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Dokumentation von Schadstoffkontaminationen bei Feuerwehrleuten.

KomNet Dialog 24843

Stand: 19.12.2022

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Allgemeine Fragen zum Gefahrstoffrecht > Rechts- und Auslegungsfragen (5.)

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Frage:

Bei Tätigkeiten der Feuerwehren können Schadstoffkontaminationen, z. B. Kontamination der Haut mit Brandrückständen oder Inhalationen von Rauchgasen aufgrund der dynamischen Einsatzlagen bei der Gefahrenabwehr (z. B. auch durch unmittelbare Lageänderungen) nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ich bin auf der Suche nach einem geeigneten Verfahren der Dokumentation von Kontakten mit Gefahrstoffen bei Feuerwehrbeamten der Berufsfeuerwehr. Ziel ist die rechtssichere Dokumentation von Vorfällen analog wie bei den Verbandbüchern in Firmen, zur Verwendung wenn z. B. Spätfolgen (z. Z. eingehend diskutiert sind Krebserkrankungen bei Feuerwehrleuten) eintreten sollten. Welche Art der Dokumentation ist empfehlenswert und rechtssicher? Reicht eine Dokumentation analog wie beim Verbandbuch aus? Welche Inhalte sind zu dokumentieren?

Antwort:

Die Sicherheit von Feuerwehrleuten ist ein wichtiges Thema, da dieser Personenkreis eine unverzichtbare Aufgabe durchzuführen hat. Das kann i.d.R. nur dann sichergestellt werden, wenn Klarheit über die durchzuführenden Aufgaben und die daraus resultierenden Konsequenzen gegeben ist. Sie erhalten deshalb im Folgenden zwei Antworten. Es geht um die erforderlichen Maßnahmen aus der Sicht des

  • Arbeitsschutzes und der
  • Arbeitsmedizin.

Erforderliche Maßnahmen aus der Sicht des Arbeitsschutzes:

Für Ihre Fragestellung gibt es keine normativen Vorgaben. Man könnte einen Analogieschluss mit der TRGS 410 „Expositionsverzeichnis bei Gefährdung gegenüber krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B“ machen.

Grundlage für die Aufnahme in das Expositionsverzeichnis ist das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung für diese Tätigkeiten und Arbeitsplätze gemäß TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“. Das Expositionsverzeichnis ermöglicht dem Arbeitgeber und anderen Verantwortlichen im Arbeitsschutz einen Überblick über die gegenüber krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen exponierten Beschäftigten zu erhalten.

Sie könnten das Verzeichnis um die bei Ihnen auftretenden zusätzlich identifizierten Gefahrstoffe ergänzen.

Es lässt aber keinen unmittelbaren Rückschluss auf das individuelle Risiko der Einzelnen im Verzeichnis aufgeführten Beschäftigten zu, weist aber Informationen über entsprechende Expositionen in deren Arbeitsleben auf.

Beschäftigte sind ebenfalls in das Verzeichnis aufzunehmen, wenn nachfolgend aufgeführte oder vergleichbare Tätigkeiten wiederholt ausgeführt werden und eine Gefährdung auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung gemäß TRGS 400, 401 und 402 „Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition“ nicht ausgeschlossen werden kann:

1. Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten,

2. Wartungsarbeiten,

3. Reinigungsarbeiten,

4. Probenahme bei nicht geschlossenen Systemen,

5. Abrissarbeiten,

6. Arbeiten in kontaminierten Bereichen.

Entsprechendes gilt auch bei unfallartigen Ereignissen mit erhöhter Exposition; hier ist im Rahmen der Ereignisnachbereitung eine fallbezogene Bewertung der Gefährdung vorzunehmen. Gerade die Punkte 5 und 6. könnten bei der Feuerwehr zutreffen.

Inhalt des Expositionsverzeichnisses

mindestens die folgenden Angaben sollten entnommen werden können:

1. Name der Firma: Anschrift, ggf. Betrieb, Betriebsteil,

2. Persönliche Daten des Beschäftigten: Name, Geburtsdatum,

3. Gefahrstoffe nach Nummer 1 Absatz 2 oder Tätigkeiten bzw. Verfahren nach TRGS 906; Gefahrstoffe sind aufzuführen mittels

a) eindeutigem Stoffnamen (bei Stoffen aus Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 gemäß dem dort aufgeführten Namen, ansonsten gemäß der IUPAC-Nomenklatur)

b) einem geeigneten Produktidentifikator gemäß Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 wie z.B. EG-Nr., Index-Nr. , CAS-Nummer oder der REACHRegistriernummer oder

c) Bezeichnung der Tätigkeiten bzw. Verfahren gemäß den Angaben in der TRGS 906,

4. Zeitraum der Tätigkeit,

5. Höhe der Exposition, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach TRGS 401 und TRGS 402 fachkundig ermittelt wurde, z.B. durch

a) repräsentative und tätigkeitsbezogene Arbeitsplatzmessungen,

b) valide Abschätzungen im Vergleich mit bekannten Expositionen ähnlicher Anlagen oder Tätigkeiten aus dem eigenen Betrieb oder aus Expositionsbeschreibungen, z.B. Veröffentlichungen des LASI, der BAuA oder der UV-Träger,

c) Übersichtsmessungen (orientierende Messungen), Einsatz geeigneter Rechenmodelle,

d) Expositionsabschätzungen durch Experten (z.B. in Relation zu Grenzwerten).

