Inhaltsbereich

KomNet-Wissensdatenbank

Reicht die beschriebene Freischaltung des Hauptschalters bei der Reinigung, Wartung und Reparatur von Maschinen und Anlagen aus?

KomNet Dialog 20906

Stand: 09.07.2020

Kategorie: Sichere Anlagen / Sicherer Betrieb > Benutzung von Arbeitsmitteln und Einrichtungen > Reparaturen, Wartungsarbeiten

Favorit

Frage:

Wir wenden in unserem Unternehmen, bei der Reinigung, Wartung & Reparatur von Maschinen und Anlagen das LOTO-System an. Bei diesen Tätigkeiten wird der Hauptschalter in "0"-Ausstellung geschaltet und mit einem Sicherheitsschloss gegen Wiedereinschalten gesichert. Der Schwerpunkt meiner Frage bezieht sich auf die elektrische Freischaltung durch einen Anlagenfahrer bzw. Schlosser, die keine elektrotechnisch unterwiesenen Personen (euP) sind. Reicht diese Freischaltung des Hauptschalters aus ? Aus meiner Sicht als Elektrofachkraft (EFK) muss hier auch eine elektrische Freimessung der Anlage durch eine EFK od. EUP erfolgen, da nicht gewährleistet ist, dass der Hauptschalter zu 100 Prozent allpolig abgeschalten ist. -ein Schaltkontakt kann ja z.B. fest gebrannt sein etc. -Restenenergie durch Kondensatoren/Frequenzumrichter Reicht ein Freischalten und Verriegeln des Hauptschalters aus, ohne die Spannungsfreiheit festzustellen bei Reinigungs- und mechanischen Arbeiten? Der Schwerpunkt liegt darin, dass ich als EFK z.B. im Urlaub nicht zur Verfügung stehe, um Spannungsfreiheit festzustellen. Bei Arbeiten an elektrischen Komponenten werden die "5 Sicherheitsregeln" eingehalten.

Antwort:

Der Begriff LOTO (Lockout-Tagout) wird im deutschsprachigen Raum als "Wartungssicherungssystem" beschrieben, mit dem Anlagen oder Arbeitsmittel gegen unbefugten Zugriff oder versehentliches Betätigen gesichert werden sollen.


Die Anwendung auf Wartungsarbeiten an elektrischen Anlagen und Arbeitsmitteln ohne einhergehende Messung der Spannungsfreiheit sehen wir u.a. aus den von Ihnen bereits beschriebenen Gründen als äusserst problematisch an.


Eine Auswertung des in Verbindung mit den fünf Sicherheitsheitsregeln stehenden Unfallgeschehens zeigte auf, dass sich ein deutlicher Unfallschwerpunkt aufgrund der Nichteinhaltung der ersten Sicherheitsregel "Freischalten" ergibt. An zweiter Stelle folgt jedoch bereits ein Unfallschwerpunkt aufgrund der Nichteinhaltung der dritten Sicherheitsregel "Spannungsfreiheit feststellen".


Dies belegt, dass für die sichere Durchführung von Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln diese Regeln in der richtigen Reihenfolge zwingend angewendet werden müssen!


Der Vollständigkeit halber möchten wir noch darauf hinweisen, dass Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln gemäß § 3 Abs. 1 der DGUV Vorschrift 3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" Elektrofachkräften vorbehalten sind. Die Durchführung von Wartungsarbeiten durch elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuP) ist in der Regel nur auf vergleichsweise einfache Arbeiten beschränkt, da die mit der Leitungs- und Aufsichtsführung gegenüber diesen Personen beauftragte Elektrofachkraft die Fach- und Führungsverantwortung für die unterstellten EuP trägt.


Elektrotechnische Laien dürfen keine Eingriffe in bzw. Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln durchführen!


Die DGUV Vorschrift 3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" gilt auch für nichtelektrotechnische Arbeiten sowie Annäherungen an elektrische Anlagen bei der Durchführung anderer Arbeiten wie Bau-, Montage-, Transport-, Anstrich- und Ausbesserungsarbeiten (vgl. § 1 Abs.2).


Insofern ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen, ob durch die Durchführung der Arbeiten elektrische Gefährdungen entstehen können (z. B. durch aufgewirbelten oder herabfallenden leitfähigen Staub, welcher leitfähige Verbindungen zu der elektrischen Anlage herstellen könnte, durch unzulässige Annäherung an unter Spannung stehende Teile, durch Einwirkung von Feuchtigkeit, Wärme, mechanische oder chemische Einflüsse etc.). Auch herabfallende oder abrutschende Werkzeuge haben bereits Lichtbögen ausgelöst, obwohl "nur" rein mechanische Arbeiten ausgeführt wurden.

Neben den elektrischen Gefährdungen ist auch zu beurteilen, ob sich z. B. eine Gefährdung durch ungewolltes Inbetriebsetzen (wie von Ihnen beschrieben etwa durch festgebrannte Kontakte oder gespeicherte Restenergien) oder durch andere Ursachen ergeben könnte.


Ohne die Art der elektrischen Anlagen bzw. der Arbeitsmittel zu kennen, an denen in Ihrem Fall gearbeitet wird, ist eine Einschätzung der Situation und somit korrekte Beantwortung Ihrer Anfrage leider nicht möglich.


Sollten Sie die in Ihrem Betrieb gegebenen Situationen anhand der (nicht abschließend!) aufgeführten Beispiele selbst nicht sicher einschätzen können, empfehlen wir Ihnen Ihre Fachkraft für Arbeitssicherheit oder die zuständige Aufsichtsperson Ihres Unfallversicherungsträgers als Arbeitsschutzexperten für die Beurteilung der tatsächlich gegebenen Situationen und Festlegung verbindlicher Schutzmaßnahmen mit hinzuzuziehen.