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Können bei ausschließlich kurzzeitig genutzten Bildschirmarbeitsplätzen geringere Schutzmaßnahmen, wie z. B. verringerte Tischbreite oder ein Konferenzstuhl anstatt eines Bürostuhls, angesetzt werden?
KomNet Dialog 43974
Stand: 15.07.2024
Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Bildschirmarbeit > Rechts- und Auslegungsfragen (9.)
Frage:
Können bei ausschließlich kurzzeitig genutzten Bildschirmarbeitsplätzen geringere Schutzmaßnahmen, wie z. B. verringerte Tischbreite oder ein Konferenzstuhl anstatt eines Bürostuhls, angesetzt werden? Dies erscheint z. B. bei geringfügigen Bildschirmarbeiten in einer Fertigungshalle oder der Beantwortung von E-Mails von zu Hause aus (ca. 1 h pro Tag) sinnvoll. Es gibt Publikationen der DGUV und BAUA, die solche Lösungen als möglich aufzeigen. Diese haben jedoch leider nur Empfehlungscharakter. In der DGUV Regel 115-401 „Branche Bürobetrieb“ oder im Anhang der ArbStättV werden keine Unterscheidungen nach der Dauer der Bildschirmarbeit gemacht, woraus sich die Fragestellung ergibt.
Antwort:
Die grundsätzlichen Regelungen finden sich unter Nummer 6 "Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen" des Anhangs der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Hier ist unter Nummer 6.1 Absatz 5 nachzulesen, dass die Arbeitstische oder Arbeitsflächen eine reflexionsarme Oberfläche haben müssen und so aufgestellt werden, dass die Oberflächen bei der Arbeit frei von störenden Reflexionen und Blendungen sind.
Konkretisiert werden die Anforderungen der ArbStättV in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), hier insbesondere der ASR A6 "Bildschirmarbeit".
Dem Abschnitt 2 "Anwendungsbereich" der ASR A6 ist Folgendes zu entnehmen:
"(1) Diese ASR gilt für:
1. die ortsgebundene Verwendung von Bildschirmgeräten, einschließlich tragbarer Bildschirmgeräte, an Arbeitsplätzen in Arbeitsstätten (Bildschirmarbeitsplätze) sowie an Telearbeitsplätzen und
2. die regelmäßige ortsveränderliche Verwendung tragbarer Bildschirmgeräte innerhalb von Arbeitsstätten.
(2) Diese ASR gilt nicht für:
1. die nicht regelmäßige ortsveränderliche Verwendung tragbarer Bildschirmgeräte,
2. die Verwendung von Bildschirmgeräten außerhalb von Arbeitsstätten (z. B. beim Kunden, in Verkehrsmitteln, im Privatbereich) oder außerhalb von Telearbeitsplätzen,
3. Bedienerplätze von Maschinen oder Fahrerplätze von Fahrzeugen mit Bildschirmgeräten,
4. Rechenmaschinen, Registrierkassen oder andere Arbeitsmittel mit einer kleinen Daten- oder Messwertanzeigevorrichtung, die zur unmittelbaren Benutzung des Arbeitsmittels erforderlich ist und
5. Schreibmaschinen klassischer Bauart mit einem Display.
[...]"
Aus den Begriffsbestimmungen des Abschnitts 3 möchten wir insbesondere hervorheben:
"3.8 Ortsgebundene Verwendung von Bildschirmgeräten im Sinne dieser Regel ist das Betreiben von Geräten an dauerhaft eingerichteten Bildschirmarbeitsplätzen in Arbeitsräumen einer Arbeitsstätte oder im Privatbereich der Beschäftigten an Telearbeitsplätzen gemäß Abschnitt 3.12 dieser Regel bzw. § 2 Absatz 7 ArbStättV.
3.9 Tragbare Bildschirmgeräte (z. B. Tablets, Smartphones, Notebooks, mobile Kassensysteme, Logistikscanner und Datenbrillen) im Sinne dieser Regel sind Geräte zur Elektronischen Datenverarbeitung (EDV), die für eine ortsveränderliche Verwendung vorgesehen sind (z. B. Dokumentation, Durchführung von Analysen, Messungen, Bestell- oder Kassiervorgänge) oder bei Tätigkeiten im Bewegungsablauf genutzt werden (z. B. Tablets, Datenbrillen).
