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Wie kann der Unternehmer bei Flüchtlingen, die kein Deutsch sprechen, eine „rechtssichere“ Unterweisung gewährleisten?

KomNet Dialog 42680

Stand: 17.04.2019

Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Vielfältige Belegschaften / Diversity

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Frage:

Mehrere Mitarbeiter, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und im Unternehmen mühsam zur Maschinenbedienung angelernt wurden, sollen unterwiesen werden. Alle Personen kommen aus unterschiedlichen Regionen (Afghanistan, Syrien usw.) sprechen kein Deutsch und keine der gängigen Fremdsprachen. Da sich das Unternehmen im ländlichen Raum befindet, ist kein Dolmetscher verfügbar, der im Rahmen der Unterweisung unterstützen kann. Zur Unterweisung sollen die „Napo-Filme“ genutzt werden, um einzelne Arbeitsschutzthemen so verständlich wie möglich zu vermitteln. Leider gibt es nicht zu allen Arbeitsschutzthemen im Betrieb entsprechende Filme. Frage: Wie kann der Unternehmer in einer solchen Situation eine „rechtssichere“ Unterweisung gewährleisten (insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Unterweisung eine Wirksamkeitskontrolle aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich ist)? Welche Medien werden für die o. g. Zielgruppe empfohlen?

Antwort:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine rechtssichere Unterweisung für Geflüchtete durchzuführen. Der Arbeitgeber muss im Einzelfall eigenverantwortlich entscheiden, welche Form und Methode angemessen ist.


Nach § 12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat der Arbeitgeber „die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung umfasst Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Die Unterweisung muss bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen. Die Unterweisung muss an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.


Die DGUV Regel 100-001 führt unter dem Punkt 2.3.1 weiter aus, dass die mündliche Unterweisung „in verständlicher Form und Sprache“ stattzufinden hat.


In § 12 Abs. 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ist festgelegt:

„Bevor Beschäftigte Arbeitsmittel erstmalig verwenden, hat der Arbeitgeber ihnen ausreichende und angemessene Informationen anhand der Gefährdungsbeurteilung in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zur Verfügung zu stellen über

1. vorhandene Gefährdungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln einschließlich damit verbundener Gefährdungen durch die Arbeitsumgebung,

2. erforderliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensregelungen und

3. Maßnahmen bei Betriebsstörungen, Unfällen und zur Ersten Hilfe bei Notfällen.“


In Punkt 2.3.2. DGUV Regel 100-001 wird konkretisiert:

„Die Inhalte sind so zu vermitteln, dass sie von den Versicherten verstanden werden. Ist eine sprachliche Verständigung nicht ausreichend, sind andere geeignete Kommunikationsmittel, z. B. Skizzen, Fotos, Videos, einzusetzen. Ein Aushändigen der Vorschriften oder Regeln reicht nicht aus. Der Unternehmer hat sich zu vergewissern, dass die Versicherten die Inhalte verstanden haben.

Dies kann z. B.

• durch das Stellen von Verständnisfragen an den Versicherten,

• durch Vorführen lassen des Handlungsablaufs durch den Versicherten,

• durch Beobachtung der Arbeitsweise des Versicherten

erfolgen.“


Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Unterweisungsinhalte in möglichst einfacher Sprache langsam und anschaulich zu vermitteln, Fachbegriffe zu umschreiben und das Wissen durch mehrfaches Wiederholen zu festigen.


Gerade für Menschen, die noch keine Erfahrungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen und mit den Einrichtungen/Maschinen gesammelt haben, empfiehlt es sich, die Unterweisungen direkt im Betrieb, am Arbeitsplatz und mit den Arbeitsgeräten durchzuführen und Sicherheitshinweise nicht nur theoretisch zu vermitteln, sondern den sicheren Umgang mit den Geräten direkt zu üben. Eine Wirksamkeitskontrolle kann so durch Vorführen lassen und Beobachtung der Arbeitsweise erfolgen.


