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Müssen bei der Beschäftigung von Behinderten alle Fluchtwege rollstuhltauglich sein? Dürfen sie in oberen Etagen beschäftigt werden?

KomNet Dialog 3271

Stand: 22.11.2023

Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit > Beschaffenheit von Fluchtwegen

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Frage:

1. Teil der Frage: Ist es bei Beschäftigung von Behinderten erforderlich, dass diese im Gefahrenfall selbständig die Fluchtwege nutzen können? Ist die Beschäftigung von Behinderten in Obergeschossen von Gebäuden statthaft, obwohl davon auszugehen ist, dass die Beschäftigten mit Rollstuhl diese nicht alleine verlassen können (Aufzug scheidet ja im Brandfall aus)? Reicht eine organisatorische Regelung, in der Beschäftigte namentlich mit der Aufgabe betraut werden, die Kollegen im Falle einer Evakuierung mitzunehmen ? Ein Verlassen des Gebäudes aus dem Erdgeschoss ist für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer über mindestens einen geeigneten Ausgang selbständig möglich. 2. Teil der Frage: In einem Gebäude ist im Erdgeschoss mit der Anwesenheit von mehreren Rollstuhlfahrern zu rechnen. Die ebenerdig angelegten Fluchtwege sind eingerichtet, gekennzeichnet aber nicht alle rollstuhltauglich (ca. 50 % sind mit Rollstuhl problemlos passierbar). Anhand der Fluchtwegbeschilderung kann nicht erkannt werden, welche Fluchtwege rollstuhltauglich sind. Was ist zu tun ? Müssen ALLE Fluchtwege rollstuhltauglich sein ?

Antwort:

In der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) wird im § 3a Absatz 2 aufgeführt, dass Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben haben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden.


Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften sowie den zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen, die von den Beschäftigten mit Behinderungen benutzt werden.



Bei der Breite von Fluchtwegen und Türen im Verlauf von Fluchtwegen ist auf die Breite der einzelnen Rollstühle zu achten. Weitere Anforderungen an Verkehrswege, Fluchtwege und Notausgänge werden in der ArbStättV in § 4 Absatz 4 und im Anhang unter den Nummern 1.8 und 2.3 genannt.


Konkretisiert werden die Anforderungen der ArbStättV in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), hier insbesondere die ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge" und die ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten"


Werden Rollstuhlfahrerinnen/ Rollstuhlfahrer in Obergeschossen beschäftigt, ist es betriebsorganisatorisch zu regeln, dass der Rollstuhlfahrerin/ dem Rollstuhlfahrer eine Bezugsperson (zuständige Person) zugeteilt wird. Es ist also verbindlich zu regeln, wer für wen im Notfall zuständig ist. Eine weitere Möglichkeit zur Rettung von Personen ist der Einbau von Notrutschen. Bei der Planung ist unter anderem der Grad der Behinderung zu beachten. Außerdem erfordert die Benutzung dieser Rutschen eine gewisse Übung.


Rollstuhltaugliche Fluchtwege müssen als solche entsprechend gekennzeichnet werden, damit Rollstuhlfahrerinnen/ Rollstuhlfahrer diese erkennen und im Notfall auch benutzen.


Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in Verbindung mit § 3 ArbStättV hat der Arbeitgeber an den Arbeitsplätzen eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Auf der Basis der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung hat dann der Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Hier ist z. B. auch die Anzahl der Fluchtwege für behinderte Beschäftigte festzulegen.


Unterstützung bei der Einrichtung von Arbeitsplätzen bzw. Beratung vor Ort erhalten Sie u. a. durch die zuständige Arbeitsschutzbehörde, die Berufsgenossenschaft, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die Betriebsärztin/ den Betriebsarzt und den Betriebs-, Personalrat.


Weitere Informationen bei der Einrichtung von Arbeitsplätzen/Arbeitsstätten mit behinderten Beschäftigten sind erhältlich bei den Integrationsämtern/Hauptfürsorgestellen.