Die Expositionshöhe kann als Zahlenwert oder mittels einer der folgenden halbquantitativen Angaben angegeben werden:

a) kleiner-gleich AGW,

b) größer AGW,

c) kleiner-gleich Akzeptanzkonzentration,

d) zwischen Akzeptanz- und Toleranzkonzentration gemäß TRGS 910,

e) größer-gleich Toleranzkonzentration gemäß TRGS 910,

f) kleiner-gleich dem der Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegenden Beurteilungsmaßstab,

g) größer dem der Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegenden Beurteilungsmaßstab oder

h) Ausmaß der Hautgefährdung gemäß TRGS 401. Dabei ist die Höhe der zugrunde gelegten Grenzwerte oder Beurteilungsmaßstäbe und die Art der Ermittlungsmethode nach Nummer 5 Satz 1 mit anzugeben. Bei der Ermittlung und Angabe der Höhe der Exposition bleiben die Auswirkungen durch das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung unberücksichtigt.

6. Die Dauer und Häufigkeit der Exposition ist gemäß Gefährdungsbeurteilung anzugeben z.B. durch

a) durchschnittliche Dauer pro Schicht und

b) durchschnittliche Anzahl der Tage pro Woche oder Jahr.

Beispiele enthalten die Anlagen 2 bis 5 der TRGS 410.

Inwieweit dies dann als rechtssicher gilt, kann von hier nicht beantwortet werden. Dies sollten Sie mit ihrem Unfallversicherungsträger und ihren Justiziaren klären.

Erforderliche Maßnahmen aus der Sicht der Arbeitsmedizin:

Ein „rechtssicheres“ Verfahren für die Dokumentation der gefährdenden, potentiell das Krebsrisiko erhöhenden Exposition für Einsätze der Feuerwehr speziell im Rahmen der Brandbekämpfung ist uns nicht bekannt. Im Rahmen von Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren ziehen Präventionsabteilungen der Unfallversicherungsträger (UVT) für die Abschätzung der kumulativen Exposition alle verfügbaren Daten für das gesamte Arbeitsleben der Versicherten heran. Dabei werden arbeitsplatzspezifische Daten immer am höchsten gewichtet. Da solche Daten meistens fehlen, basieren die Ermittlungen oftmals auf anamnestischen Angaben der betroffenen Arbeitnehmer u./o. der Arbeitskollegen oder auf Erfahrungswerten der UVT. Somit würden möglichst exakte und zeitnah zu den Einsätzen erfolgende betriebliche Dokumentationsdaten die retrospektive Abschätzung der individuellen Exposition erheblich erleichtern.

Die Beurteilung der Exposition erfolgt zunehmend anhand der geschätzten kumulativen Dosis für das gesamte Arbeitsleben, da zunehmend Dosis-Effekt-Beziehungen für Berufskrankheiten wissenschaftlich abgeleitet werden. Beispiele hierfür sind z.B. die ppm-Jahre für Benzol bei Erkrankungen des blutbildenden Systems oder Benzo[a]pyren-Jahre bei Lungenkrebs.

Die betriebliche Dokumentation sollte sowohl die Art des Ereignisses (z.B. Brandes) als auch die Beschreibung der konkreten individuellen Tätigkeit der Arbeitnehmer am Expositionsort, die Einsatztage, jeweilige Einsatzdauer und soweit vorhanden Messdaten von Gefahrstoffen unter Angabe des verwendeten Messverfahrens umfassen. Darüber hinaus ist eine präzise Angabe zur verwendeten persönlichen Schutzausrüstung zur Verhinderung/Verringerung der Aufnahme von Gefahrstoffen über die Lunge und die Haut erforderlich. Wenn die Haut kontaminiert war sollte das Areal (z.B. Hände, Unterarme, Gesicht) dokumentiert werden. Die Erhebung von zuverlässigen Daten ist deshalb mit einem erheblichen Dokumentationsaufwand verbunden. Es ist zu empfehlen, dass die Dokumentation von Personen erfolgt, die über erforderliche Kenntnisse verfügen und am jeweiligen Einsatz beteiligt waren.

Präventionsdienste der UVT verwenden für die retrospektive Abschätzung der Exposition Software-basierende Lösungen, z.B. bei der Berechnung der Benzol-ppm-Jahre, die dafür auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse speziell entwickelt wurden. Nachfolgend ist ein Auszug von Literaturquellen angegeben, die sich mit dem Thema Expositionsschätzung befassen. Daraus können Parameter entnommen werden, die modifiziert für viele Expositionsszenarien angewendet werden können. Es ist zu empfehlen ein innerbetrieblich erstelltes Konzept mit dem zuständigen UVT abzustimmen.


Auf die Informationen der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) zum Expositionstagebuch weisen wir hin.

Literatur: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). BK-Report 2/2013 BaP-Jahre. Berlin, August 2013.

Nies E, Barrot R, Drexler H, Hallier E, Kalberlah F, Prager H-M, Schaller KH, Westphal G, Korinth G. Perkutane Aufnahme von Benzol – Folgerungen für die retrospektive Expositionsabschätzung. Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 40 (2005) 585–594.

http://www.asu-arbeitsmedizin.com/ASU-2005-11/Perkutane-Aufnahme-von-Benzol-Folgerungen-fuer-die-retrospektive-Expositionsabschaetzung,QUlEPTIwMTAzMCZNSUQ9MzAwMTA.html

Auch auf die zitierten Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) und hierbei auch auf die kürzlich aktualisierte Fassung der TRGS 401 weisen wir hin.