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Wie kann ein Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht bei einem Mitarbeiter nachkommen, dessen Gesundheitszustand sich zusehends verschlechtert?

KomNet Dialog 42607

Stand: 25.02.2019

Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Besonders schutzbedürftige Personengruppen > Leistungsgewandelte Arbeitnehmer/innen, (Schwer-) Behinderung

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Frage:

Im Unternehmen wird ein Mitarbeiter beschäftigt, dessen Gesundheitszustand sich zusehens verschlechtert. Neben massivem Übergewicht leidet der Mitarbeiter an Verwässerung vorallem der Beine und hat extreme Problem mit Schläfrigkeit, was zusammen betrachtet für den Laien auf einen diabetische Erkrankung hinweisen könnte. Nun scheint es so, dass der Mitarbeiter sich um eine medizinische Bewertung seiner Lage nicht kümmert oder aus möglicherweise vorhandenen Diagnosen keine Maßnahmen ableitet bzw. diese nicht umsetzt. Selbst persönliche Gespräche und offizielle Mitarbeitergespräche haben keinerlei Effekt gezeigt. Was kann der Arbeitgeber/die Führungskraft um seine Fürsorgepflicht nachzukommen? Oder entzieht sich dies der Fürsorgepflicht? Dem Mitarbeiter wurde bisher untersagt auch nur stundenweise allein im Büro zu arbeiten bzw. er darf mittlerweile nur mit mindestens einem Kollegen im Büro arbeiten.

Antwort:

Die grundsätzliche Fürsorgepflicht von Arbeitgebern erstreckt sich arbeitsrechtlich zum einen auf die Vermeidung von Gefahren für Leib und Leben im Tätigkeitsbereich durch die Gewährleistung adäquater Arbeitsbedingungen und Schutzmaßnahmen (§ 618 BGB, ArbSchG etc.) und zum anderen auf die Fürsorge im Krankheitsfall (§ 617 BGB, EntgFG etc.). Ausgenommen hiervon ist der Fall einer absichtlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführten Erkrankung oder Verletzung. Zwar gilt, dass Betriebe nach Möglichkeit alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen haben, um eine krankheitsbedingte Kündigung zu vermeiden. Da Kostenaufwendungen für Arbeitgeber im Rahmen der Mitarbeiterfürsorge jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen, können im Falle negativer Leistungsprognosen bei bestehenden Erkrankungen und der hiermit einhergehenden Leistungsminderung personenbezogene Kündigungen wirksam sein, wenn die abzusehenden und längerfristigen Kosten für Betriebe billigerweise nicht mehr hinzunehmen sind (Urteil BAG 2002). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch betroffene Beschäftigte eine Mitwirkungspflicht haben, alle Möglichkeiten der Rehabilitation und Prävention wahrzunehmen und aktiv auf eine Überwindung der Arbeitsunfähigkeit hinzuwirken.


Im vorliegenden Fall besteht jedoch keine attestierte Arbeitsunfähigkeit. Vielmehr erscheint der betreffende Mitarbeiter offenbar krank bzw. gesundheitlich angeschlagen am Arbeitsplatz. Insofern liegt hier ein Präsentismusproblem vor. Im Rahmen der Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber den betreffenden Mitarbeiter nicht nur in dessen eigenem Interesse bei der Anerkennung der vorliegenden Erkrankung zu unterstützen, sondern auch darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Erkrankung entstehende Schäden oder Ansteckung von Kollegen etc. Regressforderungen gegen den Betroffenen begründen können. Grundsätzlich kann auch der Arbeitgeber selbst haftbar gemacht werden für Schäden, die durch (erkennbar) erkrankt anwesende Beschäftigte verursacht werden. Daher sollte in jedem Fall auf eine Krankschreibung der betreffenden Person hingewirkt werden. Dies auch um eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit der betroffenen Person durch Rekonvaleszenz und Rehabilitation zu gewährleisten.


Offenbar zeigt der augenscheinlich erkrankte Mitarbeiter jedoch selbst keine gesundheitsgerechten Verhaltensweisen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Da etwa fehlendes Wissen über Konsequenzen einer Krankmeldung, Ängste gegenüber Erkrankungsfolgen oder Stigmatisierung, gegenüber der Erkrankung an sich und fehlende Krankheitseinsicht, psychisch-komorbide Erkrankungen, fehlende arbeitsbezogene und private soziale Unterstützung etc. ursächlich sein können für die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit, sollten zunächst milde Mittel zur Klärung der Sachlage eingesetzt werden. Mitarbeitergespräche wurden bereits (erfolglos) genutzt. Ggf. ist es sinnvoll, den Betroffenen in einem nächsten Schritt an Vertrauenspersonen zu verweisen, soweit im Betrieb vorhanden (Interessenvertretung, Gesundheitsmanagement, Sozialberatung, Betriebsarzt etc.) oder Unterstützung durch Krankenkassen bzw. Berufsgenossenschaften einzuholen.