anlehnung an § 4 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen - BGG).

3.3 Das Zwei-Sinne-Prinzip ist ein Prinzip der alternativen Wahrnehmung. Alle Informationen aus der Umwelt werden vom Menschen über die Sinne aufgenommen. Fällt ein Sinn aus, ist die entsprechende Informationsaufnahme durch einen anderen Sinn notwendig. Informationen müssen deshalb nach dem Zwei-Sinne-Prinzip mindestens für zwei der drei Sinne "Hören, Sehen, Tasten" zugänglich sein (z. B. gleichzeitige optische und akustische Alarmierung)."


Unter der Nummer 4 Absatz 3 ist noch nachzulesen, dass zum Ausgleich einer nicht mehr ausreichend vorhandenen Sinnesfähigkeit (insbesondere Sehen oder Hören) das Zwei-Sinne-Prinzip zu berücksichtigen ist.


Weitere Vorgaben für eine Alarmüberwachung für ein barrierefreies WC werden hier nicht gemacht.


Umfangreiche Informationen zu der Thematik Barrierefreie Arbeitsgestaltung enthalten die DGUV Information 215-111 "Barrierefreie Arbeitsgestaltung - Teil I: Grundlagen" und die DGUV Information 215-112 "Barrierefreie Arbeitsgestaltung - Teil II: Grundsätzliche Anforderungen".

Unter der Nummer 2.2 wird in der DGUV Information 215-112 zu Einrichtungen zum Warnen, Alarmieren und Informieren Folgendes erläutert:

"Menschen ohne Höreinschränkung nehmen akustische Informationen „nebenbei“ und „parallel“ auf, was Menschen mit auditiven Einschränkungen nicht vermögen.


Für sie gilt es, spezielle Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Aufmerksamkeit auf die Information zu richten.


Alarmierungseinrichtungen für Räume mit überwiegender Einzelnutzung – beispielsweise Einzelbüros und Hotelzimmer – benötigen Ausstattungen nach dem Zwei-Sinne-Prinzip. So wird der Notfall akustisch, visuell und gegebenenfalls zusätzlich über Vibration signalisiert.


Gegensprechanlagen für Notrufe mit dynamischer schriftlicher Anzeige („bitte sprechen“, „Hilfe kommt“) in der Landessprache und zusätzlich auf Englisch erlauben es Gehörlosen und ertaubten Menschen, sich in Gefahrensituationen besser zurechtzufinden."


Weiterhin möchten wir auf die Checkliste für die Praxis im Unternehmen zur Barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen der VBG hinweisen. Hier finden sich unter "Sanitär" auch Fragen zur Alarmierung und zum Notruf.


Hinweis:

Auf das Sachgebiet "Barrierefreie Arbeitsgestaltung" der DGUV möchten wir hinweisen.