3.10 Regelmäßige ortsveränderliche Verwendung von tragbaren Bildschirmgeräten an Arbeitsplätzen liegt vor, wenn die Geräte für die am jeweiligen Arbeitsplatz üblicherweise vorgesehenen Tätigkeiten benötigt werden und folgende Nutzungsdauern überschritten werden:
1. bei abgelegter Verwendung (z. B. von Notebook) mehr als 2 Stunden ohne Unterbrechungen oder mehr als 3 Stunden am jeweiligen Tag mit Unterbrechungen,
2. bei handgehaltener Verwendung (z. B. von Smartphone) mehr als 1 Stunde am jeweiligen Tag; bei der Ermittlung der Nutzungsdauer der handgehaltenen Verwendung können Nutzungen von bis zu 5 Minuten Dauer unberücksichtigt bleiben, sofern anschließend eine Tätigkeit mit einer anderen Belastung folgt, deren Dauer die der vorausgegangenen handgehaltenen Nutzung des Bildschirmgerätes übersteigt,
3. bei kopfgetragener Verwendung (z. B. von Datenbrillen) oder anderer körpergetragener Verwendung (z. B. speziell geeigneter Geräte für den Einsatz unter ungünstigen Arbeitsumgebungsbedingungen) bei jeglicher Verwendung.
Hinweise:
1. Die Vorgaben der BetrSichV gelten auch, wenn die Bildschirmgeräte nicht regelmäßig verwendet werden und somit nicht in den Anwendungsbereich der ArbStättV fallen.
2. Die Schwellenwerte beruhen auf Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen zur Vermeidung von Muskel-Skelett-Erkrankungen.
3.11 Dauerhaft eingerichtet im Sinne dieser Regel bedeutet, dass eine unmittelbare Nutzung als Bildschirmarbeitsplatz möglich ist.
Hinweis:
In der Regel sind Bildschirmarbeitsplätze, die für die dauerhafte Nutzung vorgesehen sind, mit Geräten ausgestattet, die eine Trennung von Bildschirm und Eingabemittel (Tastatur) ermöglichen. Bei einem dauerhaft eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz ist in der Regel eine Steuerungseinheit (Rechner) am Arbeitsplatz vorhanden. Diese kann durch ein tragbares Bildschirmgerät ergänzt werden."
Auf die Anforderungen des Abschnitts 5 "Allgemeine Pflichten des Arbeitgebers" weisen wir hin.
Im Abschnitt 6 finden sich die Gestaltungsanforderungen. Dort heißt es u. a. wie folgt:
"6.3.10 Arbeitsflächen
(1) Die Arbeitsflächen sind je nach Arbeitsaufgabe und den erforderlichen Arbeitsmitteln zu bemessen. Eine flexible Anordnung der Arbeitsmittel muss möglich sowie ausreichend Raum für deren Verwendung vorhanden sein. Unterschiedliche Körperhaltungen müssen ermöglicht werden.
(2) Für Büroarbeit und vergleichbare Tätigkeiten müssen neben den Flächen für Bildschirme, Bildschirmgeräte und Eingabemittel zusätzliche Flächen für Schriftgut und weitere Arbeitsmittel zur Verfügung stehen. Um eine flexible Anordnung aller Arbeitsmittel zu ermöglichen, muss die Arbeitsfläche mindestens 1600 mm breit und mindestens 800 mm tief sein. Bei Verwendung von nur einem Bildschirm, geringem Arbeitsmittelbedarf und wenig Schriftgut darf die Arbeitsflächenbreite auf 1200 mm verringert werden.
(3) Für sonstige Tätigkeiten, die nicht von Absatz 2 erfasst sind, müssen die Arbeitsflächen von Bildschirmarbeitsplätzen entsprechend den erforderlichen Arbeitsmitteln bemessen werden. Für eine flexible Anordnung der Arbeitsmittel sind sie mindestens 1200 mm breit und 800 mm tief zu gestalten. Bei geringem Arbeitsmittelbedarf (z. B. nur Bildschirmgerät und Tastatur) dürfen Arbeitsflächen, auf ein Mindestmaß von 800 mm x 800 mm reduziert werden. Die Anforderungen der ASR A1.2 „Raumabmessungen und Bewegungsflächen“ bzgl. der Abstände und Bewegungsflächen sind einzuhalten.