Sinnvoll ist es auch, die Dokumentation gegebenenfalls anders als üblich zu gestalten, da eine Unterschrift des/der Teilnehmers/in unter einem deutschen Text mit den vermittelten Sicherheitshinweisen bei geringen Sprachkenntnissen nicht aussagekräftig ist. Hilfreich könnte es dagegen sein, die Unterweisung zusätzlich bildlich, ggf. sogar mit dem Smartphone des/der Teilnehmers/in, zu dokumentieren und das sichere und vorschriftsmäßige Verhalten, beispielsweise bei der Handhabung einer Maschine, zu fotografieren oder zu filmen.


In den 10 Tipps für die Unterweisung von Migrantinnen und Migranten des LIA.nrw finden sich hilfreiche Hinweise, wie die Unterweisung zielgruppengerecht durchgeführt werden kann.


Die Broschüre Arbeitsschutz in Deutschland – das Wichtigste im Überblick richtet sich grundsätzlich an alle Beschäftigten – im Besonderen aber an Beschäftigte aus dem Ausland, die über geringe Deutschkenntnisse und kaum Arbeitserfahrungen in Deutschland verfügen - beispielsweise geflüchtete Menschen.

Die Broschüre informiert auf wenigen Seiten über die wichtigsten Rechte und Pflichten und Unterstützungsangebote im Arbeitsschutz. Denn nur wer diese kennt, kann an den Maßnahmen für sichere und gesunde Beschäftigung teilhaben und mitwirken. Dies soll den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit unterstützen und Unfälle verhindern.

Die Broschüre liegt aktuell in folgenden Sprachen vor: Arabisch, Englisch, Farsi, Polnisch, Rumänisch, Deutsch. Eine Veröffentlichung in Bulgarisch, Türkisch und in leichter Sprache ist geplant.


Im Folgenden sind weitere Handlungshilfen für verschiedene Arbeitsschutzthemen aufgeführt:


Unterweisungsmaterialien, die auf Menschen mit Behinderungen zugeschnitten sind, bspw. bebilderte Betriebsanweisungen und entsprechende Handlungshilfen, u.a. für den Bereich Metallwerkstatt finden sich hier:

https://bgw.uv-lernportal.de/goto_BGWLP_crs_1903.html (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW))


Die Broschüre „Vereinfachte Betriebsanweisungen“ der Initiative für Beschäftigung OWL e.V. beschreibt ein Verfahren für Sicherheitsfachkräfte, Betriebsanweisungen sprachlich und didaktisch zu vereinfachen. Es ist geeignet für Unterweisungen von Beschäftigten mit Migrationshintergrund, die über ein A2-Sprachniveau verfügen.

http://ifb-owl.de/wp-content/uploads/2015/04/VBA_Broschuere-VBA.pdf


Kann eine Unterweisung in verständlicher Form und Sprache nicht mithilfe der aufgeführten Methoden und Handlungshilfen sichergestellt werden, kann das bedeuten, dass ausländische Beschäftigte in ihrer Muttersprache und ggf. mithilfe von Dolmetscherinnen und Dolmetschern unterwiesen werden müssen. Der Arbeitgeber muss dies im Einzelfall eigenverantwortlich entscheiden.


Der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern muss nicht immer mit hohen Kosten verbunden sein. Oftmals vermitteln örtliche Freiwilligen- und Ehrenamtsagenturen den Kontakt zu mehrsprachigen Personen, die ihre Dolmetsch-Dienste anbieten. In vielen Städten gibt es gut ausgebaute Flüchtlingsnetzwerke und entsprechende kostenlose Angebote. Viele Bürgerinnen und Bürger mit Fremdsprachenkenntnissen engagieren sich ehrenamtlich und bieten ihre Unterstützung an.


Es empfiehlt sich zudem die Industrie und Handelskammer oder einen für Ihre Branche zuständigen Verband mit Ihrer Fragestellung zu kontaktieren. Eventuell gibt es hier schon Hilfsmittel oder Sie bekommen Kontakt zu anderen Betriebe mit ähnlichen Herausforderungen und können von Netzwerken und Tipps profitieren.