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Müssen Flurförderzeuge mit einer Rückwärtsfahr-Warneinrichtung ausgestattet sein?

KomNet Dialog 13660

Stand: 28.03.2024

Kategorie: Sichere Produkte > Beschaffenheit von Arbeitsmitteln / Einrichtungen > Beschaffenheit von Sicherheitseinrichtungen

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Frage:

Ich würde gern erfahren, ob es Gesetz/Pflicht etc. ist, dass Gabelstapler mit einer Rückwärtsfahr-Warnvorrichtung ausgestattet sein müssen? Ein Gabelstapler-Händler behauptet steif und fest, dass dies nicht notwendig sei, außer wenn die BG es für Betriebe vorgeschrieben oder empfohlen hätte. Wenn eine Rückwärtsfahrt-Warneinrichtung (Licht/Hupe) zur Pflichtausstattung gehört, könnten Sie mir bitte benennen, in welchem Gesetz/Verordnung etc. das zu finden wäre?

Antwort:

Ein Flurförderzeug ist eine Maschine im Sinne der Richtlinie 2006/42/EG - Maschinenrichtlinie.

In dieser Richtlinie sind im Anhang I Nr. 3   3. "Zusätzliche grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zur Ausschaltung der Gefährdungen, die von der Beweglichkeit von Maschinen ausgehen" aufgeführt. 

Eine generelle Pflicht für eine Rückwärtsfahr-Warneinrichtung ist dort nicht gefordert.


In dem Leitfaden zu Richtlinie 2006/42/EG wird erläutert, dass der Fahrer die Fläche um die Maschine herum während der Fahrt permanent einsehen können muss. Das bezieht sich insbesondere auf Personen, die sich während der Fahrt der Maschine in deren Nähe befinden.

Zur Warnung von Personen kann die Maschine mit akustischen oder optischen Warneinrichtungen versehen sein (siehe hierzu DIN EN 981).


Sollte die Sicht des Fahrers durch Maschinenteile oder die Ladung beeinträchtigt sein, müssen Einrichtungen vorhanden sein, die dem Fahrer die Sicht ermöglichen. Dies können Spiegel oder Kameras mit Bildschirmen sein.

Gründe für die Anbringung solcher Einrichtungen gibt es insbesondere dann, wenn

- Nachts oder bei schlechten Sichtverhältnissen gefahren wird,

- über unebenen Boden gefahren wird,

- wo sich Fußgänger aufhalten,

- wo weitere Maschinen fahren,

- bei Durchführung vieler Fahrfrequenzen (hin- und herfahren, vorwärts, rückwärts).

Gefährdungen durch Kollisionen mit Personen oder anderen Maschinen können durch den Einsatz von Radar, Infrarot oder Ultraschall begegnet werden. Dadurch werden die Personen im Gefahrenbereich rechtzeitig erkannt, die Maschine gestoppt, oder der Fahrer rechtzeitig gewarnt.


Ein Hersteller ist gemäß Maschinenrichtlinie grundsätzlich verpflichtet eine Risikobeurteilung vorzunehmen, um die für die Maschine geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu ermitteln. Die Maschine muss dann unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Risikobeurteilung konstruiert und gebaut werden.


Wie Eingangs der Antwort angesprochen, ergibt sich aus der Richtlinie selbst aber keine generelle Pflicht für eine Rückfahrwarneinrichtung.


Zu beachten ist aber, dass sich für einen Arbeitgeber bezüglich Sicherheitsmaßnahmen beim Rückwärtsfahren Anforderungen aus der Betriebssicherheitsverordnung und den anzuwendenden Unfallverhütungsvorschriften ergeben. 

Im Anhang 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) "Besondere Vorschriften für die Verwendung von mobilen, selbstfahrenden oder nicht selbstfahrenden, Arbeitsmitteln" wird u.a. gefordert, dass der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass sich Beschäftigte nicht im Gefahrenbereich selbstfahrender Arbeitsmittel aufhalten. Ist die Anwesenheit aus betrieblichen Gründen unvermeidlich, hat der Arbeitgeber Maßnahmen zu treffen, um Gefährdungen der Beschäftigten so gering wie möglich zu halten.


Eine ähnliche Anforderung ergibt sich auch aus § 12 DGUV Vorschrift 68 "Flurförderzeuge". In der Durchführungsanweisung dazu wird erläutert, dass "die Forderung nach ausreichender Sicht auf die Fahrbahn z.B. erfüllt ist, wenn das Flurförderzeug so beladen wird, dass der Fahrer über die Last hinweg die Fahrbahn einsehen kann. Bei nicht ausreichender Sicht sind Hilfsmittel nach Maßgabe des Herstellers, z.B. Spiegel, Kamera und Monitor, akustische und visuelle Warnhinweise, Sensoren zur Erkennung von Personen oder Gegenständen, erhöhter oder drehbarer Sitz, zulässig. Die Auswahl der Hilfsmittel muss nach ergonomischen Gesichtspunkten erfolgen.

Dürfen Flurförderzeuge mit höher als bodenfrei angehobener Last (nicht nur zum Aufnehmen und Absetzen der Last) verfahren werden, ist die Forderung nach ausreichender Sicht auf die Fahrbahn auch erfüllt, wenn der Fahrer unter der Last hindurch die Fahrbahn einsehen kann.

Muss mit Frontgabelstaplern ausnahmsweise eine große Last, die die Sicht auf die Fahrbahn versperrt, aufgenommen und bewegt werden, soll der Fahrer hierbei rückwärts fahren. Da die Last bei der Rückwärtsfahrt nicht beobachtet werden kann, soll mit Lasten, die seitlich über den Gabelstapler hinausragen, nicht rückwärts gefahren werden. Häufiges Rückwärtsfahren ist zu vermeiden, da hierbei die Wirbelsäule des Fahrers durch Verdrehung - insbesondere in Verbindung mit Vibrationen - übermäßig belastet werden kann."


Ob eine Rückfahrwarneinrichtung erforderlich ist, muss der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermitteln und festlegen.

Dabei kann er sich von der Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsärztin/ dem Betriebsarzt beraten und unterstützen lassen.


Bei der Neubeschaffung eines Flurförderzeuges ist zu empfehlen das Erfordernis einer Rückfahrwarneinrichtung vor dem Kauf mit allen Beteiligten einschließlich Hersteller zu klären, damit nicht möglicherweise erst im Nachhinein in der Gefährdungsbeurteilung das Erfordernis einer Nachrüstung festgestellt wird.