Hinweis:
An Beratertresen, Bedientheken, Infoständen, Werkzeugausgabestellen u. ä., an denen im Stehen gearbeitet wird und neben der Bildschirmarbeit die Übergabe an Dritte (z. B. an Kunden) eine Rolle spielt, wird die Reichweite nach vorn zum begrenzenden Faktor. Eine reduzierte Arbeitsflächentiefe des Bildschirmarbeitsplatzes im Bereich der Übergabestelle von 800 mm auf 600 mm ist hier ausreichend."
"6.3.12 Arbeitsstuhl
(1) Tätigkeiten am Bildschirmarbeitsplatz werden überwiegend im Sitzen ausgeführt (siehe Abschnitt 6.3.9). Für ein sicheres und ergonomisches Arbeiten ist ein geeigneter Arbeitsstuhl zur Verfügung zu stellen.
(2) Für Büroarbeit und vergleichbare Tätigkeiten am Bildschirmarbeitsplatz muss ein Büro-Arbeitsstuhl mit mindestens folgenden Eigenschaften zur Verfügung stehen:
1. das Oberteil des Stuhls besteht aus einer gepolsterten, atmungsaktiven Sitzfläche und Rückenlehne; die Rückenlehne kann auch aus netzähnlichem Material bestehen,
2. das Oberteil ist drehbar und so stufenlos höhenverstellbar, dass die Referenzsitzhaltung eingenommen werden kann (siehe Abbildung 8),
3. die Rückenlehne ist neigbar und unterstützt die natürliche Form der Wirbelsäule beim Wechsel zwischen vorderer, mittlerer und hinterer Sitzhaltung (dynamisches Sitzen) und ist auf das Benutzergewicht anpassbar,
4. der Stuhl verfügt über eine Sitzfläche, die gewährleistet, dass die Rückenlehne in ihrer Funktion genutzt werden kann, die Oberschenkel möglichst vollständig aufliegen und die Kniekehlen frei bleiben,
5. das Untergestell ist stabil und standsicher,
6. die Stuhlkonstruktion fängt das Körpergewicht beim Hinsetzen auch in der untersten Sitzposition federnd ab,
7. sofern Rollen vorhanden sind, müssen diese beim unbelasteten Stuhl ein unbeabsichtigtes Wegrollen verhindern und
8. verfügt ein Stuhl über Armauflagen, müssen diese auf Arbeitsflächenhöhe einstellbar sein.
(3) Für Tätigkeiten am Bildschirmarbeitsplatz in anderen Arbeitsumgebungen muss ein Arbeitsstuhl zur Verfügung stehen, der die Anforderungen an Büro-Arbeitsstühle nach den Nummern 2 bis 8 des Absatzes 2 erfüllt. Die Oberflächen von Sitzfläche und Rückenlehne müssen für die jeweiligen Arbeitsumgebungsbedingungen geeignet sein.
Hinweise zu den Absätzen 2 und 3 dieses Abschnitts:
1. Fünfarmige Untergestelle gelten als standsicher. Die Beschaffenheit der 5 (baugleichen) Rollen richtet sich nach der Härte des Fußbodens, harte Rollen eignen sich für weiche Böden, weiche Rollen für harte Böden.
2. Armstützen an Arbeitsstühlen entlasten die Schulter- und Nackenmuskulatur.
3. Die Funktion der Einstellelemente soll eindeutig erkennbar sein. Die Einstellung soll ohne Hilfsmittel möglich sein.
4. Alternative Sitzmöbel (z. B. Sitzbälle, Pendelhocker) sind nur als temporäres Trainings- und Übungsgerät zu nutzen. Aufgrund erhöhter Unfallgefahr, rasch eintretender Ermüdung der Muskulatur und fehlender Einstellmöglichkeiten sind diese nicht als Arbeitsstuhl am Bildschirmarbeitsplatz geeignet.
5. Im Anhang (Tabelle 3) sind Maßempfehlungen für Arbeitsstühle aufgeführt."
Der Arbeitgeber hat die Bildschirmarbeitsplätze eigenverantwortlich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu betrachten und entsprechende Schutzmaßnahmen festzulegen. Hierbei kann er sich durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt/die Betriebsärztin unterstützen lassen.